Schulschließungen sind angesichts der österreichweit steigenden Infektionszahlen wieder Thema, wissenschaftlich lässt sich aber nicht mit Gewissheit sagen, wie sehr die rund 5.500 Bildungseinrichtungen für die Virus-Weitergabe verantwortlich sind.
Innerhalb der Schulen gab es jüngst aber eine erstaunliche Analyse der Gesundheitsagentur AGES: Häufiger sind es demnach die Pädagogen, die das Virus in die Schulen einschleppen und Kollegen wie Schüler infizieren – nicht umgekehrt. Das erfuhren Abgeordnete des Parlaments bei einem Gesprächstermin bei Minister Rudolf Anschober und seinen Experten am Montag.
Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker fordert nach dieser Erkenntnis einmal mehr, Alternativen zur Schulschließung zu evaluieren: Etwa den Ausbau der Testkapazitäten für Schulen und Kindergärten, eine erweiterte Maskenpflicht oder die Einteilung in Gruppen.
Die SPÖ drängt ebenfalls auf eine Ausweitung des Testangebots – und schlägt etwa Gurgeltests für Eltern zu Hause vor, wenn ihre Kinder gerade jetzt, in der kühleren Jahreszeit, Symptome zeigen. Eines stehe aber fest, so Gesundheitssprecher Philip Kucher: „Keiner der Experten hat Daten vorgelegt, die die Notwendigkeit zeigen, Schulen zu schließen.“
Kompromiss
AHS-Direktorensprecherin Isabella Zins schlägt einen Kompromiss vor, falls es zu Schließungen kommt: "Wir wollen, dass die Schulen offen bleiben. Sollte es dazu kommen, dass auch in den Unterstufen au Distance-Learning umgestellt werden muss, so sollte das nur für die Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Schulstufen geschehen. Das würde auch die Eltern entlasten, denn in diesem Alter benötigen die Jugendlichen nicht mehr ganz so viel Betreuung."
Allerdings fordert eine Gruppe österreichischer Wissenschafter unterschiedlicher Fachrichtungen sofort deutliche strengere Maßnahmen. Es brauche jetzt die sofortige Schließung aller Schulen, die „Pflicht zum Homeoffice, wo immer möglich“ sowie die Erhöhung des Mindestabstands von einem auf zwei Meter, andernfalls würden Österreich überlastete Spitäler und Triage drohen.
„Der ,Lockdown light‘ setzt, im Gegensatz zum rigorosen Lockdown im Frühjahr, teils auf die falschen Maßnahmen und ist viel zu locker“, meinen der Mathematiker Peter Markowich, der Informatiker Georg Gottlob und die beiden Physiker Christoph Nägerl und Erich Gornik, allesamt Träger des Wittgenstein-Preises – dem höchsten Wissenschaftsförderpreis Österreichs. Sie sehen „nach aller wissenschaftlicher Evidenz Österreich seit Wochen ungebremst in die Katastrophe überlasteter Spitäler fahren“.
Gänzlich anders sieht das die Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, die an diesem Dienstag zu einem Mediengespräch laden: „Die aktuellen Zahlen sind nach unserer Einschätzung ein klarer Beweis dafür, dass die Schließungen von Schulen keine effiziente Maßnahme ist, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Tiroler Oberstufen sind jetzt seit drei Wochen im Distanzunterricht, und am exponentiellen Anstieg der Infizierten in der Bevölkerung hat sich nichts geändert“, schreiben die Mediziner.
Belegt ist inzwischen auch, dass der Heimunterricht enorm negative Konsequenzen für die Kinder (Bildungsverlust) bis hin zur Volkswirtschaft haben.
Übrigens wird die Initiative „Religion ist Privatsache“ beim VfGH wegen der Ungleichbehandlung der Schüler gegenüber Religionen Klage einbringen. Kirchen sind, anders als die Oberstufe, weiterhin offen.
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