Die Schilderung macht stutzig. Auch den Anti-Korruptionsexperten Martin Kreutner, der jetzt „zur Abklärung allfälliger Unstimmigkeiten“ eine Sachverhaltsdarstellung bei der WKStA eingebracht hat, wie er am Dienstag zum KURIER sagt. „Es muss die Frage erlaubt sein, ob von allen Seiten lege artis vorgegangen worden ist.“
Was ist da passiert? Der KURIER hat bei den Verantwortlichen nachgefragt.
Gerüchte um Dossier
Kreutner ist Leiter einer Untersuchungskommission, die im November 2023 von Justizministerin Alma Zadić eingesetzt wurde, um Vorwürfen der politischen Interventionen in Pilnaceks Amtszeit nachzugehen.
Pilnacek war einst der mächtigste Mann im Justizministerium – mit besten Kontakten in Politik und Wirtschaft.
Nach seinem Ableben kursierten bald die wildesten Gerüchte: Die Rede war von einem USB-Stick, den der suspendierte Sektionschef Tag und Nacht bei sich gehabt haben soll. Und von einem Dossier, in dem Pilnacek politische Interventionen in seiner Amtszeit aufgelistet haben soll. Die Vorfälle, die Pilnaceks Freundin geschildert hat, befeuern diese Gerüchte jetzt aufs Neue.
Was ist da dran?
Vorab nur so viel: Wenn Kreutner sagt, es müsste das Vorgehen von „allen Seiten“ überprüft werden, dann meint er nicht nur die niederösterreichische Polizei und ihren Umgang mit potenziell politisch brisantem Material. Sondern auch die Staatsanwaltschaft Krems, die ab Tag 1 ein Verfahren rund um ein mögliches Fremdverschulden geführt hat.
Im Zuge dieses Verfahrens sei keine Sicherstellung von Gegenständen angeordnet worden, erklärte man dort, und die Kriminalpolizei habe eine solche Sicherstellung auch nicht berichtet. Man bezog sich bei dieser Aussage aber nur auf die Strafprozessordnung (StPO) – und jetzt wird es kompliziert.
Parallel dazu erklärte nämlich eine inoffizielle Quelle im Landeskriminalamt, dass man die Gegenstände bei Pilnaceks Freundin auf Basis des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) sichergestellt und seiner Witwe übergeben habe, ohne sie auszuwerten. Es handle sich um einen „Routinevorgang“.
Auf Nachfrage des KURIER stützt ein Staatsanwaltschafts-Sprecher dann diese Erklärung: „Die Polizei ist nicht verpflichtet, Sicherstellungen nach dem SPG an die Staatsanwaltschaft zu berichten.“
Warum die Staatsanwaltschaft nicht selbst die Sicherstellung des Handys angeordnet hat? Antwort: „Zur allein relevanten Frage, ob Fremdverschulden am Tod vorliegt oder nicht, war dies nicht erforderlich.“
Nicht abgestimmt?
Der renommierte Polizeijurist Rudolf Keplinger erklärt im KURIER-Gespräch, dass diese beiden Stränge – Maßnahmen nach der StPO und Maßnahmen nach dem SPG – theoretisch parallel laufen können.
Wie sinnvoll es ist, wenn sich die Polizei bei ihrem Vorgehen nicht mit der Staatsanwaltschaft, die ja „Herrin des Verfahrens“ ist, abstimmt, kann er nicht beantworten. Er kenne die Details nicht, sagt er.
Die Landespolizeidirektion Niederösterreich äußert sich nicht zu den Vorwürfen. Dort heißt es am Dienstagnachmittag, dass das hauseigene Rechtsbüro die Sachlage dem Bundesamt für Korruptionsprävention und -bekämpfung (BAK) zur rechtlichen Beurteilung vorgelegt habe. „Aus diesem Grund hat sich die Landespolizeidirektion Niederösterreich jeglicher Beantwortung zu enthalten und wird keinerlei weitere Auskünfte in dieser Causa erteilen.“
Causa ist auch im Parlament Thema
Für eine umfassende parlamentarische Aufklärung der "merkwürdigen Vorgänge" sprach sich am Dienstagnachmittag FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker aus. "Der einzige Grund für die Beschlagnahmung der persönlichen Gegenstände dürfte der Schutz des 'tiefen Staats' der ÖVP gewesen sein", mutmaßte er, die Volkspartei hätte von für sie potenziell schädlichen "Geheimnissen" auf Pilnaceks Handy erfahren wollen. Die Vorgangsweise müsse Konsequenzen haben, forderte Hafenecker "Antworten bis hinauf zum ÖVP-Innenminister".
Auch SPÖ-Abgeordneter Kai Jan Krainer hat eine parlamentarische Anfrage eingebracht.
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