Salzburger FPÖ-Chefin zur Corona-Debatte: "Aufhören, einander niederzuringen"
Marlene Svazek sitzt seit Langem wieder in einem Lokal. Sie zeigt ihren 2-G-Nachweis vor. Geimpft ist sie nicht, aber genesen – bereits zum zweiten Mal. Die 29-jährige Landesparteiobfrau der Salzburger FPÖ hatte im Vorjahr Corona, ohne es zu merken, und Anfang Jänner infizierte sie sich mit Omikron.
KURIER: Werden Sie sich impfen lassen, wenn Ihr Genesungszertifikat abläuft?
Marlene Svazek: Nein, ich sehe absolut keine Notwendigkeit – nur, weil der Staat es mir auferlegt. Ich habe zwei Mal Corona ohne Symptome gehabt und fühle mich gut geschützt.
Ihr Kollege in Oberösterreich, Manfred Haimbuchner, hatte auch Corona – und will sich impfen lassen, weil er sich damit geschützt fühlt.
Er hatte aber auch einen schweren Verlauf und musste um sein Leben kämpfen. Es ist nur zu verständlich, wenn er sich aus gesundheitlichen Gründen impfen lässt.
Bundesparteichef Herbert Kickl ist bei dem Thema wesentlich härter. Welche Linie entspricht eher der Mehrheit in der FPÖ?
Jeder hat seine eigene Geschichte, die ihn in seiner Haltung beeinflusst. Die gemeinsame Linie der FPÖ ist, dass das Impfen eine individuelle Entscheidung ist und dass wir gegen die Impfpflicht und Einschränkungen für Ungeimpfte sind. Ich habe von Herbert Kickl nie gehört, dass er generell gegen das Impfen ist.
Aber der Eindruck ist entstanden, oder?
Der Eindruck ist medial entstanden. Wir haben darüber auch in der Partei diskutiert. Aus meiner Sicht war es notwendig, dass er das noch einmal präzisiert. Klar ist: Wenn sich jemand dazu entscheidet, sich impfen zu lassen, ist das legitim. Es sind ja auch viele Freiheitliche geimpft.
Marlene Svazek,
geboren 1992, studierte Politikwissenschaften und fing 2013 als politische Referentin beim FPÖ-Landtagsklub in Salzburg an, danach wurde sie Landesparteisekretärin.
Ein Jahr lang war sie Assistentin von EU-Mandatar Harald Vilimsky in Brüssel. 2015 gab es eine Abspaltung bei den Salzburger Blauen – Langzeitobmann Karl Schnell gründete eine eigene Partei.
Svazek, damals 24 Jahre alt, wurde 2016 neue Landesobfrau. 2018 war sie für wenige Monate auch Generalsekretärin der Bundes-FPÖ.
Sie sagen, Impfen sei eine "individuelle Entscheidung". Wo bleibt die Solidarität?
"Solidarität" ist ein Wort, das gut klingt. In der Pandemie ist es zum Mittel geworden, anderen ein schlechtes Gewissen zu machen und selbst eine moralische Überlegenheit zu demonstrieren. Ein Geimpfter kann aber nach wie vor Corona bekommen und andere anstecken.
Und die Solidarität gegenüber dem Gesundheitspersonal? In den Spitälern liegen ja vor allem Ungeimpfte.
Die Milliarde, die die Regierung jetzt in eine Impflotterie steckt, könnte man auch in das Gesundheitssystem stecken. Hinter so einem Weg würden 100 Prozent der Bevölkerung stehen – Geimpfte und Ungeimpfte.
Die Fronten sind verhärtet – nützen Impfpflicht und Impflotterie noch etwas?
Zwang macht aus Skeptikern extreme Gegner. Wer jetzt noch ungeimpft ist, den kriegt man nicht mehr, den hat man endgültig verprellt.
Was würden Sie tun, um die Pandemie zu bekämpfen?
Ich würde mir ein Beispiel an Ländern nehmen, die jetzt positiv damit umgehen. Die Schweiz oder Dänemark haben entschieden, zu akzeptieren, dass es wiederkehrend Wellen geben wird.
Und in Kauf zu nehmen, dass Menschen daran sterben?
So traurig diese Schicksale sind, wird man im Leben nie alle Risiken ausschalten können. Mir wäre wichtig, dass man die vulnerablen Gruppen schützt, aber den Rest der Gesellschaft wieder normal leben lässt.
Sie nehmen an Corona-Demos teil. Wenn Sie jemanden sehen, der einen Judenstern mit dem Schriftzug „ungeimpft“ trägt – was tun Sie?
Ich bin nicht auf einer Demo, um andere zu maßregeln. Außerdem: Wer so einen Vergleich zieht, verherrlicht ja nicht den Nationalsozialismus, sondern drückt seine Sorge um Demokratie und Grundrechte aus.
Sie sorgen sich sicher auch um die Demokratie – tragen Sie einen solchen Stern?
Nein, da würde ich wahrscheinlich auf sämtlichen Titelseiten geprügelt werden. Aber ich finde es legitim, aufmerksam zu machen, was diese Spaltung für eine Gesellschaft bedeuten kann. Der geringste Hauch von Antisemitismus ist natürlich abzulehnen.
Die Aggressionen sind dort teils so heftig, dass Oberösterreich jetzt Schutzzonen vor Spitälern machen will. Was halten Sie davon?
Man soll seinen Unmut da deponieren, wo er hingehört – bei der Regierung. Ich bin absolut dagegen, dass vor Krankenhäusern demonstriert wird. Bannmeilen dürfen aber nicht zu weit gehen, das wäre eine Einschränkung des Demonstrationsrechts durch die Hintertür.
Wie kann die FPÖ dazu beitragen, dass sich das Klima im Land verbessert?
Ich glaube, dass sich alle am Riemen reißen müssen. Wir müssen wieder ins Diskutieren kommen. Momentan versucht jeder, den anderen niederzuringen und am Boden zu fixieren.
Gilt das auch für Ihren Parteichef Herbert Kickl?
Ja, das muss für alle gelten. Aber Aktion erzeugt immer Reaktion. Der Ball liegt bei der Regierung, bei dem Wahnsinn, den sie von sich gibt. Sie ist für die Vertrauensbildung verantwortlich.
Sie gelten als Zukunftshoffnung der FPÖ, wurden kürzlich zum Treffen rechte Parteien Europas nach Madrid geschickt. Ehrt Sie das?
Als Zukunftshoffnung gelte ich seit sechs Jahren, als ich Landesobfrau geworden bin (lacht). Zu Beginn war das ein Druck, mit der man als junger Mensch umzugehen lernen muss. Jetzt bin ich in der Partei gut verankert und froh um jede Gelegenheit, die ich für die Partei wahrnehmen kann.
Ihr Parteichef hat den Freundschaftsvertrag mit Russland auslaufen lassen. Orientiert sich die FPÖ außenpolitisch jetzt neu?
Ich glaube, es ist gut, wenn wir nach allen Seiten offen sind. Unser EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky bemüht sich hier sehr, hat auch gute Kontakte in die USA. Deshalb ist es wichtig, dass wir zu Russland eine Distanz wahren. So einen Vertrag werden wir nicht noch einmal unterschreiben. Wir haben uns da in eine Abhängigkeit hineinmanövriert, durch die sich andere Türen geschlossen haben.
Braucht die FPÖ mehr junge Frauen an der Spitze?
Das geht nicht von heute auf morgen. Es ist auch eine Frage des Wollens. Ich weiß, was ich aufgeben muss in meinem Privatbereich und verstehe jede Frau, die das nicht will.
In Ihrem Job bei der Familienpartei FPÖ ist Familie und Job nicht vereinbar?
Bei meinem aktuellen Zeitmanagement wüsste ich nicht, wie ich das unterbringen soll. Beides so halb, das geht für mich nicht. Ich widme mich in diesem Lebensabschnitt voll und ganz dieser Spitzenfunktion, aber es wird sicher auch einmal ein anderer Lebensabschnitt kommen.
Die MFG zwackt der FPÖ Stimmen ab. Wie muss sich Ihre Partei da abgrenzen?
Die MFG hat nur dieses eine Thema und ansonsten mit den Ansichten der FPÖ nichts gemeinsam. Wenn man genauer hinschaut, ist das eine zutiefst linke Partei.
Wie kommen Sie darauf?
Die MFG geht in eine ganz andere Richtung als wir, beispielsweise beim Sozialthema. Der soziale Aspekt ist der FPÖ ganz wichtig. Die Pandemie war ein Brandbeschleuniger. Wir haben momentan eine extreme Teuerungswelle bei den Lebenshaltungskosten. Uns gehen die Themen sicher nicht aus.
Die Hofburg-Wahl ist im Herbst – stellt die FPÖ einen Kandidaten?
Wir warten ab, ob Alexander Van der Bellen noch einmal antritt. Die FPÖ wird nicht akzeptieren, dass es nur diesen einen Kandidaten gibt, der von den anderen Parteien unterstützt wird. An Personal wird es bei uns nicht scheitern.
Was ist mit Norbert Hofer?
Wenn er seine Person zur Verfügung stellt, werden wir nicht Nein sagen. Er hat 2016 das beste Ergebnis für die FPÖ eingefahren, ist sicherlich der präsidialste Charakter, den wir in der Partei haben.
Fiele Ihnen auch eine Frau mit "präsidialem Charakter" ein?
Susanne Fürst hat sich in der Impf-Thematik durch ihre Expertise in Verfassungsfragen hervorgetan. Die Frage ist: Geht es nur darum, einen Gegenkandidaten zu stellen, oder hat auch man den Anspruch, zu gewinnen? Es ist aber noch zu früh – bis zum Herbst kann sich noch viel tun.
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