Gegengeschäfte, aber sauber: Österreich sucht Platz am Rüstungsmarkt

Es sind goldene Zeiten für Rüstungskonzerne: Die globale Unsicherheit nimmt zu, die Welt rüstet auf. Auch in der Europäischen Union, deren Mitgliedsstaaten sich derzeit mehr schlecht als recht auf Kompromisse für gemeinsame Rüstungsprojekte einigen können, profitieren einige Rüstungsgiganten seit Jahren. Von US-Unternehmen ganz zu schweigen.
Neue Taskforce
In dieser Situation droht die österreichische Wirtschaft mehr oder minder leer auszugehen – unter anderem, weil lange zu viel Bürokratie und zu wenig gemeinsamer politischer Wille vorhanden war, für diesen Sektor notwendige Schritte zu unternehmen. Hier will die Industriellenvereinigung (IV) einen Anstoß geben: Eine „Taskforce“ arbeitet an einem Projekt, das die sicherheitspolitische und wirtschaftliche Resilienz Österreichs stärken soll. Ziel soll es sein, die Rahmenbedingungen für industrielle Kooperationen im Verteidigungsbereich zu verbessern – von der Ausrüstung für Militär und Polizei über Forschungsförderung bis hin zu rechtlicher Absicherung und Compliance.
Rund 50 Unternehmen sollen daran teilnehmen. Auch Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium bringen sich dort ein. Die Initiative startete im Frühjahr mit einem Treffen der relevanten Initiatoren sowie den 50 Unternehmen, eine zweite Zusammenkunft ist für September angesetzt, das finale Ergebnis soll im Oktober vorliegen. In diesem engen Zeitraum will man Handlungsempfehlungen für nationale wie europäische Entscheidungsträger erarbeiten – keine Leistungsschau, keine Messe, sondern konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen.
Denn „die österreichische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist zwar im internationalen Vergleich klein, aber hochspezialisiert und mit starker Exportausrichtung und innovativer Technologie ein stiller Wachstumsmotor. Die Potenziale des Sektors müssen wir nutzen“, meint Vize-Generalsekretär und Taskforce-Leiter Peter Koren gegenüber dem KURIER.
„Gegengeschäfte“
Ein besonderer Fokus liegt auf sogenannten industriellen Kooperationen bei Rüstungsbeschaffungen – also Gegengeschäften. Auch wenn dieser Begriff politisch vermieden wird, bleibt er in der operativen Kommunikation relevant. Gemeint sind damit etwa Liefervereinbarungen, aber auch Forschungskooperationen im zivilen Bereich, die als Gegenleistung für militärische Beschaffungen abgeschlossen werden. Sowohl das Verteidigungs-, Innen-, Außen- als auch das Wirtschaftsministerium gelten als zentrale Ansprechpartner.
Die Zeit drängt, denn die Investitionen der europäischen Nachbarn in Sicherheits- und Verteidigungsfragen steigen rapide. Diese Taskforce will keine bestehenden Aktivitäten duplizieren, sondern ergänzen. Während die Wirtschaftskammer etwa mit der Plattform AICAT internationale Auftritte und Delegationsreisen koordiniert – sie ist in die Taskforce eingebunden – soll es hier um konkrete politische und rechtliche Rahmenbedingungen gehen.
Zur Vermeidung rechtlicher Risiken werde jede Sitzung von einem Compliance-Anwalt begleitet. Denn die rechtlichen Stolperfallen sind zahlreich: vom Kartellrecht über das Außenwirtschaftsgesetz bis zum Kriegsmaterialgesetz.
Absicherung
Auch Verstöße gegen Korruptions- oder Vergaberecht könnten bei misslungener Umsetzung schwer wiegen. Auf KURIER-Nachfrage heißt es aus der IV, man lasse die gesamte Arbeit juristisch dokumentieren – um sich auch in Zukunft abzusichern. Grundlage für die „Industrielle Kooperation“ ist Artikel 346 des EU-Vertrags, der Ausnahmen vom Binnenmarkt für Güter der nationalen Sicherheit vorsieht. Ziel ist, sicherzustellen, dass österreichische Unternehmen nicht dauerhaft vom Verteidigungsmarkt ausgeschlossen bleiben.
erlaubt EU-Mitgliedstaaten, sicherheitsrelevante Informationen oder Rüstungsprodukte vom Binnenmarkt auszunehmen, wenn dies zur Wahrung ihrer nationalen Sicherheitsinteressen erforderlich ist. Er schützt somit militärische Schlüsselbereiche vor Offenlegung oder EU-weiten Vergabepflichten.
Ein besonders anschauliches Beispiel für gelungene Gegengeschäfte ist laut Gesprächskreisen Airbus. Österreichische Unternehmen wie FACC liefern erfolgreich viele Komponenten für dessen zivile Flugzeugflotte – ein Geschäft, das sich aus einer früheren militärischen Beschaffung entwickelte.
Auch mit der Firma Embraer gibt es langjährige Geschäftsbeziehungen mit der FACC und vielen anderen österreichischen Unternehmen – Geschäftsbeziehungen, die im Falle von öffentlichen Beschaffungsaktivitäten weit intensiver werden könnten.
Der Fall Steyr Arms
Ein weiterer Beweggrund für die Taskforce ist der sogenannte „Fall Steyr Arms“. Das österreichische Unternehmen, das seit Jahrzehnten erfolgreich Sturmgewehre nach Nordafrika exportiert, sieht sich derzeit durch rechtliche Unsicherheiten behindert – der KURIER berichtete:
Auch in die Debatte um Österreichs Neutralität will die IV nicht eingreifen – man wolle keine Grundsatzdiskussion lostreten. Vielmehr gehe es darum, innerhalb des bestehenden Rahmens wirtschaftliches und sicherheitspolitisches Potenzial besser zu nutzen.
Langfristig geht es um mehr als nur Einzelaufträge. Die Taskforce analysiert auch, welche Förderinstrumente es braucht, um Forschung und Entwicklung in sicherheitsrelevanten Sektoren zu stärken – etwa im Bereich Weltraumtechnologie oder Dual-Use-Innovationen. Ein weiteres Ziel ist es, industriepolitische Impulse sowohl auf nationaler Ebene als auch gegenüber der EU-Kommission zu setzen.
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