Schengen-Veto: Warum der Innenminister darauf beharrt hat

Das Veto von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gegen die Schengen-Erweiterung hat diplomatisch für schwere Turbulenzen gesorgt. Rumänien hat deswegen sogar seinen Botschafter für Konsultationen aus Wien zurück nach Bukarest beordert. In Österreich bedauerte am Freitag Bundespräsident Alexander Van der Bellen das Nein. Hier einige Punkte, die zu dieser umstrittenen Entscheidung geführt haben.
Warum wurde beim Innenminister-Treffen gegen Bulgarien und Rumänien gestimmt, aber für Kroatien?
Migrationsexpertin Judith Kohlberger hat auf Twitter die Argumentation, dass über Bulgarien und Rumänien mehr Flüchtlinge nach Österreich gebracht werden, in Zweifel gezogen. Ihrer Meinung nach würden nur 3 Prozent aller Asylwerber den Weg über Rumänien nehmen. Im Innenministerium legt man andere Zahlen vor. Rund 100.000 Aufgriffe habe es heuer an der Ost- und Nordgrenze (Burgenland, Niederösterreich) gegeben, nur 2.000 an der Südgrenze (Steiermark, Kärnten). Die 100.000 würden Routen durch Bulgarien, Rumänien, Serbien und Ungarn wählen. Nur im Süden käme Kroatien ins Spiel.
Welche Routen werden da von den Flüchtlingen gewählt?
Rund 35.000 Asylwerber sind über die Türkei und Bulgarien nach Serbien gekommen. An die 40.000 nutzten die Visa-Freiheit in Belgrad. In beiden Fällen wurden sie von Schleppern in Serbien aufgegriffen. Die Visa-Freiheit wurde mittlerweile eingeschränkt. Rund 20.000 Asylwerber sind bereits in Griechenland und auf dem Balkan aufhältig. Von den Migranten, die über Serbien kommen, sind an die 15.000 über Rumänien nach Ungarn und dann nach Österreich gelangt. Weitere 5.000 kamen über Bulgarien nach Rumänien und dann nach Ungarn.
Wie kommt das Innenministerium zu diesen Zahlen?
Das sind die Ergebnisse der Auswertungen von Mobiltelefonen (Geo-Daten von mehr als 400 sichergestellten Smartphones), der Befragungen von Migranten und der Ermittlungen gegen die organisierte Schlepperkriminalität. Dazu äußerte sich auch Gerald Tatzgern, Leiter der Schleppereibekämpfung im Bundeskriminalamt: „Sowohl Rumänien als auch Bulgarien sind Teil der Österreich betreffenden Schlepperrouten.“
Vor allem Bulgarien gelte unter den Schleppergruppierungen als Transitland, in dem die Weiterschleppungen über Serbien oder Rumänien organisiert werden.
Warum wird Ungarn nicht mehr in die Pflicht genommen?
Dass viele Migranten erst dann das Wort „Asyl“ in den Mund nehmen, wenn sie die Grenze zwischen Ungarn und dem Burgenland passiert haben, ist ein entscheidender Punkt, wenn es um die hohen Aufgriffzahlen in Österreich geht. Das werde auch immer wieder angesprochen, wenn es zu Treffen mit dem ungarischen Innenminister kommt, heißt es aus der Herrengasse in Wien. Ein Problem sei, dass es zwar zwischen Ungarn und Serbien einen Grenzzaun gebe, zwischen Ungarn und Rumänien aber nicht. Das liege an der ungarischen Minderheit in Rumänien, sagen Beobachter. Weitere Gespräche mit den Ungarn sind geplant.
Warum gibt es trotz Schengen-Außengrenze noch Binnengrenzen?
Wegen Corona und wegen der Flüchtlingskrise wurden innerhalb des Schengenraums zusätzlich Grenzkontrollen aufgezogen. Weil die EU-Außengrenze nicht dicht genug ist. In Österreich gibt es Kontrollen zu Ungarn, Slowakei und Tschechien. Deutschland kontrolliert Reisende aus Österreich.
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