Kurz-Doku: "Der wird das medial nicht überleben“
TV-Dokus über Aufstieg und Fall des „jüngsten Außenministers“ und „jüngsten Kanzlers“ der II. Republik gibt es mehrere. Dass im September zwei Dokumentationen über Sebastian Kurz (37) in den Kinos anlaufen, lässt die Gerüchteküche brodeln – mancherorts kochen. Grund: Kurt Langbeins Doku „Projekt Ballhausplatz“ läuft am 21. September ohne ein Interview mit dem Ex-Kanzler an.
In „Kurz – Der Film“ steht der Ex-ÖVP-Chef im Zentrum und Minuten lang Rede und Antwort. Zu sehen ab heute österreichweit in 35 Kinos und 88 Minuten lang.
➤ Warum zwei Dokus über Kurz im Kino laufen
Dass „Kurz- Der Film“ als Gegenentwurf zu Langbeins Doku ins Rennen um die Zuschauer-/Wählergunst geschickt wird, um das Image von Kurz, der sich am 18. Oktober vor Gericht verantworten muss, aufzupolieren, negiert ein Kurz-Sprecher auf KURIER-Nachfrage wie auch die Kurz-Film-Macher (Produzent Michael Reisch und Regisseur Sascha Köllnreitner) in einer Fragerunde mit Medienvertretern. Kurz habe 2,5 Tage für Interviews zur Verfügung gestanden – im Frühjahr 2023 in Wien, New York und Tel Aviv.
500.000 Euro Kosten
Der nunmehrige Unternehmer Kurz habe den rund 500.000 Euro teuren Film weder mitfinanziert, noch sei er am kommerziellen Erfolg beteiligt. Der Kritik, wonach für den Film Interviewte wie Ex-Neos-Chef Matthias Strolz, Ex-SPÖ-Chef Christian Kern oder Investigativ-Journalist Michael Nikbakhsh von Regisseur Köllnreitner "gelegt wurden“, kontert dieser.
Ursprünglich sei man davon ausgegangen, die Doku für eine Streamingplattform zu produzieren, so Köllnreitner, Selbiges sei auch in den Interviewanfragen an Kurz, Kern und Co. gestanden.
Nach dem ersten „Verwertungstrailer“ sei man indes zur Erkenntnis gelangt, dass das vorhandene „Material“ auch für die große Leinwand tauge, so die Erklärung von Köllnreitner und dem österreichischen Produzenten Michael Reisch. Bei der Pressevorführung vor der heutigen Premiere in Wien beteuern die Filmemacher, dass Kurz weder Einfluss auf den Film respektive Schnitt gehabt noch den Film vorab gesehen habe.
Was das Publikum (Ziel: 40.000 Zuschauer) ab heute zu sehen bekommt, das gleicht einem filmischen Lebenslauf für den Hauptdarsteller. Kurz erzählt in seinem Büro und am Flughafen in Wien, im Hotel in New York und am Strand von Tel Aviv seine (Version der) Geschichte. Von ersten Hürden bei der jungen ÖVP, über den unerwarteten Anruf von ÖVP-Chef Michael Spindelegger, er solle Staatssekretär für Integration werden.
„Du bist tot“
„Mir war auch schlecht“, sagt Kurz über ein Jahrzehnt später in die Kamera. Wegbegleiter, ehemalige Regierungskollegen und nunmehrige Bürokollegen wie Elisabeth Köstinger und Gernot Blümel (Minister), Stefan Steiner (Berater), Gerald Fleischmann oder Johannes Frischmann (Sprecher) dürfen dabei als Stichwortgeber agieren. So erzählt Blümel, dass Kurz nicht Spindeleggers erste Wahl war und Kurz, dass ihm nach dem Anruf schlecht gewesen sei. Die erste ZiB2 2011 als Staatssekretär macht der 24-jährige Kurz, obwohl ihm Blümel davon abrät („Du bist tot, wenn Du das machst.“) und Fleischmann nicht an ihn glaubt („Der wird das medial nicht überleben.“)
Unterfüttert mit Bildmaterial aus Anfängen im Geilomobil und mit Wolfgang Schüssel im T-Shirt mit Jungwählern und Aufstiegsjahren im Anzug vor staatstragender Kulisse versucht Köllnreitner das Porträt eines Mannes zu zeichnen, dessen Leben wie Kurz selbst es an einer Stelle sagt "sich wie im Film angefühlt hat“.
„Drüber, aber geil“
Ob mit 10.000 Unterstützern in der Wiener Stadthalle bei der Nationalratswahl 2017 (Kampagnen-Manager Philipp Maderthaner: „Das war ein bissl drüber, aber geil“) oder an der Seite von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Deutschlands Außenminister Frank Walter Steinmeier.
Sie alle seien für den Film angefragt worden, hätten aber abgesagt. Auch aktive ÖVP- und Grün-Politiker, Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wollten stumm bleiben. Die wenigen Kritiker, die zu Wort kommen – wie Ex-SPÖ-Chef Kern über den Wahlkampf inklusive Dirty Campaigning („Die waren nicht Opfer, sondern im gleichen Ausmaß auch Täter.“) oder Ex-Neos-Chef Strolz („Er hat immer nur gemacht, was mehrheitsfähig war“) – kommen zu kurz.
"Erfolg schafft Gefolgschaft"
Dafür wird jenen Raum gegeben, die "Erfolg schafft Gefolgschaft“ sagen wie Köstinger. Um mit und in der Doku zu überraschen, sie als annähernd ausgewogen erachten zu können, hätte es mehr Worte der Widersacher bedurft und – der Kontextualisierung.
„Kurz – Der Film“ wurde laut der Produzenten – Pongo Film und Opus R – im Frühjahr 2023 gedreht. Ursprünglich sollte das Projekt auf einer nicht genannten
Streamingplattform ausgestrahlt werden. Der 88-minütige Kinofilm wurde mit
500 tausend Euro nun von Opus R vorfinanziert. Der Film soll ab 8. September in 35 Kinos österreichweit laufen. Auf Nachfrage habe Sebastian Kurz
den Film vorab nicht gesehen und sei auch nicht am etwaigen kommerziellen Erfolg beteiligt.
Für Regie & Drehbuch zeichnet sich Sascha Köllnreitner verantwortlich
Die Expertise von Migrationsforscherin Judith Kohlenberger, um sich das Flüchtlingsjahr 2015 vor Augen zu führen, wirkt wie ein notwendiges dramaturgisches Übel, um das Erzähltempo aufrechtzuerhalten. Um die türkise Geschichte im Fastforward-Modus fortzuschreiben. Zu dieser gehört auch, dass Arnold Schwarzenegger in der Kraftkammer auf Englisch über Politik spricht ohne Kurz namentlich zu nennen, dafür umso öfter vom Wesen der Politik.
„Interessanter Tag“
Nach eineinhalb Stunden, in denen der Erfolg ausgestellt und der Korruptionsvorwurf nur gestreift wird, ist der Film aus. Er endet in Tel Aviv, wo Kurz in eine Cybersecurity-Firma investiert, die 20 Millionen US-Dollar wert sein soll. Und mit einem Cliffhanger ähnlichen Satz: "Im Moment geht mir die Politik nicht ab“.
Abgehen tut dem Film jedenfalls auch Leichtigkeit. Die kommt in drei Momenten zum Tragen, die das Vorpremierenpublikum zum Lachen bringen. Andreas Khols Replik zu den Thomas Schmid-Chats: "Jedes Schriftl is a Giftl“, der Umstand, dass Frank Stronach eine Partei anführte, und Kurz-Sprecher Frischmanns Kommentar zu Ibiza: "Das war ein interessanter Tag.“
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