Bei der Nationalratswahl 2019, bei der Rendi-Wagner selbst Spitzenkandidatin war, rutschte sie auf 21,2 Prozent ab. Bereits damals wurden Zweifel an ihrer Geschicklichkeit laut, denn die SPÖ hatte die türkisblaue Ibiza-Krise so überhaupt nicht für sich zu nutzen verstanden.
Teuerung bescherte SPÖ Zulauf
Im Spätherbst 2021 wurde die SPÖ dann erstmals stärkste Partei in den Umfragen. Aber auch das passierte weniger aus roter Eigenleistung, sondern war eine Folge der Ereignisse: Sebastian Kurz musste als Kanzler zurücktreten, und die ÖVP plumpste senkrecht nach unten (Quelle: APA-Umfragetrend).
Im ersten Halbjahr 2022 erlebte die SPÖ dann starken Zulauf bis über 30 Prozent. Der Ereignis-Hintergrund: Russland griff die Ukraine an und die Preise, zunächst für Energie, begannen zu explodieren. Die neuen Sorgen trieben viele Menschen zur Sozialdemokratie. Doch schon bald, ab dem Herbst 2022, ist die SPÖ wieder im Sinkflug. Sie selbst und die SPÖ-Wien erklärten den Quertreiber Hans Peter Doskozil zum Alleinverantwortlichen für den Abschwung, aber da war wohl Vernebelung mit dabei.
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Denn auch Wien leistete seinen Beitrag zum Sinkflug der SPÖ: Damals platzte die Krise der Wien Energie. Dass der Energieversorger ausgerechnet des Roten Wien mit Milliarden gerettet werden musste, konterkarierte die SPÖ-Story von den bösartigen Energiekonzernen, die sich auf dem Rücken der Kunden dumm und dämlich verdienen. Alles war verwirrt, der rote Konjunkturmotor stotterte.
Dass die ÖVP zeitgleich eine Anti-Asylwerber-Kampagne lostrat, tat ein Übriges. Unterm Strich zeigt sich auch bei der Berg- und Talfahrt in den Umfragen: Rendi-Wagner war mehr Passagierin als Pilotin. Wenn sie selbst eingriff, unterliefen ihr Fehler. Beispiel Asyl: Rendi-Wagner wusste, dass ihr das Asylthema schadet, und deswegen versuchte sie im ORF-Sommergespräch 2022, dieses Thema wegzureden. Es gäbe keine Asylkrise, sagte sie. Wenig später bewiesen Zahlen aus unverdächtiger EU-Quelle das Gegenteil: Österreich war Spitzenreiter bei Asylanträgen.
Eine Serie von Fehlern
Auch innerparteilich beging sie einige Schnitzer. Anstatt sich als Chefin neutral über die widerstreitenden Gruppen zu stellen, schlug sie sich auf eine Seite (die alte Faymann-Seilschaft) und begab sich in die Arena. Zudem ließ sie Christian Deutsch allein in der Partei agieren, obwohl bekannt war, dass die Bundesländer mit ihm schlecht zurechtkamen. Trotz aller Kritik hielt sie an Deutsch fest, mitunter wirkte es, als fehle ihr die Stärke, sich den Bundesgeschäftsführer frei auszusuchen.
Der Pegel an Kritik stieg immer höher. Ihr wurde vorgehalten, dass sie auch den Klub nicht führte und kaum präsent war. Das hatte unter anderem zur Folge, dass die SPÖ an Kompetenz verlor, darunter in Bereichen wie die Bildung, wo sie in der Oppositionszeit gegen Schwarz-Blau I noch führend gewesen war. Auch nutzte Rendi-Wagner ihre eigene Bühne als außenpolitische Sprecherin kaum.
Ignoranz gegenüber Kritik
Nicht wenige in der SPÖ meinen, dass ihr die Angriffe Doskozils in Wahrheit geholfen hätten, sich trotz ihrer Mängel derart lange Zeit im Chefinnensessel zu halten. Letztlich waren der Fehler wohl zu viele. Mehr als 60 Prozent der SPÖ-Mitglieder haben für andere Kandidaten votiert. Das ist auch die Quittung dafür, dass Rendi-Wagner auf Kritik nicht reagiert und die Parteizentrale nicht umgebaut hat.
Rendi-Wagner hat sich als erste Frau an der Spitze in die Parteigeschichte eingetragen, aber politische Markierungen blieb sie weitgehend schuldig. Es gab Phasen in den Corona-Jahren, in denen sie als Impfärztin der SPÖ den Kurs vorgab, einen Kurs des Zusammenstehens in der Pandemie. So vereinbarte sie mit Sebastian Kurz eine Teststrategie und stimmte der Impfpflicht zu. Ihr Ziel, den Wiedereintritt in die Regierung, verfehlte sie. Ihrem eleganten Stil blieb Rendi-Wagner auch im Abgang treu, indem sie umgehend das Mitgliedervotum akzeptierte.
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