Quarantäne-Aus: "Infizierte am Arbeitsplatz mit Fürsorgepflicht kaum vereinbar"

Kommt die Verordnung zum Ende der Quarantänepflicht, könnte das zu Schwierigkeiten führen, sagt Jurist Roland Gerlach.
KURIER: Welche Konsequenzen hätte ein Quarantäne-Aus aus arbeitsrechtlicher Sicht?
Roland Gerlach: Eigentlich ist es eine unangenehme Verordnung für die Arbeitgeber, weil die Anwesenheit ansteckender Covid-Infizierter kaum mit ihrer Fürsorgepflicht vereinbar ist. Auch das Rauchen ist am Arbeitsplatz verboten worden, damit das Risiko, an Krebs zu erkranken, für Passivraucher reduziert wird. Die Wahrscheinlichkeit, sich bei Kontakt mit Infizierten mit Corona anzustecken, ist wohl noch höher, als durch Passivrauchen Krebs zu bekommen.
Dafür ist eine Corona-Erkrankung in der Regel nicht so schlimm wie eine Krebs-Erkrankung.
Das stimmt. Aber auch die Folgen einer Covid-Erkrankung können sehr heftig sein. Und ich kann den Arbeitnehmern auch nicht sagen „Schützt euch mit einer Impfung.“ Weil die Impfung wirkt zwar, schützt aber nicht zu 100 Prozent vor einer Ansteckung. Ein Corona-Infizierter ist nun einmal infektiös. Jetzt sagt der Staat aber, er hat keine Symptome und daher Maske aufsetzen und Sicherheitsabstand halten, und alles ist bestens. Damit haben wir die Verantwortung auf die Arbeitgeber übertragen. Aber wie kommen die dazu?
Können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zwingen, mit Corona-Infektion arbeiten zu gehen?
Nein, das denke ich nicht. Mitarbeiter sind aus meiner Sicht sogar berechtigt, einer Weisung des Arbeitgebers nicht Folge zu leisten, wenn damit die Gesundheit der Kollegen, Kunden, etc. gefährdet ist. Jetzt fragen alle immer, was ist mit dem Lkw-Fahrer, der alleine in seiner Kabine sitzt? Aber auch der muss tanken, auch der kann eine Panne haben oder muss etwas essen gehen.
Und umgekehrt? Kann man jemanden überhaupt zwingen, zuhause zu bleiben? Viele Menschen gehen ja auch mit normalem Schnupfen ins Büro.
Ich halte es für eine rechtmäßige und sachlich gerechtfertigte Weisung, wenn der Arbeitgeber der erkrankten Mitarbeiterin sagt, „Bleib zuhause“. Allerdings wäre mit so einer Anordnung die Debatte, ob man generell arbeiten darf, wenn man infiziert ist, noch nicht beendet. Wo es möglich ist, werden Arbeitgeber ihre infizierten Mitarbeiter dann einfach auffordern, von zuhause aus zu arbeiten. Es sei denn, die Symptome sind so stark, dass eine allgemeine Arbeitsunfähigkeit besteht.
Wenn ich eine Vorerkrankung habe und mich vor Ansteckung fürchte, kann ich verweigern, in die Arbeit zu kommen, wenn Corona-Infizierte anwesend sind?
Absolut. Das ist aus meiner Sicht ein gerechtfertigtes Fernbleiben vom Dienst, das eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers auslöst. Maske und Sicherheitsabstand sind gut, aber keine dieser Maßnahmen gewährt 100-prozentigen Schutz.
Und wenn ich zu keiner vulnerablen Gruppe gehöre?
Dann wird wahrscheinlich dasselbe gelten. Aber würden Sie in ein Gasthaus gehen, wo der Wirt sagt, zwei Kellner sind positiv? Ich verstehe, dass Wirtschaft und Kunden leiden, es viele Ausfälle gibt und der Staat viel an Quarantäne-Entschädigung zahlt. Es ist aber einfach noch zu früh, Covid mit anderen Krankheiten, gleichzusetzen. Man kann sich von der Vernunft nicht verabschieden, nur weil man gerne ein bestimmtes Ergebnis hätte.
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