Rauch und Tursky: "Wir wollen die eCard aufs Handy bekommen“

Rauch und Tursky: "Wir wollen die eCard aufs Handy bekommen“
Gesundheitsminister Johannes Rauch und Staatssekretär Florian Tursky planen die Digitalisierung des Gesundheitssystems. Im KURIER erklären sie, wie es funktioniert.

Österreich ist mit der eCard und der elektronischen Gesundheitsakte, kurz ELGA, im internationalen Vergleich schon sehr früh in den eHealth-Bereich eingestiegen – die ersten Schritte zu ELGA gab es 2009.

Dann aber trat man auf der Stelle, die Systeme wurden nicht vernetzt. In der Pandemie wurde das schmerzhaft klar: Mit Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren musste der Gesundheitsminister dafür sorgen, dass die Spitäler nicht überlastet werden. Eines fehlte ihm allerdings: tagesaktuelle und belastbare Zahlen aus allen Spitälern. Nicht selten musste das Ministerium die Bettenbelegung telefonisch (!) erfragen.

„Nach vielen Anläufen ist es mir im Mai 2022 gelungen, ein Covid-Register einzuführen, in das die Spitäler einmelden“, sagt Johannes Rauch zum KURIER. Das erst gab ihm die Gewissheit, dass man die Covid-Maßnahmen zurückfahren kann.

Gemeinsam mit Digitalstaatssekretär Florian Tursky unternimmt Johannes Rauch nun den Anlauf, Österreichs Gesundheitssystem in der Digitalisierung vorwärtszubringen. Kommende Woche besuchen die beiden Politiker Finnland, das auf dem Gebiet schon weiter ist als Österreich.

Rauch und Tursky: "Wir wollen die eCard aufs Handy bekommen“

Minister und Staatssekretär im Gespräch mit Daniela Kittner und Christian Böhmer

Bei der Gesundheitsreform im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen sollen die Voraussetzungen für die Digitalisierung geschaffen werden.

KURIER: Sie wollen das Gesundheitssystem digitalisieren. Was haben die Versicherten davon?

Johannes Rauch: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich kann von meinem Handy aus Geld überweisen, ein Taxi bestellen und mein Abendessen ordern. Was ich nicht kann ist: meine Gesundheit organisieren. In Israel bieten die Krankenversicherungen eine Handy-App an. Wenn man sich krank fühlt, gibt man die Symptome ein und bekommt innerhalb von 30 Minuten den Vorschlag für eine Arztordination im Umkreis von 20 Kilometern, in der man nicht länger als 15 Minuten wartet. Bei uns geht man in die erstbeste Praxis, wartet lange – oder findet keine. Dort hat man es am Handy. Das nenne ich Kundenorientierung.

Und sagt das Handy dann auch: Gehen Sie in die Apotheke und nehmen Sie ein Aspirin?

Rauch: Die App bietet eine Orientierung für die bestmögliche Versorgung. In unserem System endet es im schlimmsten Fall – wenn man niemanden erreicht – damit, dass ein voll ausgerüstetes Rettungsteam kommt und mich mit dem Rettungswagen ins Spital führt – und das ist kontraproduktiv.

Florian Tursky: Die Digitalisierung von medizinischen Anwendungen wird auch notwendig sein, weil die Menschen das schlichtweg erwarten. Ich bin 34, bin gerade von Innsbruck nach Wien gezogen, und ich will, wenn ich in Wien zum Arzt gehe, dass er auf die Daten von vorherigen Untersuchungen zugreifen kann. Oder wenn ich zum Orthopäden gehe, wenn ich vom Laufen Probleme mit dem Knie habe, dass er auf bereits gemachte Bilder zugreift.

Rauch: Mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz werden Revolutionen passieren: bei der Befundung, bei Bildern mit Auflösungsgrößen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können. Das wird die Qualität der medizinischen Versorgung und Befundung enorm verbessern.

Tursky: Wenn ich in Zukunft Bilder habe, können die – anonym natürlich – mit Hunderttausenden Bildern abgeglichen werden, wo Befundungen bereits vorliegen. Durch diesen Datenschatz haben Arzt und Patient ganz neue Möglichkeiten – in der Krebserkennung oder in der Erkennung, wie eine Verletzung beschaffen ist und wie man sie behandelt.

So wie Sie das schildern, kann es nur funktionieren, wenn alle das gleiche System haben. Wir haben in Österreich aber neun, wenn nicht gar zehn Gesundheitssysteme. Wahlärzte weigern sich überhaupt, mitzumachen. Müssen Sie nicht einmal auf den Tisch hauen und alle zum Einmelden vergattern?

Rauch: Auf den Tisch hauen ist immer schlecht – denn dann meldet sich der Tisch zurück. Wir haben das Problem, dass der niedergelassene Bereich und das Spital zusammen noch nicht gut funktionieren. Der vorläufige Entlassungsbefund aus dem Spital wird in vielen Fällen per Fax an den Arzt geschickt. Per Fax!

Tursky: Was datenschutzrechtlich übrigens sehr bedenklich ist.

Rauch: Es wird nötig sein, eine gewisse Trägheit in manchen Bereichen zu beseitigen. Wir werden den Nutzen, den das alles hat, transportieren. Das ist der Punkt, an dem der Widerstand brechen wird.

Tursky: Es stimmt, in gewissen Bereichen wird man das anstoßen müssen, das sehe ich insbesondere in den Spitälern so. Andererseits glaube ich, dass schon jetzt der Unmut groß ist, dass ich bei einem Wahlarzt, bei dem ich zahlen muss, die Vorteile eines eRezepts nicht habe. Da wird schlichtweg der Druck der Kunden derart steigen, dass die Ärzte die elektronischen Services schließlich anbieten werden.

Wer führt das alles durch? Das Gesundheitsministerium? Der Hauptverband? Die ÖGK?

Rauch: Sozialversicherung, ÖGK, Ärzteschaft, die Länder und wir als Gesundheitsministerium müssen das gemeinsam hinbringen. Es macht keinen Sinn, wenn jeder Player eine eigene Mini-Digitallösung entwickelt.

Rauch und Tursky: "Wir wollen die eCard aufs Handy bekommen“

Viele Daten sind vorhanden, sie müssen nur sinnvoll verknüpft werden, so Staatssekretär Florian Tursky

Aber das haben wir ja jetzt gerade. Die SVA macht etwas, die ÖGK, auch die Ärztekammer Wien …

Tursky: Wir wollen die eCard aufs Handy bekommen, wir wollen ELGA damit verknüpfen, und wir wollen ELGA von einer PDF-Sammlung in eine Datenbank weiter entwickeln. Das funktioniert, wenn Menschen das gemeinsam machen wollen, und das spüre ich jetzt auch.

Rauch: Da kann ich nur zustimmen.

Noch einmal zum Verständnis: Die Ärzte sollen die Diagnosen anhand bestimmter Codes in ELGA eingeben, und damit sind die Daten dann auch auf dem Handy verfügbar.

Rauch: Genau. Deswegen wollen wir ELGA zu einer Datenbank weiter entwickeln. ELGA soll die zentrale Schaltstelle sein, von der aus die Daten auf Wunsch der Patienten transferiert werden können.

Die Österreicher sind extrem skeptisch bei der Datensicherheit.

Tursky: Stimmt, beim Schutz der Gesundheitsdaten werden die Menschen Kompromisse nicht wollen. Das Wichtigste beim Datenschutz ist immer Transparenz, und gerade da ist ELGA Vorreiter, denn ich kann immer sehen, was mit meinen Daten passiert. So entsteht Vertrauen. Dazu müssen wir gewährleisten: Die Daten müssen sicher sein. Jeder muss die Daten, die er nicht im System haben will, sperren können. Und das Ganze soll überhaupt freiwillig sein, dass heißt, man kann herausoptieren.

Es gibt bereits Apps, die helfen, Krankheiten zu behandeln. Warum haben wir das nicht?

Rauch: In Deutschland können Apps schon verschrieben werden – bezahlt von der Krankenkasse. Beispielsweise unterstützen sie bei der Ernährung. Es gibt auch die Möglichkeit, eine Langzeitherzüberwachung der Behandlung direkt ans Spital zu übertragen. In Österreich sind wir leider noch nicht so weit.

Tursky: Das sind die digitalen Gesundheitsanwendungen. Es ist ein absolutes Ziel, das künftig bei uns umzusetzen.

Das müsste älteren Leuten, die oft ihre Tabletten zu nehmen vergessen, helfen. Bald werden Leute alt werden, die zumindest in den letzten zehn, zwanzig Berufsjahren mit dem Smartphone vertraut waren.

Rauch: Heute haben ältere Menschen noch eine Tablettenbox, in der die Medikamente einsortiert sind. In Zukunft soll mir das Handy sagen können, dass ich die Tablette nehmen muss – etwa, indem es piepst.

Tursky: Wir haben einen digitalen Gap von zehn Jahren. Die Leute, die zwischen 80 und 90 sind, tun sich schwer. Aber darunter geht es schon. Genau diese Boxen haben das Problem, dass oft der behandelnde Arzt auch nicht mehr die Übersicht hat, was da alles in dem Zeitraum mit verschiedenen Spitalsaufenthalten und Zusatzprodukten und Vitaminen verschrieben worden ist. Genau so etwas müssen wir digitalisieren, damit der behandelnde Arzt einen Überblick hat.

Rauch: Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, irgendwelche Spielereien zu entwickeln, um irgendwas am Handy zu haben. Es geht um Kundennutzen. Für die Patienten, für die Ärzte, für die Spitalsambulanzen. Das ist die Zielrichtung, an der wir arbeiten.

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