Verteidigung: Wie die Regierung die Gegengeschäfte neu aufstellen will

Europa rüstet auf. Die Summen sind gewaltig. Mit mehr als 800 Milliarden Euro will die EU die Verteidigungsfähigkeit Europas stärken, Deutschland allein hat ein Investitionspaket von 500 Milliarden Euro geschnürt.
Auch Österreich will davon profitieren.
Rund 150 österreichische High-Tech-Unternehmen sind laut Wirtschaftsministerium in der Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft aktiv. Die Branche beschäftigt direkt 11.000 Mitarbeiter, mit den Zulieferunternehmen sind es 20.000 Beschäftigte, die jährlich rund 3,3 Milliarden Umsatz erwirtschaften.

ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer
„Maximum herausholen“
„Es ist nur logisch, dass wir als Wirtschaftsstandort Österreich das Maximum aus der Aufrüstungsstrategie der EU herausholen wollen“, sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und erläutert im Gespräch mit dem KURIER die nächsten Schritte.
„Wir wollen die Verteidigungsindustrie im Export stärker unterstützen und haben daher die FFG (Staatliche Forschungsförderungsgesellschaft) beauftragt, ein eigenes Begleitprogramm für die Unternehmen zu entwickeln“. Zusätzlich führe man mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) Gespräche. „Ich bekenne mich klar dazu, industrielle Kooperationen künftig stärker für unseren Wirtschaftsstandort zu nützen, dies ist auch im Regierungsprogramm vorgesehen.“
Die Forschungsquote im Verteidigungssektor liegt bei 7,5 Prozent. Die Unternehmen legten trotz Rezession von 2018 bis 2023 ein Umsatzwachstum von 25 Prozent hin. Aber es geht nicht nur um den Export, sondern auch um die Beschaffungsaufträge des Bundesheers. Deren Volumen will man im Verteidigungsministerium mit Hinweis auf die missliche Budgetlage nicht nennen. Doch bereits jetzt beginnt die Sondierung der Eurofighter-Nachfolger. Derzeit wird über zwölf Trainingsjets Leonardo M-346FA verhandelt, Kaufpreis rund eine Milliarde Euro. In dieser Größenordnung bewegen sich auch die Embraer C-390 Transportflugzeuge, für diese sackten die Niederlande wie berichtet den österreichischen Anteil möglicher Gegengeschäfte ein.
Österreich macht seit 2017 keine Gegengeschäfte mehr, seit dem Verbot des damaligen SPÖ-Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil. Nach dem Schock des Eurofighter-Skandals wollte kein österreichischer Politiker bei Gegengeschäften auch nur anstreifen. Jetzt will die Regierung, wie berichtet, wieder solche Deals zulassen, im Regierungsabkommen werden sie industrielle Kooperation genannt.
„Allen Beteiligten ist klar, dass man sich hier in einem sensiblen Umfeld befindet, in welchem ein klarer und stabiler rechtlicher Rahmen oberstes Gebot ist“, betont Hattmannsdorfer. Es gehe um die Stärkung der Resilienz der österreichischen Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie.
Jetzt ist wieder Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, gefragt. Er hatte bereits für Doskozil Empfehlungen gegen Korruption ausgearbeitet (siehe unten).

Muss wieder ran: Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur
„Gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium und der Finanzprokuratur prüfen wir aktuell, wie unter ganz klar festgeschriebenen Rahmenbedingungen Beschaffungen des Bundesheeres für industrielle Kooperationen genutzt werden können“, erklärt Hattmannsdorfer.
Heißt: Unter welche Voraussetzungen sind Gegengeschäfte, pardon: industrielle Kooperationen, erlaubt und wie kann Korruption verhindert werden? Wesentlich sind das Unionsrecht und Exportvorschriften. In der EU sind Gegengeschäfte, bei denen die heimische Wirtschaft in einem Prozentsatz Aufträge erhält, aus Wettbewerbsgründen grundsätzlich verboten. Es sei denn, aus der Sicherheitsstrategie eines Landes lässt sich ein wesentliches Interesse daran ableiten.
Im Wirtschaftsministerium will man sich auch die Situation in anderen EU-Staaten anschauen, die Vorgangsweisen analysieren, „Best Practices“ ableiten und in die eigene Vorgangsweise einarbeiten. Am Ende solle ein Konzept ausgearbeitet werden, das dem Ministerrat vorgelegt wird.

Korruptionsbekämpfer Martin Kreutner: "Hohes Potenzial für Missbrauch"
Sind Rüstungsgeschäfte korruptionsanfälliger und warum, fragte der KURIER den Korruptionsbekämpfungsexperten Martin Kreutner.
„Rüstungsgeschäfte sind ihrer Natur und weltweiter Erfahrung nach leider per se sehr korruptionsanfällig. Es geht um sehr, sehr hohe Summen, ein hohes Ausmaß an Geheimhaltung ist involviert, politische und Block-Interessen sind de facto unvermeidbar, der Markt ist sehr überschaubar, und vielfach bestehen Monopol-Konstellationen. Und auch Gegengeschäfte haben, wie man weiß, ein hohes Potenzial für Missbrauch und deliktische Umgehungsfinanzierungen.“
Auch Österreich habe mit der Eurofighter-Beschaffung schlechte Erfahrungen gemacht. Eine vom Verteidigungsministerium selbst eingesetzte Taskforce „hat große Unregelmäßigkeiten, etwa massive Täuschungshandlungen zum Nachteil der Republik, erhoben und angezeigt“. Deshalb habe man sich vor acht Jahren öffentlichkeitswirksam klar gegen Gegengeschäfte ausgesprochen.
Risiko
Zu den Plänen der neuen Regierung über sogenannte industrielle Kooperationen ist Kreutner sehr skeptisch. „Jetzt will man Gegengeschäfte wieder einführen? Dieser erneute Meinungswandel ist schwer nachvollziehbar, zumindest das abstrakte Risiko für Missbrauch und Machenschaften steigt dadurch signifikant.“ Es bleibe zu hoffen, „dass wir in einigen Jahren nicht eine Eurofighter-2.0-Causa zu tragen haben“.
Finanzprokuratur-Chef Wolfgang Peschorn arbeitete 2017 für Hans Peter Doskozil Empfehlungen „zur nachhaltigen Verhinderung von unzulässigen Beeinflussungen bei Beschaffungen“ aus. Er meinte, dass selbst staatliche Sicherheitsinteressen, die unbestritten besondere Vertraulichkeit erfordern würden, eine intransparente Beschaffungsentscheidung nicht rechtfertigen können. Um Einfluss zu nehmen, „suchen die Anbieter seit Jahrhunderten die Nähe von staatlichen Entscheidungsträgern“.
andrea.hodoschek@kurier.at

Kommentare