Nach Rauchs Vorstoß: ÖVP fordert sofortige Reaktion der Banken
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) legt sich mit Österreichs Banken an. Konkreter: Er hat den Verein für Konsumenteninformation (VKI) beauftragt, gegen Nullzinsen auf Girokonten vorzugehen. Diese Nachricht hat am Dienstag, Mariä Himmelfahrt und somit Feiertag, sowohl die ÖVP, als auch den Bankensektor überrumpelt. Darf Rauch das?
Ja, es gibt jährlich mehr als 200 VKI-Klagen im Auftrag des Sozialministeriums. Eine Zustimmung des Koalitionspartners ist nicht nötig. Abgestimmt war das Vorgehen jedenfalls nicht, wie Rauch selbst bestätigte. Die Grünen haben damit auch auf Kritik von SPÖ und FPÖ reagiert, wonach Banken zu hohe Gewinne machen würden. Der Grund: Die Zinsen auf Kredite und Kontoüberziehungen würden explodieren, während es auf ein Guthaben am Gehalts- oder Sparkonto gleichbleibend niedrige Zinsen gäbe.
"Banken sind gefordert"
Am Mittwoch äußert sich Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) zu Rauchs Vorstoß. Die Zinsschere sei "ein echtes Problem", so Brunner: "Es ist zu begrüßen, dass sich auch Johannes Rauch als Konsumentenschutzminister des Themas annimmt." Während Rauch an eine schnelle Entscheidung glaubt, meint Brunner: "Derartige Verfahren dauern aber oftmals Jahre. Es braucht jetzt aber konkrete und rasche Lösungen im Sinne der Menschen, die dafür sorgen, dass Kredite leistbar bleiben und die erhöhten Zinsen auch an Sparerinnen und Sparer weitergegeben werden. Hier sind die Banken gefordert."
Beinahe ident äußert sich ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Es sei gut, dass Rauch "endlich seiner Verantwortung nachkommt", sagt Stocker. "Die angekündigten Verfahren dauern aber zu lange und lösen das Problem nicht schnell genug. Um den Menschen zu helfen, braucht es rasch konkrete Lösungen. Es liegt hier in der Verantwortung der Banken, sofort zu handeln."
Die ÖVP-Vertreter setzen also darauf, dass die Banken der Klage zuvorkommen und die Lücke zwischen Soll- und Habenzinsen von sich aus verringern.
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VKI soll nicht reagiert haben
Die größeren Banken kommentieren Rauchs Vorgehen am Mittwoch nicht offiziell. Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung bei der Wirtschaftskammer, sagt zum KURIER: "Uns liegt die Klage, die der Bundesminister angekündigt hat, noch nicht vor. Üblicherweise kommentieren wir laufende Gerichtsverfahren nicht."
Wie es zur Klage kam: Im Juni hatte der VKI die Bank Austria als Marktführerin stellvertretend für die gesamte Branche abgemahnt. Dabei ging es um eine Klausel, dass es für Guthaben auf Girokonten keine Zinsen geben dürfe. Das sei nicht gesetzeskonform und die Bank sei außergerichtlich zu keiner Unterlassungsverpflichtung bereit gewesen, erklärt der Konsumentenschutz gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal. Deshalb klagt der VKI nun gegen besagte Klausel. Hat die Klage Erfolg, hätte das auch Auswirkungen auf andere Banken. Laut Arbeiterkammer liegen die Sollzinsen auf Gehaltskonten aktuell zwischen 6,75 und 13,25 Prozent. Auf positives Guthaben entfallen zwischen 0 und 0,1 Prozent.
Laut Wifo-Bankenexperte Thomas Url könnte die Klage erfolgreich sein, wenn man nachweisen könnte, dass die Banken es ausnutzen, dass Kundinnen und Kunden Guthaben auf ihrem Girokonto liegen lassen, sei es aus Bequemlichkeit oder aus Scheu vorm Investieren. Den Banken könnten dann Strafzahlungen winken. Url denkt aber nicht, dass es möglich ist, den Banken die Gebührenmodelle vorzuschreiben.
VKI soll nicht reagiert haben
Was Rauch ebenso kritisierte: Die Bank Austria habe die Abmahnung des VKI ignoriert.
Stimmt das? "Nach der Abmahnung im Juni, hat die Bank Austria am 7. Juli eine sehr, sehr umfangreiche Stellungnahme an den VKI geschickt. Sie hat seitdem aber nichts mehr vom VKI gehört", sagt Rudorfer. "Ich arbeite schon lange im Bankenbereich und kann mich nicht daran erinnern, dass eine Bank nicht auf eine VKI-Äußerung reagiert."
Das für Konsumentenschutz zuständige Sozialministerium dementiert das auf Nachfrage nicht, betont aber wie auch der VKI: Die Bank Austria habe nach der Abmahnung "keine freiwillige Unterlassungserklärung abgegeben". Daher habe der VKI im Auftrag des Ministeriums eine Klage eingebracht.
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Girokonto ist kein Sparinstrument
Vorerst geht es bei der Klage nur um Girokonten. Und Sparkonten? Hier haben die Banken die Zinsen bereits angepasst oder Änderungen angekündigt. Das Ministerium möchte die Situation im September 2023 noch einmal prüfen und dann über rechtliche Schritte entscheiden. "Ein Girokonto dient der privaten Kontoführung. Es ist ein Zahlungsverkehrsinstrument, kein Anlageinstrument wie Sparbücher oder Wertpapiere", sagt Rudorfer.
Franz Schellhorn, Leiter des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria, meint auf KURIER-Anfrage: "Die Politik liefert sich derzeit offensichtlich einen Populismuswettbewerb. Das hilft niemandem weiter, zumal die Regulierung von Bankzinsen zweifelsfrei nicht zu den Staatsausgaben zählt." Aufgrund der jahrelangen Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) würden die Banken regelrecht in Liquidität schwimmen, sagt Schellhorn: "Deshalb ist ihre Bereitschaft, für täglich fälliges Geld höhere Zinsen zu bezahlen, wohl auch überschaubar. Sparer, die höhere Verzinsung wollen, werden um eine zeitliche Bindung ihrer Ersparnisse nicht herumkommen. Alternativ dazu bieten sich noch eine Reihe anderer Investitionsmöglichkeiten an."
Wer klagt wen?
Das Sozialministerium selbst kann keine Klagen einbringen, es unterhält daher einen Werkvertrag mit dem VKI. "Dieser besagt, dass der VKI im Auftrag des Ressorts Verfahren im Interesse des Konsumentenschutzes führt. In diesem Sinne ist der Verein für Konsumenteninformation ein wichtiger Partner des Konsument:innenschutzministers, um Rechtsdurchsetzung und Rechtsklarheit zu erwirken", erklärt das Sozialministerium.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) vertritt Konsumenten bei unlauteren Geschäftspraktiken – auch gegen Banken.
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