Private können sich Wohnhilfe für Ukrainer nicht mehr leisten
Dass in St. Georgen im Attergau, in Klagenfurt und in Villach Zeltlager für Flüchtlinge errichtet worden sind, hat für die erwarteten Proteste gesorgt.
Während sich in den betroffenen Bundesländern Proteste und Widerstand formieren, verweist das Innenministerium auf die Unterbringungsquoten, die derzeit nur von Wien und dem Burgenland erfüllt werden.
"Obdachlosigkeit vermeiden"
Und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ist gewillt, die Zeltlager-Strategie durchzuziehen, falls die Bundesländer keine anderen Unterkünfte auftreiben. „Obdachlosigkeit muss auf jeden Fall vermieden werden“, heißt es aus dem Innenministerium.
Die nächsten Zeltlager sind in Tirol und in Vorarlberg geplant (mehr dazu hier). In Tirol versucht man das noch zu verhindern. Es wurde eine eigene Taskforce Migration einberufen, die bis Ende November rund 500 zusätzliche Plätze für Asylwerber anbieten will.
Das muss jetzt aber rasch gehen, so die Reaktion im Innenministerium. Nur vage Zusagen allein würden angesichts der vielen Flüchtlinge nicht mehr reichen. Angesichts des bevorstehenden Winters wäre alles ein Wettlauf mit der Zeit.
Der Innenminister muss sich derzeit wegen der Zeltlager viel Kritik gefallen lassen. Nicht nur von der Opposition, auch aus den eigenen Reihen.
In seinem Heimatbundesland Niederösterreich etwa hat ihm der zuständige Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) ausrichten lassen, dass er weder Zeltlager zulassen, noch weiter Quartiere errichten werde. Er wirft der Bundesregierung vor, dass man weiter Flüchtlinge im Land aufnehme, obwohl heuer bald die 100.000er-Grenze überschritten werde.
Neue Plätze für Ukrainer
Die Knappheit an Unterkünften könnte sich aber bald noch mehr verschärfen.
Die rund 56.000 Ukrainer, die in Österreich als Vertriebene in Grundversorgung sind, haben bisher kaum organisierte Quartiere der Länder gebraucht – knapp 45.000 davon wohnen privat, meist bei Menschen, die freiwillig ihre Wohnungen oder Häuser zur Verfügung stellen.
Nun ziehen aber immer mehr Private ihr Angebot zurück. Der Grund: gestiegene Lebenshaltungs- und Energiekosten. Sprich: Sie können sich ihre Hilfsbereitschaft nicht mehr leisten.
Die Bundesbetreuungsagentur (BBU) und Zuständige der Länder bestätigen dieses Phänomen beim KURIER-Rundruf und sprechen von einer „enormen Herausforderung“: Wenn die Privaten nämlich auslassen, müssen die Länder ein Quartier organisieren – und die brauchen ihre Kapazitäten momentan für die „klassischen“ Asylwerber.
Österreichweit wohnen rund 80 Prozent der Ukrainer privat. Wien liegt über diesem Schnitt – hier sind es 89 Prozent. 5.000 Plätze gibt es in organisierten Quartieren der Stadt. Diese sind beinahe ausgebucht, heißt es im Büro des zuständigen Stadtrats Peter Hacker (SPÖ). Man arbeite aber laufend daran, neue zu schaffen.
In Oberösterreich leben rund 5.400 ukrainische Vertriebene privat, bei geschätzt zehn Prozent davon steht aktuell ein Wechsel an, heißt es aus dem Büro von Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP).
Die Grundversorgung wird von Bund und Ländern finanziert, es gibt dabei für die Betroffenen zwei Varianten:
1. Organisierte Quartiere
werden von den Ländern gestellt und meist von NGOs betreut. Betroffene erhalten pro Monat rund 180 Euro für Verpflegung.
2. Private Quartiere
sind selbst zu organisieren. Familien erhalten 300 Euro fürs Wohnen und 215 pro Erwachsenem für Verpflegung (pro Kind 100 Euro). Die Beträge wurden im März im Nationalrat auf 260 bzw. 330 Euro erhöht, umgesetzt haben das erst Wien und Tirol.
Das Phänomen hat auch eine zwischenmenschliche Komponente, schildert Christoph Riedl, Asylexperte bei der Diakonie. „Bei uns melden sich regelmäßig Quartiergeber, die von Beginn des Krieges an Gutes getan und ohne zu zögern geholfen haben – und jetzt in einem heftigen Gewissenskonflikt sind, weil ihnen finanziell die Luft ausgeht.“
Konkret bedeutet das nämlich: Frauen mit Kindern müssen von Wohnungen, die Ruhe und Privatsphäre geboten haben, in Flüchtlingsheime übersiedeln.
Unterstützung für Quartiergeber
Die Asylkoordination Österreich warnt schon seit Längerem vor einer Quartier-Krise und hat dazu auch schon einen Sieben-Punkte-Plan präsentiert: Ein Punkt wäre, private Quartiergeber durch einen steuerlichen Absetzbetrag zu unterstützen.
Auch die Tagsätze in der Grundversorgung für die Unterkunft sollten erhöht bzw. an die Inflation angepasst werden (siehe Infobox oben).
Sozialhilfe statt Asylgeld
Kritisiert wird zudem der Umstand, dass Ukrainer überhaupt in der Grundversorgung und nicht im Sozialhilfe-System sind: Die Mindestsicherung wäre deutlich höher und würde es leichter machen, sich selbst eine Wohnung zu finanzieren.
Zwar haben Ukrainer aufgrund ihres Schutzstatus als Vertriebene Zugang zum Arbeitsmarkt und wurde jetzt zusätzlich die Zuverdienstgrenze zur Grundversorgung angehoben, aber viele Frauen können nicht arbeiten, weil die Kinderbetreuung fehlt, wie kürzlich auch eine Studie des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) gezeigt hat.
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