Hans Peter Doskozil: Ein Burgenländer auf dem Weg an die Spitze

Hans Peter Doskozil: Ein Burgenländer auf dem Weg an die Spitze
Die Mitgliederabstimmung entschied er knapp für sich. Jetzt will er die Bundespartei übernehmen und Kanzler werden – mit seinen Landesprojekten als Empfehlung.

Die Zeit der burgenländischen Bescheidenheit ist vorbei. Fred Sinowatz musste 1983 gedrängt werden, Kanzler zu werden. 40 Jahre später drängt Hans Peter Doskozil ins Kanzleramt. Einen wichtigen Zwischenschritt schaffte er am Montag: Die SPÖ-interne Mitgliederbefragung entschied er für sich. Seine auserkorene Gegnerin, Pamela Rendi-Wagner verwies er auf Platz 3.

Am Montagabend übte sich der Sieger  in einer neuen Rolle: Er hoffe, sagte Doskozil im roten Parteihaus in Eisenstadt auch an die Adresse der am Dienstag tagenden Bundesparteigremien, dass alle wüssten, „wie man mit einer Mehrheitsentscheidung umgeht“. Er stellte  den Führungsanspruch und  machte deutlich,  dass er davon ausgeht, beim Sonderparteitag am 3. Juni als Parteivorsitzender vorgeschlagen zu werden.  Auf  eine Schmerzgrenze beim Parteitagsvotum wollte er sich nicht festlegen.

Andreas Babler könne zwar beim Parteitag kandidieren, Doskozil wünscht sich aber „Geschlossenheit“. Die Einigung der Sozialdemokratie müsse „morgen, oder eigentlich schon heute“ beginnen. Alle, die für Rendi-Wagner oder Babler gestimmt haben, „müssen ins Boot geholt werden“,  betonte Doskozil. 

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Wenn er beim Sonderparteitag  zum Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten gewählt wird, braucht es irgendwann auch einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin im Burgenland, wo die SPÖ 2020 als Liste Doskozil angetreten ist. Offen blieb am Montag, ob auch darüber die (burgenländischen) Parteimitglieder entscheiden sollen.

Die besten Chancen werden derzeit den Landesräten Leonhard Schneemann und Heinrich Dorner eingeräumt – nicht der logischen Nachfolgerin Astrid Eisenkopf. Doskozil hält die  Landeshauptmann-Stellvertreterin  für zu wenig durchsetzungsstark – ähnliches konnte man aus seinem Lager auch über Rendi-Wagner hören.

Dem aus dem südburgenländischen 270-Seelen-Dorf Kroisegg an der Grenze zur Steiermark stammenden Doskozil (52) ist das Burgenland eindeutig zu klein – und er hat weder Scheu noch Mühe, scheinbar Gegensätzliches unter einen Hut zu bringen.

Dass er den Bund nicht abgehakt hat, ließ der Mann, der nun mit Pamela Rendi-Wagner die erste Frau von der Spitze der SPÖ verdrängte, schon Ende 2017 erkennen. Doskozil – damals noch Verteidigungsminister und zunächst als Landesrat auf langsamer Heimkehr ins Burgenland – richtete der Bundespartei aus, „dass die Sozialdemokratie ein Sprachrohr innerhalb der Sozialdemokratie“ brauche und nur erfolgreich sei, wenn sie „gesellschaftspolitisch liberal, sozialpolitisch links, wirtschaftspolitisch pragmatisch und in Sicherheitsfragen konsequent“ auftrete. Das war ein früher Bewerbungszettel und klingt im Nachhinein wie ein Fanal für den „burgenländischen Weg“, der nun zum österreichischen werden soll.

Tun statt versprechen

Unbestritten ist, dass der Polizist, der berufsbegleitend ein Jusstudium absolviert hat, ausgetretene politische Pfade verlassen und damit im Burgenland großen Erfolg hat: Seine Referenzprojekte vom Mindestlohn über gemeinnützige Pflege bis zum sozialen Wohnbau wollte er vor seiner ersten Landtagswahl 2020 nicht als Wahlversprechen plakatieren, sondern zumindest zum Teil bereits umgesetzt haben.

Kaum etwas verabscheut Doskozil so sehr wie „Hättiwari“. Er wollte bei der Wahl keinen Vorschuss auf Versprechungen, sondern den Lohn für erbrachte Leistung. In politischer Währung: die absolute Mehrheit. Diese hat die „Liste Doskozil – SPÖ Burgenland“ mit einem Plus von acht Prozentpunkten und 19 von 36 Mandaten erobert. Inzwischen ist Doskozil bundesweit der einzige absolut regierende Landeshauptmann.

Schlaglöcher

Dabei ist der burgenländische Weg gar nicht so proper gepflastert, wie die rote Alleinregierung und ihr gut geölter Kommunikationsapparat gerne vermitteln möchten.

Dass es auch für weniger Qualifizierte 2.000 Euro netto gibt, mag okay sein, aber sein eigentliches Ziel hat Doskozil bisher nicht erreicht. In der Privatwirtschaft stößt der „verordnete“ Mindestlohn auf Ablehnung, nur die überschaubare Zahl der burgenländischen Rauchfangkehrer hat ihn übernommen. Das anfangs ausnehmend gute Verhältnis zwischen Doskozil und dem schwarzen Wirtschaftskammerpräsidenten Peter Nemeth hat unter den „Verstaatlichungstendenzen“ der Landesregierung stark gelitten. Aber auch die Gewerkschaft ist skeptisch und fürchtet um ihre Tarifhoheit. Kritiker bemängeln, der Anstieg im Lauf des Berufslebens sei viel geringer als bei kollektivvertraglichen Löhnen.

Andere Baustelle: Bauland durch einen festgelegten Maximalpreis „leistbarer“ zu machen und für brachliegendes Bauland eine Abgabe einzuheben, empört viele Grundstückseigentümer. Wer keine Ausnahme geltend machen kann und die jährliche Abgabe – mitunter Tausende Euro – nicht bezahlen will, könnte gezwungen sein, das eigene Grundstück weit unter Marktpreis an die Gemeinde zu verkaufen. Bei Informationsveranstaltungen im Land gingen die Wogen hoch. Doskozils Baulandesrat Heinrich Dorner schallte „Enteignung“ und „Kommunismus“ entgegen. Viel Krampf für die Baulandmobilisierungsabgabe, die gerade einmal 2,5 Mio. Euro bringen soll.

Hans Peter Doskozil: Ein Burgenländer auf dem Weg an die Spitze

Warum soll im Bund funktionieren, was schon auf burgenländischer Bühne ordentlich holpert? Und kann sich das Burgenland, dessen Einnahmen zu 51 Prozent aus Ertragsanteilen des Bundes kommen, all die Vorhaben überhaupt leisten?

Es kann, versichert Finanzreferent Doskozil und verweist auf ein – vom Land bezahltes – Rating durch Standard & Poor’s. Der Landesrechnungshof hat 2022 die Finanzschulden des Landes und der Landesholding geprüft. Rund zwei Drittel entfallen auf die Holding und deren Unternehmen (1,15 von 1,8 Milliarden Euro), die Besicherung der ausgelagerten Schulden obliegt zu fast 85 Prozent dem Land.

Macher-Image

Die beste Versicherung für Doskozil, der in respektgebietender Manier fünf Operationen am Kehlkopf weggesteckt hat, ist aber ohnehin sein Macher-Image, das ihm seit 2015 anhaftet. Als Landespolizeidirektor konnte er zwar den Flüchtlingsstrom an Burgenlands Grenze nicht stoppen, aber kanalisieren; als Verteidigungsminister war er in Migrationsfragen weniger nachgiebig und galt plötzlich als Rechter in der SPÖ.

Nach seiner Rückkehr ins Burgenland 2017 legte er den jahrelangen Rechtsstreit mit Esterhazy bei, eröffnete aber einen viel größeren gegen Investor Michael Tojner, der noch läuft. Das Land ortet bei der Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Wohnbaugesellschaften bis zu 180 Mio. Euro Schaden, Tojner bestreitet.

Versuche der Opposition, die Pleite der privaten Commerzialbank der SPÖ anzulasten, verfingen nicht. Ein Verfahren gegen Doskozil wurde eingestellt, die ÖVP hatte ihn wegen vermuteter Falschaussage angezeigt. Doskozils Abneigung gegen die ÖVP hat das nicht gemildert, er peilt Rot-Grün-Pink an. Aber, so sagt er selbst: Bis dahin ist es noch ein langer Weg.

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