Das eine Mal schreibt er: „Ich bin so glücklich“ – und macht drei Smileys dazu; ein andermal tippt er: „Ich liebe meinen Kanzler“. Und weil ÖBAG-Chef Thomas Schmid bestens in der ÖVP vernetzt und ins Visier der Justiz geraten ist, sind Auszüge seiner 300.000 Kurznachrichten nun auf nahezu allen Nachrichtenplattformen zu lesen und zu hören. Inklusive Klarnamen der Empfänger, und ganz egal, ob sich Schmid mit dem Kanzler oder einfachen Mitarbeitern austauscht.
Dass öffentlich wird, welche Emojis Schmid & Co verwenden, das kann man damit erklären, dass sich daraus – auch – ein politisches Sittenbild ergibt. Doch trotz allem stellt sich die Frage: Wo zieht man die Grenze? Ist es – streng genommen – nicht Privatsache, wenn zwei Spezis über den Chef lästern? Was soll wann und von wem öffentlich werden?
„Tendenziell geht die Entwicklung dahin, dass Medien auch über einfache Mitarbeiter in der Politik alles berichten dürfen – und zwar auch unter der Nennung des vollen Namens. Die Voraussetzung ist immer, dass es sich um wahre Tatsachen handelt“, sagt Christoph Völk.
Völk ist als Rechtsanwalt auf Medienrecht spezialisiert und in die aktuelle Causa insofern involviert, als er einen Mandanten berät, der nicht mehr in der Politik ist, dessen Name aber in den Chats genannt wird.
Völk bezweifelt, dass man gesetzlich nachschärfen muss, wo die Grenze zwischen „privat“ und dem öffentlichen Interesse besteht. „Die Menschrechtskonvention räumt Medien die freie Meinungsäußerung ein, und diese kann und soll auch nicht beschränkt werden.“
Am Ende obliege es in einer Demokratie auch den freien Medien zu entscheiden, was im öffentlichen Interesse ist – wiewohl der Anwalt dazu mahnt, bei bloßer „Sensationsberichterstattung“ auf die Namensnennung zu verzichten.
Wichtig ist aus Sicht von Völk, dass all jene, die in der Politik agieren, achtsam kommunizieren. „In den USA dürfen Politiker grundsätzlich keinen privaten eMail-Accounts für berufliche Kommunikation verwenden, weil man davon ausgeht, dass das Berufliche in der Politik nie privat ist.“
Kein Schaden
Auch für Medienethikerin Claudia Paganini (Hochschule für Philosophie München) hat die Digitalisierung weniger geändert als man annehmen könnte. „Es gelten medienethisch die selben Regeln wie früher: Man soll mit dem Öffentlichmachen nach Möglichkeit keine Personen schädigen“, sagt Paganini, die vor wenigen Tagen auch bei einem Symposion der Politischen Akademie zum Thema referierte.
Wenn also persönliche eMail-, Signal- oder WhatsApp-Nachrichten publik gemacht werden, dann sei das immer dann zulässig, wenn das Interesse der Allgemeinheit (an einer Veröffentlichung) stärker wiegt als das Privatinteresse des Einzelnen.
Wie Anwalt Völk ortet Paganini keinen Bedarf, neue oder strengere Gesetze einzuführen. Stattdessen müsse man bei den handelnden Personen ansetzen: „Im Kern geht es darum, dass man von Politikern auf jeder Ebene ein Mindestmaß an Medienkompetenz erwarten muss“, sagt Paganini.
Momentan sei die Gesellschaft in einem „Medienwandel“. Und der führe zu Verhaltensunsicherheiten. „So wie heute jedem Bürgermeister klar ist, dass man an einer Bushaltestelle vor Publikum nicht einfach allen alles sagen kann, so muss auch klar sein, dass man nicht allen alles in digitalen Nachrichten, eMails etc. schreibt.“
Wobei sie eines zu bedenken gibt: „Der Schaden, den gedankenlose Aktionen anrichten können, ist durch die Digitalisierung wohl um ein Vielfaches größer geworden."
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