Rot und Schwarz buhlen um Blau

Vor der Marathon-Sitzung im Hohen Haus: Ein gutes Dutzend an Beschlüssen steht an, das freie Spiel der Kräfte entscheidet
Beschluss-Marathon im Hohen Haus, FPÖ in der Rolle der Mehrheitsbeschafferin.

Drei Tage vor der Wahl tritt heute der Nationalrat zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode zu einer sehr langen Sitzung zusammen.

Nicht nur für viele Abgeordnete ist es die letzte Parlamentssitzung, auch die einstmals große Koalition gibt ihren Abschied. Noch einmal will Bundeskanzler Christian Kern eine Erklärung im Hohen Haus abgeben. Die FPÖ will einen Misstrauensantrag gegen den Noch-Regierungschef einbringen. Beides ist dem Wahlkampffinale geschuldet.

Von den vielen, möglicherweise auch sehr teuren Beschlüssen, die heute auf der Tagesordnung stehen, gehen aller Voraussicht nach nur noch zwei Themen auf das Konto von Rot und Schwarz (Pensionen, Kindergarten-Förderung).

Bei vielen anderen Themen dürften sich neue Mehrheiten für oder gegen einen Beschluss finden. Oft wird das ein rot-blau-grünes Bündnis sein, bei der rechtlichen Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten dürfte jedoch absehbarerweise eine schwarz-blaue Koalition dagegen stimmen.

Im Überblick der wichtigsten Themen sieht das folgendermaßen aus:

Arbeiter/Angestellte (ÖVP/FPÖ)

Die Wirtschaft läuft seit Tagen Sturm gegen die rechtliche Angleichung. Sie befürchtet Zusatzkosten in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro, sollten die Kündigungsfristen und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach oben nivelliert werden. Ein besonderes Problem mit längeren Kündigungsfristen haben stark saisonabhängige Branchen wie der Tourismus oder die Bauwirtschaft. Bei der von der ÖVP geforderten Abschaffung des Unterschieds zwischen Arbeiter- und Angestellten-Betriebsräten spielt der ÖGB nicht mit. Zuletzt haben auch die Freiheitlichen Bedenken gegen eine "Husch-Pfusch-Aktion" bei diesem Thema angemeldet. Stand Mittwoch-Nachmittag ist daher, dass es hier vor der Wahl zu keiner rechtlichen Angleichung mehr kommen wird, da sich ÖVP und FPÖ heute im Parlament dagegen aussprechen werden. SPÖ und Grüne bleiben über.

Pensionen & Kindergärten (SPÖ/ÖVP)

Anders bei den Pensionen, hier ist die höhere Anpassung von 2,2 Prozent für Pensionen bis 1500 Euro fix. Das haben SPÖ und ÖVP längst vereinbart. Über diesem Betrag von 1500 Euro sinkt die Erhöhung linear ab. Jenseits einer Pension von 4980 Euro gibt es für 2018 keine Erhöhung. Kurzfristig hat es am Mittwoch so ausgesehen, als ob die ÖVP nun auch für die Top-Verdiener unter den Pensionisten eine Erhöhung will, das wurde aber dementiert. Ebenfalls mit den Stimmen von Rot und Schwarz wird die längst vereinbarte Kindergartenförderung fortgesetzt. Auch 2018 soll es für ihren Ausbau 52,5 Millionen Euro vom Bund geben.

Notstandshilfe, Mietvertragsgebühr, Bankomat-Gebühr, Mittel für Behinderte (SPÖ, FPÖ, Grüne)

Etliche Beschlüsse stehen aber auch an, bei denen es eine rot-blau-grüne Mehrheit geben wird. Bei der Notstandshilfe wird derzeit das Partnereinkommen (jenseits von 647 Euro) angerechnet. Die drei Parteien wollen das abschaffen, weil sie es als ungerecht empfinden, dass hier Frauen oftmals in ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis gedrängt werden.

Die Abschaffung der Mietvertragsgebühr hat die FPÖ selbst vorgeschlagen. Eine Mehrheit mit SPÖ und Grünen, die ebenfalls für "leistbares Wohnen" eintreten, gilt daher als fix.

Auch beim Verbot der Bankomatgebühren, das SPÖ-Sozialminister Alois Stöger zum Ärger der ÖVP voran getrieben hat, ist eine rot-blau-grüne Mehrheit nach den bisherigen Ankündigungen sehr wahrscheinlich. Die ÖVP wollte es bei der Kennzeichnung kostenpflichtiger Bankomaten belassen. Die SPÖ will hingegen, dass die heimischen Banken die Bankomatgebühren ihrer Kunden übernehmen, die ihnen von "unabhängigen" Drittanbietern aufgebürdet werden.

Eine Mehrheit gegen die ÖVP wird es auch beim "Inklusionspaket" geben. Dieser Gesetzesantrag der SPÖ sieht u. a. vor, die Budgetmittel für die berufliche Integration behinderter Menschen auf 90 Millionen zu verdoppeln. Der ÖVP fehlt ein "konkretes Maßnahmenkonzept".

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