Schengen-Veto: ÖVP-Mandatare verweigerten Unterstützung
Selten zuvor wurde von der ÖVP in Wien eine Debatte des EU-Parlaments so genau beobachtet, wie die Konfrontation am Dienstag in Straßburg. Thema war das Veto von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gegen den Schengen-Beitritt. Vor allem die rumänischen Abgeordneten nutzten diese Debatte, um das Vorgehen Österreichs scharf zu verurteilen.
Tage davor waren dazu schon in rumänischen Medien die Emotionen geschürt worden. Gerhard Karner wurde als der „Sturmbannführer“ von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bezeichnet. Der ehemalige rumänische Tennisstar Ilie Nastase (76) bezeichnete den Kanzler sogar als „Hitlers Nachfolger“. Im EU-Parlament wurde der österreichischen Regierung Rassismus vorgeworfen.
Damit hatte man in Wien auch gerechnet. Spannender war für die Parteistrategen, wie die Abgeordneten der türkisen Regierungspartei damit umgehen werden. Dass Vizepräsident Othmar Karas ans Rednerpult tritt, um die Schengen-Linie der Regierungsspitze zu vertreten, war nicht erwartet worden. „Damit muss man leben, das war auch in der Ära von Sebastian Kurz nicht anders.“ So die Reaktion eines hohen Parteifunktionärs. Von den anderen Mandataren der eigenen Partei hätte man aber gerne mehr Engagement gesehen.
Ans Rednerpult trat letztlich nur der Niederösterreicher Lukas Mandl. Er versuchte, den EU-Parlamentariern zu erklären, dass nicht die verschobene Erweiterung des Schengen-Raums die große Krise wäre, sondern die illegale Migration. Das Veto sei nicht gegen Bulgarien und Rumänien gerichtet, sondern gegen die Versäumnisse in der Flüchtlingspolitik. Applaus bekam er im EU-Parlament keinen. Dafür folgte so manche Gratulation aus Wien. „Für uns ist ausschlaggebend, dass Lukas Mandl die Linie gehalten hat“, heißt es aus dem Umfeld von Innenminister Karner.
Brüsseler Perspektive
Doch warum waren die restlichen EU-Abgeordneten der ÖVP bei der Debatte in den Bänken sitzen geblieben? Mit Christian Sagartz, Alexander Bernhuber, Simone Schmiedtbauer, Barbara Thaler oder Angelika Winzig stellen die Türkisen immerhin die größte österreichischen Fraktion. Sie alle hielten sich bedeckt. In Wien wurde das doch mit Missfallen aufgenommen. In erster Linie soll Angelika Winzig in der Ziehung stehen, weil sie als Delegationsleiterin der ÖVP für ein koordinierteres Vorgehen sorgen hätte sollen.
Wobei diese Abgeordneten natürlich in einem Zwiespalt waren. Im EU-Parlament hatten sie im Oktober für die Erweiterung des Schengen-Raums gestimmt. Der Vorschlag war von der EU-Kommission gekommen. Wegen der Flüchtlingskrise am Balkan kündigte dann aber Gerhard Karner die Veto-Drohung an und blieb auch beim Treffen der Innenminister dabei. Diese Linie wird auch Kanzler Karl Nehammer weiter vertreten. Zum Beispiel heute beim Gipfel der Regierungschefs.
Stocker gelassen
Nach außen hin kommentiert man das Verhalten im EU-Parlament gelassen. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker: „Die Breite der Volkspartei hat das schon immer ausgehalten und das ist nach wie vor so. Entscheidend ist ohnehin, wie der Kanzler handelt. Und der ist hier glasklar.“ So manch anderer sieht das aber nicht so entspannt. „Die Herrschaften sollten wissen, dass die Kandidatenliste für die nächste EU-Wahl von der ÖVP in Österreich erstellt wird und nicht in Brüssel“, sagte ein türkiser Funktionär zum KURIER. Der nächste EU-Urnengang ist Mitte 2024.
Minister Karner wurde dieser Tage bei einem Lokalaugenschein an der burgenländischen Grenze angesichts der Flüchtlingssituation auch auf das Verhalten seiner Parteikollegen in Brüssel angesprochen. Vor allem auf die Aussagen von Othmar Karas. Seine Reaktion: „Vielleicht muss man manchmal mehr in burgenländischen Gemeinden unterwegs sein als in der Brüsseler Bürokratie.“
Das Schengen-Veto sorgt auch bei der SPÖ für Dissonanzen. Während Bundesparteiobfrau Pamela Rendi-Wagner davon gesprochen hat, dass aktuell kein idealer Zeitpunkt für eine Erweiterung ist, haben sich EU-Abgeordnete wie Evelyn Regner und Andreas Schieder klar dafür ausgesprochen.
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