Alle Details: Wie die Regierung für Wachstum und niedrigere Preise sorgen will

KLAUSUR DER BUNDESREGIERUNG: DOORSTEP - BABLER/STOCKER/MEINL-REISINGER
Regierungsklausur: Welche Maßnahmen Türkis-Rot-Pink für mehr Wachstum und eine niedrigere Inflation beschließt.

Die türkis-rot-pinke Bundesregierung hat sich auf ein umfassendes Paket für mehr Wirtschaftswachstum, eine Dämpfung der Inflation und Bürokratieabbau geeinigt. Die Eckpunkte, die im Rahmen der zweitätigen Regierungsklausur besprochen und beschlossen werden, liegen dem KURIER vor. Sie folgen der 2-1-0-Formel, die Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) in den vergangenen Tagen beschworen hat: maximal zwei Prozent Inflation, mindestens ein Prozent Wachstum und null Toleranz gegenüber Extremisten.

Eine Milliarde Euro für die Wirtschaft

Laut WIFO stagniert die Wirtschaftsleitung weiterhin, das Bruttoinlandsprodukt war im zweiten Quartal 2025 nur um 0,1 Prozentpunkte höher als im Vergleichszeitraum 2024. Die Regierung will eine Milliarde Euro in die Hand nehmen, um zumindest für ein Prozent Wachstum zu sorgen. 

"Der Aufschwung ist kein Sprint, der Aufschwung ist ein Marathon", sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) und Staatssekretär Josef Schellhorn (Neos). Für umfassende Konjunkturmaßnahmen fehle das Geld, ergänzt Marterbauer. Welche Schritte die Regierung dennoch setzt:

  • Investitionsanreiz: Der Investitionsfreibetrags wird im November und Dezember 2025 sowie über das gesamte kommende Jahr von 10 auf 20 Prozent verdoppelt. Bei ökologischen Investitionen steigt er von 15 auf 22 Prozent. Pro Unternehmen sind maximal Kosten im Ausmaß von einer Million Euro begünstigt. Kosten soll die Maßnahme in Summe 220 Millionen Euro.
     
  • Industriestrom-Bonus (SAG): Anfang Juni hat Hattmannsdorfer einen Industriestrom-Bonus für die energieintensive Industrie präsentiert, der heuer und 2026 mit je 75 Millionen Euro budgetiert ist. Das SAG soll bis zum Ende der Woche in Begutachtung gehen und danach umgehend im Parlament beschlossen werden.
  • Breitbandausbau: Um die Bevölkerung noch besser und schneller an die digitale Kommunikationsinfrastruktur anzubinden, will die Regierung von 2027 bis 2029 jährlich 40 Millionen Euro in den Breitbandausbau investieren.
     
  • Zukunftsorientierter und inklusiver Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote ist auf mittlerweile sieben Prozent gestiegen. Die Regierung will Beschäftigte besser qualifizieren, in die Lehre investieren und Umschulungen fördern. Für die "Aktion 55 Plus", die älteren Beschäftigten und Langzeitarbeitslosen zugute kommt, sind ab 2026 jährlich 50 Millionen Euro budgetiert. Die ÖVP hat eine „Flat Tax“ für Pensionisten zum Herbstbeginn angekündigt – die das Arbeiten neben der Pension steuerlich begünstigen würde. Details müssen noch verhandelt werden.
     
  • Standortfonds: Über einen Standortfonds will Türkis-Rot-Pink "mehr privates Kapital zu mobilisieren und in den Aufschwung" investieren. Hier geht es beispielweise um Investitionen in die Netzinfrastruktur. Auch Start-ups in der Wachstumsphase will man unterstützen.

So will die Regierung die Teuerung halbieren

Bei 4,1 Prozent lag die Inflation im August, einer der EU-weit schlechtesten Werte. Marterbauer spricht von einem "Schock". Aber: "Wir haben nicht den einen Knopf auf den wir drücken und die Inflation sinkt", sagt Marterbauer. Nicht die Regierung, sondern Unternehmen würden Preise erhöhen. Stocker hat jedenfalls die Order ausgegeben, die Inflation unter zwei Prozent zu drücken. Gelingen soll das mit folgenden Maßnahmen gegen die Lebensmittel-, Energie- und Wohnkosten.

  • Lebensmittel: Die Dreierkoalition will auf EU-Ebene gegen den "Österreich-Aufschlag" vorgehen, um die Inflation zu senken. Dieser sorgt dafür, dass die Preise identer Markenprodukte in Österreich rund acht Prozent teurer sind als in Deutschland. Zudem will man eine "Allianz für faire Lebensmittelpreise" mit dem Handel aufbauen - und bis Jahresende "effektive Maßnahmen im Einvernehmen mit der Branche" setzen. 

    Ebenso geplant und nicht neu: Die "Shrinkflation" - gemeint ist das Phänomen, dass Produktgrößen schrumpfen, deren Preis aber gleich bleibt - muss künftig gekennzeichnet werden. Wirtschafts- und Sozialministerium wollen bis Jahresende eine gesetzliche Regelung ausarbeiten. Dazu kommen verstärkte Kontrollen gegen irreführende Rabatte: Hier hat der VKI bereits im Auftrag von Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) gegen vier große Lebensmitteleinzelhändler geklagt. Und: Die Regierung will den Wettbewerb im Lebensmittelmarkt verbessern. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) soll dafür einen Optionenkatalog erarbeiten. und ein um umfassendes "Wettbewerbsmonitoring" etablieren.

  • Energie: Über das Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) kommt, wie bereits verkündet, ein Energiekrisenmechanismus. Dieser soll gewährleisten, dass nicht nur Preiserhöhungen, sondern auch niedrigere Energiepreise an die Haushalte weitergegeben werden. Überprüfen soll das die E-Control. Gesenkt werden soll der Ökostrombeitrag für alle Haushalte und Unternehmen ab 1. Jänner 2026.
     
  • Wohnen: Zur Mietpreisbremse im regulierten Bereich, kommt auf Drängen der SPÖ ab 2026 auch eine für private Mietwohnungen. Das Modell: Bei einer Inflationsrate von mehr als drei Prozent sollen Mieten nur noch um die Hälfte der über drei Prozent liegenden Inflation steigen dürfen. Diese Maßnahme will die Regierung "rasch" in Begutachtung senden.
     
  • Bundesgebühren: Die Bundesgebühren sollen kommendes Jahr um nur maximal zwei Prozent steigen, verkündete Stocker im ORF-Sommergespräch.

Bürokratie abbauen

Bürokratie und Regularien gelten laut der Europäischen Investitionsbank für einen Großteil von Östereichs Betrieben als Investitionshörde. Die Regierung will Berichtspflichten verringern, für schnellere Genehmigungsverfahren sorgen und eine österreichweite Energieausweis-Datenbank schaffen.

Sparbedarf noch größer? Marterbauer kalmiert

Die Regierung muss gleichzeitig heuer und 2026 rund 15 Milliarden Euro einsparen. Wie der KURIER aus Regierungskreisen erfuhr, dürften weitere Summen nötig sein, um den EU-Sparpfad einzuhalten. Im Bund sei man budgetär auf Kurs, meint Marterbauer. Einnahmenseitig sehe es nach den ersten sieben Monaten wegen etwas besser aus als erwartet, ausgabenseitig dafür etwas schlechter. Auch bei den Gemeinden dürften die Ausgaben auch höher sein als prognostiziert. "Entscheidend wird das zweite Halbjahr und der Vollzug der Sanierungsmaßnahmen", sagt Materbauer. Die meisten Maßnahmen würden nämlich erst im zweiten Halbjahr voll zur Geltung kommen.

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