Hier ist einiges geplant, worüber Juristen seit Jahren diskutieren. So könnte etwa das Verschuldensprinzip – also die Frage, wer die Trennung verursacht hat – fallen.
„Bisher war das Verschulden ohnehin nur für die Frage, ob an den Ex-Partner zu zahlen ist, relevant – nicht für die Obsorge gemeinsamer Kinder und kaum bei der Vermögensaufteilung“, sagt In der Maur-Koenne. Barbara Beclin, Professorin für Zivilrecht an der Universität Wien, ergänzt, dass Schuld rechtlich kaum feststellbar sei. Und: „Wenn es im Rahmen der
Scheidung zu langwierigen Diskussionen kommt, zerrüttet das das Verhältnis oft noch mehr.“
Die gemeinsame Obsorge soll Regelfall werden. Was bedeutet das?
Dieser Punkt birgt besonderes Streitpotenzial. Während die
FPÖ dem Vorstoß positiv gegenübersteht, sei der Plan laut SPÖ „klar abzulehnen“.
Doch die Diskussion könnte obsolet sein, denn: „Die gemeinsame Obsorge als Regelfall gibt es schon seit 2013“, sagt
Beclin. Dass der Punkt überhaupt erwähnt wird, könne bedeuten, dass ein Obsorgerecht automatisch ab der Feststellung der Vaterschaft entstehen soll. Bisher musste der Vater in außerehelichen Beziehungen das Sorgerecht erst beantragen. Von einer Änderung rät die Juristin dringend ab. „Sonst könnte es zu einem Mitreden ohne Mittun des Vaters kommen.“
Werden Doppelresidenzen geregelt?
Bisher war rechtlich nicht klar, ob Scheidungskinder zwei Wohnsitze haben können. Das soll sich nun ändern. „In der Praxis war das ohnehin bereits häufig so“, sagt In der Maur-Koenne.
Welche Auswirkungen ergeben sich dadurch für betroffene Kinder?
Kinderpsychologe
Christian Gutschi ist beim Thema Doppelresidenz skeptisch. „Denn entwicklungspsychologisch ist es oft besser, wenn die Kinder einen fixen Wohnsitz haben“, erklärt er.
Einen Wegfall der Schuldfrage begrüße er aber. Das könne eine Erleichterung sein, weil Kinder sonst dazu neigen, einen Teil der Schuld auf sich zu nehmen, sagt Gutschi.
Was fehlt im Regierungsprogramm?
„Nichts ist falsch, aber vieles zu kurz gegriffen“, lautet das Urteil von Juristin Beclin zu den türkis-grünen Vorhaben.
Im Programm etwa nicht enthalten sei, wer im Falle einer Doppelresidenz wie viel Unterhalt zahlt. Außerdem vermisst die Expertin Regeln für eine Lebensgemeinschaft ohne Ehe. „Das ist sehr konservativ, da schlägt die ÖVP durch“, sagt sie. Auch sei ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Kinderarmut nicht gemacht worden: Es wurde kein Grundunterhalt festgelegt, den jedes Kind im Scheidungsfall unabhängig von der Zahlungsfähigkeit der Eltern erhält. Diesen hätte der Staat rückfordern können, wenn die Eltern später zu Geld kommen.
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