Heute startet „Kurz“ in den Kinos, die Premiere und seinen Hauptdarsteller wollten 700 Menschen sehen. Warum die Doku der ÖVP und dem Angeklagten Kurz nutzen könnte
Zehn Jahre in 88 Minuten, die zeigen sollen, wie ein Student erst zum Integrationsstaatssekretär, dann zum jüngsten Außenminister und Kanzler aufsteigt – ehe er fällt.
Die skizzieren, wie die Volkspartei Namen wie Farbe ändert, wie sich mit ihm an der Spitze die Nationalratswahlergebnisse (2017: 31,5 %, 2019: 37,5 %) entwickeln.
„Kurz – Der Film“, der ab heute in 35 Kinos läuft, zeigt all das – überwiegend aus der Sicht von Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz und dessen Umfeld. Mittels Interviews und Archivmaterial.
Eben dieser Satz erklärt sechs Jahre später auch, warum über 700 Menschen bei der Filmpremiere in Wien dabei sein wollten – und feierten. Von Vorgängern wie Wolfgang Schüssel bis zu Nachfolgern wie Alexander Schallenberg und Karl Nehammer über amtierende wie ehemalige Regierungsmitglieder, Interessierte wie dereinst Involvierte: Sie alle machen dem 37-Jährigen, der sich am 18. Oktober wegen Falschaussage vor Gericht verantworten wird müssen, Mittwochabend gleichsam die Aufwartung.
Das Interesse wundert OGM-Chef und Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer auf KURIER-Nachfrage nicht. Und dieses sei nicht allein dem ungewöhnlichen Umstand geschuldet, dass mit „Projekt Ballhausplatz“ und „Kurz – Der Film“ gleich zwei Dokus über einen Ex-Politiker in den Kinos anlaufen.
"Kurz weiß um die Mechanismen der Aufmerksamkeit und des Marketings wie kaum ein anderer“, sagt der OGM-Chef.
„Und zwar egal, ob als Politiker oder Privatier.“ Zudem – das werde gerne außer acht gelassen – stimme die öffentliche Meinung selten mit der veröffentlichten Meinung überein. Soll heißen?
"Selbst, wenn Kurz wie nach Ibiza oder vor seinem Prozess in der Kritik steht: Er verfügt über eine emotionale und polarisierende Strahlkraft, die anderen fehlt.“
Die „anderen“, das sind laut Bachmayer derzeit auch die Chefs aller Parlamentsparteien. Nehammer, dessen ÖVP-Umfragewerte zwischen 21 und 23 Prozent liegen, habe wie die anderen ÖVP-Regierungsmitglieder gut daran getan, die Premiere zu besuchen. „Zu zeigen, dass der Kontakt zum Vorgänger nicht abgebrochen ist, dem man die Erfolge zu verdanken hat, lohnt in mehrerlei Hinsicht.“
„Kurz-Nostalgie“
Es wecke eine „Art Kurz-Nostalgie, erinnert, wie groß das Wählerpotenzial ist, und kann der Nehammer-ÖVP helfen, diese Wählerschaft wieder zu mobilisieren“. Zudem komme es gut an, mit der in der ÖVP traditionellen „Obmann-Demontage“ Schluss zu machen.
Was Kurz selbst von alledem hat, das sei evident, sagen Parteigänger wie -kenner zum KURIER. Mit der Premiere in Wien oder dem „Schinkenfleckerl & Gin Tonic“-Empfang bei den Salzburger Festspielen Ende Juli teste er seinen Marktwert – als Unternehmer. Als Beschuldigter und Angeklagter diene ihm der Film als Teil seiner Verteidigungsstrategie. Erst nach einem Freispruch stelle sich die Frage nach einem Polit-Comeback.
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