Antikorruptionsexperte Martin Kreutner leitet Pilnacek-Kommission

Antikorruptionsexperte Martin Kreutner leitet Pilnacek-Kommission
Der Antikorruptionsexperte soll die Causa rund um den verstorbenen Justizsektionschef untersuchen.

Der Korruptionsexperte Martin Kreutner wird die nach dem Auftauchen von Tonaufnahmen des verstorbenen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek eingesetzte Untersuchungskommission leiten. Das gab Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Freitag bei einer Pressekonferenz bekannt. Die Kommission soll vor allem Akten analysieren und kann darüber hinaus auch Interviews führen. Ihre Arbeit soll am 31. Mai 2024 abgeschlossen sein, der Endbericht wird am 15. Juni veröffentlicht.

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Pilnacek, einst mächtigster Mann im Justizministerium, ist auf der heimlichen Aufnahme bei einer abendlichen Runde mit Bekannten im Wirtshaus Ende Juli zu hören, wie er sagt, die ÖVP habe verlangt, dass er Ermittlungen einstelle und Hausdurchsuchungen abdrehe, was er stets alles abgewehrt habe. Namentlich nannte er unter anderem Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Aufklären soll die Kommission etwa, ob es vom 1. Jänner 2010 bis zum heutigen Tag Einflussnahmen auf staatsanwaltschaftliche Vorgänge gegeben hat. Den Startzeitpunkt markiert dabei in etwa der Amtsantritt Pilnaceks als Sektionschef (Herbst 2010). Ebenfalls untersucht wird, ob es Interventionen etwa von politischen Parteien auf die Justizverwaltung gegeben hat.

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Kommission zu Plinacek-Aufnahmen

Konkret lautet der Auftrag, "staatsanwaltschaftliche Vorgänge samt bezughabender Akten der mit der Aufsicht betrauten Stellen für den Zeitraum 1.1. 2010 bis 1.12. 2023 auszuwählen, bei denen aufgrund konkreter Umstände vermutet werden kann oder evident ist, dass eine politische Partei oder eine dieser nahestehende natürliche oder juristische Person Interesse an einem bestimmten Ausgang oder konkreter Abwicklung der staatsanwaltschaftlichen Vorgänge hatte, hat oder haben konnte". Eine ähnliche Formulierung wurde in Bezug auf die Justizverwaltung gewählt.

Keine Ober-Oberbehörde

Kreutner und Zadic machten dabei klar, dass die Kommission nicht die Arbeit der ebenfalls ermittelnden Staatsanwaltschaft doppeln werde. "Wir sind nicht die Ober-Oberstaatsanwaltschaft oder die Ober-Oberbehörde", so Kreutner. Konkret werde man etwa Akten anfordern, unter anderem jene, die in den U-Ausschüssen relevant waren. Darauf aufbauend werde man Fragekataloge ausarbeiten und Interviews führen. Dazu würden Personen eingeladen werden - wobei die Kommission aber keine Möglichkeit habe, jemanden auch tatsächlich vorzuladen. "Wir haben keine Zwangsbefugnisse."

Darüber hinaus werde es auch die Möglichkeit geben, sich anonym an die Kommission zu wenden. So soll etwa festgestellt werden, ob es "Verhaltensauffälligkeiten gegeben hat, die mit dem heutigen Compliance-Verständnis unvereinbar sind". Man werde nicht alle Verfahren seit 2010 nachkontrollieren können, so Kreutner. Da sei nicht die Aufgabe der Kommission - vielmehr gehe es um das Feststellen struktureller und systemischer Mängel. Darauf aufbauend werde man dann Empfehlungen abgeben.

Die restlichen fünf bis sechs Kommissionsmitglieder werden bis 15. Dezember feststehen. Bestellt würden laut Kreutner auch Praktiker aus Staatsanwaltschaften und der Justizverwaltung, mindestens ein Mitglied soll aus dem internationalen Fachbereich kommen.

Zadic betonte, sich nicht in die Arbeit der Kommission einzumischen. Ein Weisungsrecht gegenüber den Mitgliedern habe sie nicht. Man werde der Kommission alle nötigen Akten und Unterlagen zur Verfügung stellen - da die Kommission von ihr eingesetzt worden sei, würden Justizangehörige auch keiner Amtsverschwiegenheit unterliegen. Kreutner kündigte an, dass es bei Bedarf auch die Möglichkeit geben werde, bestimmte Aussagen für den Endbericht zu anonymisieren.

Behinderte Ermittlungen?

Festgestellt werden soll etwa, ob Ermittlungen behindert worden seien - wobei "Interventionen, wenn sie stattfinden, nicht so stattfinden, dass jemand sagt, das dürft ihr nicht ermitteln oder ihr müsst das und das ermitteln", betonte Kreutner. Man werde sich daher auch anschauen, ob es einen übermäßigen Prozentsatz an Berichtspflichten gebe. "Sie können einen Staatsanwalt auch damit lähmen, dass Sie ihn dreimal am Tag berichten lassen." Weitere internationale Beispiele seien etwa das ständige Austauschen eines Sekretariats oder die Nicht-Besetzung von Leitungsfunktionen.

Kreutner war früher Leiter des Büros für interne Angelegenheiten im Innenministerium. Außerdem fungierte der Tiroler als Dekan der International-Anti-Corruption Academy in Laxenburg (NÖ) sowie als Berater für die Vereinten Nationen, den Europarat, die OSZE, Transparency International und die Weltbank. Zuletzt initiierte er das Antikorruptions-Volksbegehren mit.

Bei der Untersuchungskommission handelt es sich um eine sogenannte "Paragraph 8"-Kommission nach dem Bundesministeriengesetz. Die Mitglieder sind weisungsunabhängig, frühere ähnliche Kommissionen widmeten sich etwa den Kinderrechten oder dem Terroranschlag vom 2. November 2020.

Kritik an Kreutner an der Kommissionsspitze äußerte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Dieser sei von Ex-Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) seinerzeit ins Ministerium geholt worden. "Jemand, der zur Zeit der Errichtung des 'tiefen Staates' der ÖVP im Kabinett von Strasser gesessen ist und später von der Volkspartei gefördert wurde, ist aus meiner Sicht nicht geeignet, um mutmaßliche ÖVP-Korruption aufzuklären." Kreutner wies diese Vorwürfe dem KURIER gegenüber zurück und stellt klar, nie für Strasser gearbeitet zu haben. Die NEOS begrüßen zwar die Kommission, fordern aber weitere Reformen. "Allen voran brauchen wir endlich eine unabhängige Weisungsspitze in der Justiz: Statt eines Ministers oder einer Ministerin muss ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt am Ende der Weisungskette stehen", so der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak

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