Schulen: Pandemie hat bestehende Probleme massiv verstärkt
Die Corona-Pandemie hat an den Schulen wie ein Brennglas gewirkt: Bestehende Probleme wurden durch Schulschließungen verstärkt.
Das Distance Learning habe auf verschiedene Gruppen deutlich unterschiedliche Auswirkungen gehabt, konstatierten Forscher bei einem von "Diskurs - das Wissenschaftsnetz" veranstalteten Online-Pressegespräch am Dienstag.
Abgehängt wurden vor allem Schüler aus sozioökonomisch schlechter gestellten Familien.
Insgesamt sei die Studienlage zu Lernverlusten aufgrund von Schulschließungen nicht einheitlich, betonte Stephan Huber vom Institut für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie der Pädagogischen Hochschule Zug. Manche Untersuchungen würden zum Schluss kommen, dass sich die Schließungen nicht so stark ausgewirkt hätten, die Mehrheit gehe aber von Einbußen aus - wobei diese aber nicht so groß sein dürften wie zuletzt in einer Zusammenschau verschiedener Studien berichtet: Dort hieß es, dass im Frühjahr 2020 der Distanzunterricht den gleichen Effekt gehabt hätte wie Sommerferien.
Sozial Schwache und Jüngere betroffen
Viel entscheidender sei aber ohnehin die Auswirkungen der Schulschließungen auf unterschiedliche Schülergruppen, meinte Huber. In der einen Gruppe gebe es keine Lernverluste und in anderen schon - und das seien eben Kinder aus bildungsfernen Familien. Aber auch jüngere Kinder hätten mehr Probleme gehabt.
Bei seinen Erhebungen über die Zeiteinteilung von Schülern während der Pandemie hätte sich etwa gezeigt, dass ein Drittel der Schüler mehr gelernt hätte als in der "normalen" Schulzeit. Das seien jene Schüler, die morgens aus dem Bett kommen und ihre Zeit gut strukturieren können.
Computerspiele
"Aber es gibt eben auch ein anderes Drittel, das abgehängt wurde", so Huber. Das seien eben jene, die sich selbst nicht so gut strukturieren können und generell passiver seien. "Was sie mehr tun als andere, ist Zocken und Computerspielen." Diese Gruppe habe während der Schließungen praktisch gar nichts für die Schule gemacht - was oft nicht an mangelndem Zugang zu digitalen Geräten lag, weil Computerspielen ja offenbar ging.
Huber plädierte dafür, die Selbstorganisation bzw. das Lernen mit und über Technologie von Schülern zu stärken. Bildung müsse auch weiter verstanden werden als das bloße Nachholen von Lernstoff. Da gehe es vor allem um motivationale Effekte. Man dürfe auch nicht zu stark auf Tests fokussieren: Schüler würden dadurch nicht klüger, mehr motiviert, sozial kompetenter oder emotional besser aufgestellt. Dementsprechend müsse man Schritt für Schritt handeln und besonders belastete Gruppen auch besonders unterstützen.
"Selektionslogik"
Ebenfalls auf die Bildungsungleichheit fokussierte Barbara Herzog-Punzenberger, Professorin für Schulpädagogik und allgemeine Didaktik an der Uni Innsbruck. Sie kritisierte etwa die "Selektionslogik" des österreichischen Bildungssystems. "Wir haben ganz viele Maßnahmen, um Schülerinnen und Schüler auszuwählen und auszusortieren".
Das beginne bei der Vorschule und setze sich bei Deutschklassen, dem Sitzenbleiben, der Sonderschule und der frühen Trennung in AHS und Mittelschule fort. Gleichzeitig zeige sich aber, dass Schulsysteme, die nicht auf Trennung setzen, tendenziell besser bei Leistungstests abschneiden würden.
Außerdem müsse etwas gegen die sogenannte Segregation in der Schule getan werden - also etwa die vorwiegende Zusammensetzung von Klassen oder Schulen mit Kindern aus benachteiligten Familien. "Ich kann entweder die Zusammensetzung ändern oder ich versuche, hochsegregierte Standorte in besonderer Weise zu unterstützen, so Herzog-Punzenberger - etwa durch zusätzliche Lehrkräfte oder Unterstützungspersonal im Rahmen eines Chancenindex.
Und schließlich müsse man bei der Lehrerausbildung ansetzen. In der Grundausbildung würden die angehenden Pädagoginnen und Pädagogen nicht ausreichend auf den Umgang mit Mehrsprachigkeit und Migration vorbereitet. Es gebe zwar Angebote, diese seien aber nicht verpflichtend - und das obwohl die Lehrerausbildung in Österreich im internationalen Vergleich ohnehin mit am längsten dauert, meinte die Forscherin. "Wir reproduzieren in unserer Ausbildung derzeit den Status Quo, den wir gleichzeitig kritisieren."
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