Wenn am Montag, vermutlich am späten Nachmittag, das Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung präsentiert wird, wird zwar eine SPÖ-interne Fraktion jubeln, aber zwei werden enttäuscht sein. Es wird am Geschick des Siegers liegen, die Frustration zu überwinden und so etwas wie Aufbruchsstimmung zu vermitteln. Denn schließlich sind die nächsten Nationalratswahlen nicht mehr weit: Noch 16 Monate, hat Kanzler Karl Nehammer unlängst in der ZiB 2 vorgerechnet. Und das ist auch der Grund, warum das Votum der 148.000 SPÖ-Mitglieder Wechselwirkungen weit über die rote Nabelschau hinaus hat.
Die Regierbarkeit Österreichs hängt erheblich vom Zustand der SPÖ ab. Laut der jüngsten OGM-Umfrage hätten derzeit nur FPÖ und ÖVP gemeinsam die parlamentarische Mehrheit für eine Zweierkoalition. Das hat es bisher noch nie gegeben, dass ohne die FPÖ nur noch Mehr-Parteien-Regierungen möglich sind.
EU-Kurs steht auf dem Spiel
Erfängt sich die SPÖ, steigen die Chancen, dass ÖVP und SPÖ miteinander zumindest theoretisch eine Koalition bilden könnten. Selbst wenn die ÖVP dann trotzdem nicht mit der SPÖ abschließt, sondern lieber mit der FPÖ regiert, könnte die SPÖ-Option zumindest die Verhandlungsposition der ÖVP gegenüber der FPÖ stärken. Schließlich geht es auf Bundesebene um existenzielle Fragen wie den Europakurs.
Bei Schwarz-Blau I hat Wolfgang Schüssel die FPÖ auf EU-Kurs gezwungen (die Blauen mussten der Osterweiterung zustimmen); bei Schwarz-Blau II hat Kanzler Sebastian Kurz die EU-Politik im Alleingang ohne die FPÖ gemacht. So gesehen passt es ins Bild, dass Europaministerin Karoline Edtstadler kürzlich festhielt, es läge im Gesamtinteresse, wenn sich die SPÖ erfängt.
Sollte sich die SPÖ marginalisieren, „wird es ab sofort nur mehr darum gehen, ob Herbert Kickl Kanzler wird“, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer.
Wir haben in drei Szenarien analysiert, welcher SPÖ-Chef welche Folgen für die kommende Nationalratswahl und die Regierungsbildung hätte.
Karriere: Pamela Rendi-Wagner, Ärztin, 52, führt die SPÖ seit Ende 2018
Ihre Pluspunkte: Als elegante, gebildete Frau sticht sie im Polit-Betrieb hervor. Hat Zähigkeit bewiesen
Ihre Minuspunkte: Mangelnder politischer Instinkt, in manchen Bereichen fehlt ihr Basiswissen. Führungsschwach
Rendi-Wagner "müsste beweisen, dass sie die Richtige ist"
Wird SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in ihrer Funktion bestätigt, „dann heißt das noch lange nicht, dass das eine Aufbruchsstimmung zur Folge hat“, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Im Gegenteil, es besteht die Gefahr der Lethargie. Die Hoffnungen auf Veränderung würden enttäuscht. „Sie ist die Empfehlung der Alt-Kanzler. Hinter ihr stehen wenig ideologisierte, treue, aber nicht gerade brennende SPÖ-Mitglieder“, sagt Bachmayer. Rendi-Wagner müsste „inhaltlich und strategisch Signale setzen, um zu beweisen, dass sie die Richtige ist“.
Rendi müsste sehr geschickt agieren, indem sie Klimamaßnahmen mit sozialer Verträglichkeit und Zuwanderung mit dem Arbeitsmarkt verknüpft, sagt der OGM-Chef.
Rendi-SPÖ wäre Chance auf Mehrheit mit ÖVP
Wenn Rendi-Wagner SPÖ-Chefin bleibt, „wird bei ÖVP und FPÖ die Sorge begrenzt sein, dass sie ihnen Stimmen wegnimmt“, meint Bachmayer. Eher noch könnte sie der ÖVP Wähler abspenstig machen, denn die SPÖ habe zum Beispiel beim Arbeitsmarkt stets Kompetenz besessen. Ein Vorteil aus Sicht der ÖVP wäre, dass ihr mit einer Rendi-SPÖ eine zweite Koalitionsoption erwachsen könnte, wenn sich die SPÖ erfängt.
Eher Sorgen müssten sich die Grünen machen, vor allem, wenn Rendi-Wagner das Babler-Lager einbindet. Die Grünen haben in den Umfragen bereits fünf Prozentpunkte im Vergleich zur Nationalratswahl 2019 verloren und liegen bei neun Prozent. Bachmayer: „Der Regierungsmalus könnte den Grünen bleiben.“
Karriere: Hans Peter Doskozil, 52, Jurist, Polizist, seit 2019 Landeshauptmann im Burgenland
Seine Pluspunkte: Instinktpolitiker, Zug zum Tor, fleißig, wirkt über SPÖ hinaus
Seine Minuspunkte: Er polarisiert. Bekannt für autoritären Führungsstil. Unsicherheit wegen seiner Gesundheit
Doskozil "ist Angebot für gemäßigte Mitte-Wähler"
Sollte der Burgenländer die SPÖ in die Nationalratswahl führen, „wird das der ÖVP am meisten Kopfzerbrechen bereiten“, mein OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Die FPÖ sei inzwischen ein ziemlich starrer Block, der sich deutlich von allen andren Parteien abgrenze. „Doskozil kommt bei Wählern der Mitte an, er kann nicht rechtsaußen, aber rechts der Mitte Stimmen gewinnen. Das ist keine Frage“, sagt der Meinungsforscher.
Die Unbekannte in der Rechnung ist allerdings, wie viel Doskozil auf der linken Seite verlieren würde. Das hänge davon ab, wie er sich positioniert. Ob er mehr Gewicht auf Sozial- oder auf Ausländerpolitik lege.
Für die Grünen ist es keine sichere Bank, dass ihnen bei einer Doskozil-SPÖ automatisch rote Stimmen zufallen. Falls Werner Kogler wieder Spitzenkandidat wird, was er angekündigt hat, schleppt er den Malus aus seiner Koalition mit der ÖVP mit sich. Für lupenreine Linke ist das nicht sonderlich anziehend. Ein präsentabler KPÖ-Kandidat könnte einer Doskozil-SPÖ eher schaden.
Unterm Strich: Doskozils Kandidatur wäre „die einzige Chance, dass es vielleicht doch noch eine Ampelmehrheit gibt“, meint Bachmayer. Er könnte die nötigen drei, vier Prozent von rechts der Mitte holen.
„Wenn er der Sieger ist, wirkt das anziehend“
Sein großes Handicap wäre die tiefe Kluft zur SPÖ-Wien. Doskozil polarisiert die SPÖ. Allerdings hat er auch eine Chance: „Wenn er das Mitgliedervotum gewinnt, ist er ein Sieger. Das wirkt anziehend, denn viele wollen bei den Siegern sein.“
Karriere: Andreas Babler, 50, Maschinenschlosser, Studium politische Kommunikation. Seit 2014 Bürgermeister von Traiskirchen
Seine Pluspunkte: Standfester Linker, Wahlsiege in Flüchtlingsstadt. Sehr engagiert
Seine Minuspunkte: Keinerlei Erfahrung auf Bundesebene, Haltung zur EU unsicher
Babler "wäre ein Geschenk für ÖVP & FPÖ"
Der Bürgermeister von Traiskirchen ist der einzige der drei Kandidaten, der unabhängig von seinem Abschneiden am Montag zu einem Fest eingeladen hat. Babler hat eine sehr aktive Anhängerschaft, sie ist tendenziell jung, sozial engagiert, ideologisch motiviert, und er will die Bewegung, die er in der SPÖ entfacht hat, weiterführen.
Tatsächlich hat die Babler-Gruppe gute Chancen, in der SPÖ an Einfluss zu gewinnen. Sowohl Rendi-Wagner als auch Doskozil müssen im Fall ihres Sieges auf die Babler-Leute zugehen: Erstens, um dessen Delegierte auf dem Parteitag für sich zu gewinnen und Babler von der angedrohten Gegenkandidatur abzuhalten; und zweitens, um ihre innerparteiliche Basis zu erweitern.
Babler im Gespräch als 2. SPÖ-Geschäftsführer
In der SPÖ wird spekuliert, dass Rendi-Wagner Babler als zweiten Bundesgeschäftsführer einsetzt. Auch Ex-SJ-Chefin Julia Herr könnte mehr Einfluss bekommen.
Sollte Doskozil gewinnen, wird der Klubvorsitz vakant, weil Rendi-Wagner ja angekündigt hat, sie scheide in dem Fall aus der Politik aus. Klubchef könnten Dosko-Unterstützer Max Lercher oder Julia Herr werden.
Was Babler angeboten würde, ist fraglich. Dessen Marxismus-Bekenntnis sei eine „Abschreckung für Mitte-Wähler“, sagt Bachmayer. „Babler wäre ein Geschenk für die FPÖ und mehr noch für die ÖVP. Wenn er SPÖ-Chef wird, ist das eine sichere Bank für Blau-Schwarz.“
Vor Babler müssten sich nur die Grünen fürchten. Der einzige Pluspunkt für die SPÖ wäre, er würde eine etwaige KPÖ-Gefahr bannen.
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