Schnell und teuer: Wie sich die Corona-Hilfen ausgewirkt haben

Schnell und teuer: Wie sich die Corona-Hilfen ausgewirkt haben
Eine Studie im Auftrag des Finanzministeriums legt nahe, dass treffsichere Hilfen nicht die bessere Wahl gewesen wären.

Rund 47 Milliarden Euro hat der Staat für Corona-Förderungen ausgegeben. Wurde zu viel zu schnell ausbezahlt? Der Rechnungshof monierte jedenfalls eine Überförderung. Das Finanzministerium (BMF) hat die Hilfszahlungen nun von mehreren Wirtschaftsforschungsinstituten überprüfen lassen  darunter Wifo, IHS, EcoAustria und das Cesar-Institut.

Das sollte unter anderem folgende Fragen beantworten: Konnte sich die Wirtschaft erholen, konnten Arbeitsplätze gerettet und Insolvenzen vermieden werden? Die Antwort: ja. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) präsentierte die Ergebnisse am Mittwoch mit Experten.

Zehntausende Insolvenzen verhindert

Ohne Hilfszahlungen wären laut Wifo bis Ende 2021 37.400 Unternehmen nicht mehr zahlungsfähig gewesen  also rund zehn Prozent der heimischen Betriebe. Wären diese Betriebe insolvent geworden, hätten 203.100 Menschen ihren Job verloren  also 6,8 Prozent aller Beschäftigten. Durch diese hohe Zahl illiquider Unternehmen wären noch weitere Betriebe in die Krise geschlittert. Die ausbezahlten Hilfen seien vor allem kleinen und mittleren Betrieben zugute gekommen, heißt es.

Die Hilfsmaßnahmen hätten jedenfalls zu einer schnelleren wirtschaftlichen Erholung Österreichs beigetragen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei dank der Maßnahmen im Jahr 2020 im Folgejahr 2021 um rund drei Prozent gestiegen. "Dieser Effekt ist gleich bzw. leicht stärker als in anderen EU-Ländern", heißt es aus dem BMF.

Die Cesar-Untersuchungen bestätigen diese Ergebnisse. Die Arbeitslosigkeit hätte sich 2020 ohne staatliche Hilfen von 6 auf 12,2 Prozent verdoppelt und würde auch heute noch bei 7,1 statt 5 Prozent liegen. "Ebenso wären der private Konsum, Investitionen und das BIP deutlich niedriger gewesen", heißt es. Laut Cesar wäre das Budgetdefizit ohne staatliche Hilfsmaßnahmen bis 2023 um rund 60 Milliarden Euro gestiegen.

Überförderung wurde nicht untersucht

Eine mögliche Überförderung wurde nicht untersucht. Dafür fehlten auch die Daten, etwa die Förderungen zwischen 10.000 und 100.000 Euro. Die Insolvenzquote sank jedenfalls verdächtig stark, um 40 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenniveau.

Laut Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker habe sich der Verdacht, dass sich marode Unternehmen sanieren konnten, zumindest nicht erhärtet: "Zombiefirmen hätten 2022 wenigstens aufgeben müssen, aber das zeigt sich nicht. Es zeigt sich auch nicht, dass Zombieunternehmen Förderungen genommen, Verbindlichkeiten zurückgezahlt und dann ihren Betrieb geschlossen haben. Wir haben das nicht genau untersucht, aber dafür gibt es keine Indizien."

Hilfen zu schnell ausbezahlt?

Der Rechnungshof und die Opposition kritisierten vor allem die schnelle Auszahlung der Hilfen. Die Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) wickelte die Hilfsgelder ab. Die Cofag-Geschäftsführung genehmigte bis Ende Juni 2021 fast 700.000 Anträge. Insgesamt 79 Prozent der Anträge führten zu einer Auszahlung von Zuschüssen  in den meisten Fällen ohne nähere Überprüfung der Konzerne. Deshalb habe laut Rechnungshof ein "beträchtliches Überförderungspotenzial" bestanden, weil jede Filiale als einzelnes Unternehmen Zuschüsse bis zum Höchstbetrag beanspruchen konnte.

Das BMF wehrt sich auf Basis der Cesar-Studie erneut gegen die Vorwürfe. Die rasche Auszahlung der Hilfen hätten in etwa so gut gewirkt wie eine "treffsichere, aber dafür langsamere Auszahlung". Es sei kein gesamtwirtschaftlicher Nachteil entstanden. Und: Treffsicherere Maßnahmen wären zwar billiger gewesen. Durch die länger dauernde Auszahlung und damit langsamere Wirkung hätten sie aber zu einer budgetären Mehrbelastung rund mehr als 1,5 Milliarden Euro geführt.

"Trotz teilweise berechtigter Kritik an einzelnen Hilfsinstrumenten bezüglich ihrer Treffsicherheit, zeigt sich in Summe, dass gerade durch das schnelle und intensive Reagieren des Bundes großer wirtschaftlicher Schaden an unserer Gesellschaft und unserem Wohlstand abgewendet werden konnte", sagte Brunner.

Viele Anzeigen könnten folgen

Größere Probleme könnten noch auf jene Unternehmen zukommen, die zu Unrecht Hilfen beantragt haben. Es sei davon auszugehen, dass viele Förderungen zu Unrecht beantragt wurden, sagt Christopher Schrank, Anwalt für Wirtschaftsstrafrecht bei der Wiener Kanzlei Brandl Talos, dem KURIER. Dazu liegen zwar noch keine genauen Zahlen vor, Schrank geht allerdings davon aus, dass es noch viele Anzeigen geben werde. Seine Empfehlung: "Tätige Reue" zeigen und zu Unrecht bezogene Hilfen schnell und in voller Höhe zurückzahlen. Ansonsten drohen involvierten Mitarbeitern Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.

Höhere Treffsicherheit bei Daten

Wo auch das BMF selbstkritisch ist: Um künftige Hilfen treffsicherer zu gestalten, müsse die Datenqualität verbessert werden. Das gelte auch für die aktuellen Anti-Teuerungshilfen. "Das Problem der fehlenden Datenverschneidungen hat sich insbesondere in der aktuellen Energiekrise gezeigt. Das Projekt ist unter enger Abstimmung mit Experten im Finanzministerium bereits am Laufen", heißt es.

Noch im ersten Halbjahr 2023 würde man gerne ein Ergebnis präsentieren, so Brunner: "Gerade als Finanzminister ist es mein Anspruch, dass wir so rasch und treffsicher wie möglich agieren."

Kommentare