"Normaldenkende": Steckt hinter der Debatte eine ÖVP-Strategie?

"Normaldenkende": Steckt hinter der Debatte eine ÖVP-Strategie?
Die "Normal“-Debatte hat für die ÖVP wahlkampftechnische Gründe – und für Karl Nehammer auch private.

"Wer bestimmt, wer normal ist und wer nicht?“, fragt Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele, ohne dabei Parteien oder Politiker zu nennen.

Gemeint ist damit freilich die von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ins Rollen gebrachte Debatte über "Normaldenkende“.

Zur Erinnerung: Mikl-Leitner schrieb Anfang Juli in einem Gastkommentar für den Standard anlässlich des Genderns von einem „Empörungspingpong“ und darüber, dass die „normal denkende Mehrheit der Mitte“ sich immer weniger gehört fühle.

PK "PRÄSENTATION DER ECKPUNKTE DES CORONA-FONDS": MIKL-LEITNER / LANDBAUER

Johanna Mikl-Leitner mit Koalitionspartner, FPÖ-NÖ-Chef Udo Landbauer

"Präfaschistoid“ fand Grünen-Chef Werner Kogler „diese Ausdrucksweise“ im profil. Seither vergeht kein Tag, an dem sich nicht jemand zu Wort meldet – vor allem aus der Volkspartei.

So folgt auf die Rede des Bundespräsidenten am Mittwoch eine Replik von ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer. Er halte es für wichtig, „dass man Normalität in Österreich benennen darf“. Tags darauf ortete Mikl-Leitner einen "Ablenkungskampf um Begrifflichkeiten“.

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Und sie sieht eine "seltsame Entwicklung, wenn die breite Mehrheit der Bevölkerung laufend mit erhobenem Zeigefinger ermahnt wird, während Einzelne tun und lassen können, was sie wollen“.

Ist das alles Zufall und nur eine Sommerloch-Debatte?

„Mitnichten“, sagt OGM-Chef und Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Er sieht hinter der Kommunikation der ÖVP eine „konkrete Strategie, die breiter gewordene Mitte zu besetzen“.

Diese Mitte entstehe durch eine klare Abgrenzung gegenüber der FPÖ, die immer mehr nach rechts rücke und der SPÖ, die mit Marxismus-Sagern und Sozialleistungsforderungen von Parteichef Andreas Babler immer mehr nach links drifte.

"Feindbild Nummer 1"

Die Volkspartei, so Bachmayer, wolle also nicht nur Stimmen von „rechts der Mitte fischen, sondern auch von links der Mitte“. Und das gehe am einfachsten durch "Attacken auf Herbert Kickl als Feindbild Nummer 1“.

Nehammer entzog dem FPÖ-Chef im Nationalrat vor laufender Kamera das Du-Wort und nannte ihn wegen dessen Kritik am geplanten Raketen-Abwehrsystem "Sky Shield“ zuletzt ein Sicherheitsrisiko. „Ein ,Nein zu Kickl’ funktioniert bei Wählern links der Mitte und macht die ÖVP viel wählbarer“, sagt Bachmayer.

ÖVP-Chef Karl Nehammer, FPÖ-Chef Herbert Kickl

ÖVP-Chef Karl Nehammer, FPÖ-Chef Herbert Kickl

Für den ÖVP-Chef war die Abgrenzung von Kickl nicht nur polit-strategisch, sondern auch persönlich von Bedeutung. Denn im kleinen Kreis macht der Kanzler seit Monaten kein Geheimnis daraus, dass er mit Herbert Kickl kein zweites Mal in eine Regierung gehen will. "Der Karl kann mit den Positionen und der Art, wie Kickl Stimmung macht, einfach nicht mit“, heißt es in der ÖVP-Regierungsmannschaft. Nehammer sei es nachgerade ein persönliches Anliegen gewesen, sich zu distanzieren – und das sei nun passiert.

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