Regierungsklausur: Kurz und Strache präsentieren "Netto-Offensive"
Die Regierung stellte bei ihrer Neujahrsklausur in Mauerbach bei Wien am Donnerstag erste Details ihrer Steuerreform vor. Geplant ist eine mehrstufige Entlastung, die 2020 beginnt und im Vollausbau 2022 ein Volumen von 4,5 Mrd. Euro erreichen soll, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Beginn des Treffens bestätigte. Starten soll die "Entlastung Österreich", wie man das Programm nennt, im Jahr 2020. Bis 2022 soll die Summe der Steuersenkungen in drei Schritten anwachsen. Dies war bereits im Vorfeld durchgesickert.
2018 habe man "viel auf den Boden bringen können", sagte Kurz, er nannte die Entlastung von Kleinstverdienern und den Familienbonus. Durch die steuerlichen Effekte des Familienbonus werde das Gesamtvolumen der Entlastungen auf 6 Milliarden Euro anwachsen, erklärte Kurz.
Für Klein- und Mittelverdiener plane man für kommendes Jahr eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 700 Millionen Euro im Jahr. Kurz wolle "absichtlichen oder unabsichtlichen Fehlinterpretationen" gleich vorbeugen und sagte daher: "Das bedeutet nicht, dass weniger für Leistungen zur Verfügung steht."
Kurz versicherte, dass man trotzdem keine neuen Schulden machen werde. Zu konkreten Schritten hielt man sich noch zurück, auch Fragen nach der Gegenfinanzierung der Steuerreform wurden nur knapp beantwortet. So verwies Kurz neben einer Digitalsteuer (siehe unten) auf einen "sparsamen Umgang mit Steuergeld", die positive Konjunktur und darauf, dass das Wirtschaftswachstum durch die Steuersenkungen angekurbelt werde.
Hier finden Sie die bisher bekannten Pläne für die Entlastungsschritte:
Vizekanzler Strache, "frisch aus dem Papamonat kommend und diesen unterbrechend", ergänzte: "Der rotweißrote Zukunftszug fährt konsequent weiter". Diese "große Steuerreform", wie er sagte, soll eine "Netto-Offensive für die arbeitende Bevöllkerung" darstellen. Man habe den Anspruch, die Abgabenquote auf unter 40 Prozent zu senken, und die Schuldenquote auf unter 60 Prozent zu bringen. Laut Kurz werde das Ziel einer Abgabenquote von 40 Prozent mit den drei präsentierten Schritten annähernd erreicht.
Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) erklärte im Anschluss, dass das Volumen der "spürbaren Erleichterung für viele Österreicher" im Jahr 2020 eine Milliarde Euro betragen werde, die restlichen 3,5 Milliarden Euro würden sich auf 2021 und 2022 verteilen.
Löger und Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) kündigten für 2021 noch eine Senkung der Lohnsteuern an und für 2022 Maßnahmen zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes. Auch hier blieben die Details offen. Auf die von der Wirtschaft massiv eingeforderte Senkung der Steuern auf Unternehmensgewinne legte sich die Regierung vorerst nicht fest. Das Wort "Körperschaftsteuer" kam in den Unterlagen der Koalition vorerst nicht vor.
Steuerreform nicht mehr als 1,5 Prozent des BIP
Die von Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer erhoffte "größte Steuerreform aller Zeiten" wird es angesichts der bisherigen Angaben nicht werden. Denn die angekündigten 4,5 Mrd. Euro entsprechen 2022 einem Volumen von rund einem Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt/BIP). Rechnet man noch andere steuerliche Maßnahmen der Regierung mit ein - etwa den Familienbonus oder die Senkung der Umsatzsteuer für Hoteliers - steigt das Entlastungsvolumen auf 6,3 Mrd. Euro oder 1,4 Prozent des BIP. Das wäre immer noch etwas geringer als die Steuerreformen 2004/05 und 2015/16, die jeweils 1,5 Prozent bewegt haben.
Bilder: Regierungsklausur im Schnee
Digitalsteuer soll spätestens 2020 kommen
Weitere Themen der Klausur sind Digitalisierung und Pflege. Zur Reform des Pflegewesens hat die Regierung bereits davor einen "Masterplan" bis Ende 2019 angekündigt.
Bundeskanzler Kurz, der eingangs auch den Einsatzkräften im derzeit herrschenden Schneechaos in Österreich dankte, kündigte unter anderem an, dass man die Digitalsteuer spätestens 2020 verwirklichen wolle. Mit 3 Prozent Steuer auf die Werbegewinne von Internetgiganten wolle man mehr Steuergerechtigkeit sicherstellen. Bringen soll sie 200 Mio. Euro jährlich.
Die Regierung will noch den EU-Finanzministerrat im März abwarten. Sollte dabei keine Einigung auf eine europaweite Digitalsteuer erfolgen, will Österreich im Alleingang vorgehen. Laut Angaben der Regierung sollen Konzerne betroffen sein, die weltweit zumindest 750 Mio. Euro Umsatz machen und deren Umsatz in Österreich zumindest zehn Mio. Euro beträgt.
Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) betonte, dass die Digitalsteuer nur eine überschaubare Anzahl großer internationaler Konzerne treffen werde, aber keine österreichischen Unternehmen. Als mögliche Betroffene der Digitalsteuer nennt die Regierung Facebook oder Amazon.
Was erwartet sich die Regierung von der Klausur?
Massives Wien-Bashing
Mit heftiger Kritik hat Kurz in Mauerbach auf die heutige Ankündigung von Wien, die Mindestsicherungsreform nicht umzusetzen, reagiert. Er zeichnete ein düsteres Bild von der Bundeshauptstadt. "Ich glaube nicht, dass es eine gute Entwicklung ist, wenn immer weniger Menschen in der Früh aufstehen, um zu arbeiten und in immer mehr Familien nur mehr die Kinder in der Früh aufstehen, um zur Schule zu gehen", antwortete Kurz auf eine Journalistenfrage. In Wien gebe es 13 Prozent Arbeitslose, das sei drei Mal so viel wie in Tirol und doppelt so viel wie bundesweit, sowie immer mehr Obdachlose.
Er wisse nicht, ob Wien das erreiche, was es wolle, wenn die Kompetenz für die Mindestsicherung zum Bund wandere. In Wien sei die Zahl der Mindestsicherungsbezieher massiv angestiegen. "Es ist keine gute Entwicklung, wenn immer mehr Menschen keine Arbeit haben und von der Mindestsicherung abhängig sind."
Vizekanzler Strache erinnerte Wien daran, "dass wir in einem Rechtsstaat leben und die rot-grüne Wiener Stadtregierung wird sich auch an den Rechtsstaat halten müssen. Sonst wandert die Kompetenz vom Land zum Bund. So gesehen stehe ich dem ganzen gelassen gegenüber", sagte Strache. Er schloss wie schon Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) Änderungen in der Gesetzesvorlage nicht aus.
Familienfoto ohne Kickl und Auftritt der Rauchfangkehrer
Für ÖVP und FPÖ ist es die dritte Regierungsklausur: bei der ersten im Jänner 2018 wurden die Eckpunkte des Doppelbudgets vorgelegt, bei der zweiten im Mai die Grundzüge der Mindestsicherungs-Reform. Letztere wird die Regierung wohl auch diesmal beschäftigen, denn die Begutachtungsfrist für das neue Mindestsicherungs-Gesetz endete am Donnerstag.
Natürlich nutzt die Regierung das Treffen in Mauerbach auch für entsprechende Inszenierung. Den Anfangsstatements durch die Regierungsspitze und die Fachminister zur Steuerreform folgte das Familienfoto, für das alle gut gelaunt posierten. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) war nicht zugegen.
Danach marschierte - wie schon 2018 auf Schloss Seggau - eine Abordnung von Rauchfangkehrern in den Mediensaal und übergab jedem Regierungsmitglied zwei Glücksbringer: einen Schokoladentaler und eine kleine Goldmünze. Im Anschluss ging es in die Arbeitssitzung.
Weniger gut in die Inszenierung passte eine Aktion der globalisierungskritischen Organisation Attac im Vorfeld des Regierungstreffens. Ihr Protest richtete sich gegen die vorgesehenen Kürzungen der Mindestsicherung sowie gegen die Senkung der Körperschaftssteuer auf Unternehmensgewinne. Mit einer Maske von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und in Bischofs-Ornat haben Aktivisten symbolisch riesige Geldscheine an Konzerne verteilt. Dazu wurde ein Transparent entrollt, auf dem Folgendes aufgedruckt ist: "Nehmet den Armen, gebet den Konzernen - Kurz-Evangelium 1,1". Assistiert wurde "Bischof Kurz" von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) in Ministranten-Gewand.
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