Er dankt im Vorwort jenen, die ihn verhindert haben und lässt in den einleitenden Worten, die "Piefke-Saga" zitierend, wissen, dass er so gerne drinnen wäre: "einer von ihnen" - aber: "sie lassen mich einfach nicht (ganz) hinein".
Er, das ist Stefan Weber, der seit seinen eigenen Studienanfängen hinein will in den wissenschaftlich-akademischen Betrieb, es aber nicht schafft(e).
Zu Beginn seiner 216 Seiten umfassenden Streitschrift hält Stefan Weber fest: "Auch ich liebe die Wissenschaft ... Aber die Wissenschaft, genauer: die Universität, sie liebt mich nicht. Und ich glaube an sie, die Universität, auch nicht mehr. Es geht mir wie dem Gläubigen, der sagt: Ich glaube an Gott, aber nicht an die Kirche."
"Antifehlerkultur"
Der 53-Jährige will sich nicht "als Opfer darstellen" und auch nicht "als einer, der bloß Pech hatte". Eineinhalb Jahre ist Weber in den 2000er Jahren an der Universität Salzburg als Professor tätig. Dort habe er eine "Antifehlerkultur" erlebt. Ihm gehe es um tatsächliche und gelebte "gute wissenschaftliche Praxis", um korrektes Zitieren und Angeben von Quellen - und deshalb eben auch um das Aufspüren von Plagiaten.
"Ein ehemaliger Präsident des FWF (des österreichischen Forschungsförderungsfonds) sagte zu mir schon vor vielen Jahren: 'Wenn Sie nur noch Plagiate sehen, dann müssen Sie zum Arzt.' Nun, wenn ich mir heute ansehe, was die Plagiatssoftware Turnitin in den Theorieteilen österreichischer Master- und Doktorarbeiten regelmäßig entdeckt, nämlich seitenweise abgeschriebene Passagen, dann frage ich mich schon, wer hier zum Arzt muss. Aber auch damals ließ ich mich verunsichern. Noch 2021 wurde mir von der Spitzenpolitik ausgerichtet, dass man mein Geschäftsmodell - das des 'Plagiatsjägers' - nicht goutiere. Ich sei ja eigentlich ein Kopfgeldjäger, der das Vertrauen in die Wissenschaft untergrabe."
Ihm gehe es um die Wissenschaft und einen Kulturwandel in dieser, so Weber, weniger um die "Plagiatsjagd", die sei lediglich sein Geschäftsmodell. Er selbst will sich denn auch nicht als "Plagiatsjäger" verstanden wissen, sondern als "Putzerfisch" oder "Förster, der die kranken Bäume markiert".
Seit 2002 habe Streitschrift-Autor Weber "Hunderte Plagiatsfälle" dokumentiert - 13 akademische Grade seien nach seinen Plagiatsanzeigen bzw. Gutachten aberkannt worden. Begonnen hat alles, wie nachzulesen ist, mit einem Plagiat aus seiner eigenen Dissertation "Die Dualisierung des Erkennens. Zu Konstruktivismus, Neurophilosophie und Medientheorie".
Ideen- versus Strukturplagiat
Mehr als zwei Jahrzehnte später wirft Weber nun ÖBB-Chef Andreas Matthä im Buch vor, seine Magisterarbeit plagiiert zu haben. Wie in allen anderen 16 "spektakulärsten Plagiatsfällen" stellt er die Original-Passagen den plagiierten Passagen gegenüber. Festgestellt werden diese Passagen durch Einsatz von Softwares. Aufteilen lassen sich die Plagiate laut Weber in wörtliche und sinngemäße Plagiate sowie in Ideen- und Strukturplagiate. Dabei ist nicht immer nur an Magister- oder Doktorarbeiten zu denken, sondern auch an Lebensläufe, wie eindrücklich veranschaulicht wird.
In seiner Fehleranalyse beklagt "Putzerfisch" Weber die "Studierunfähigkeit" der Studierenden, die er exemplarisch an Hypothesen und Exposés festmacht, die bei der Lektüre unwillkürlich zum Lachen bringen, weil sie keinen oder wenig Sinn ergeben wie dieser Hypothesenentwurf: "Menschen mit der Lieblingsfarbe Rot sind keine Vegetarier."
Ursächlich verantwortlich für die "schlechten wissenschaftlichen Arbeiten" sei "die systematisch falsche Besetzungspolitik", die zu dysfunktionalen Universitäten führe.
"Diktatur des Mittelmaßes"
Universitätsräte werden parteipolitisch besetzt, so Weber. Rektoren und Professoren oft ebenso. In Österreich herrsche "Titelgeilheit", ein "Akademisierungsdogma" und ein "Digitalisierungsfetisch", an den Unis "Studierunfähigkeit" und eine "Diktatur des Mittelmaßes". Streitschrift-Autor Weber macht gen Ende aber nicht nur Fehler fest, sondern auch Lösungsvorschläge.
Eine der 18 Maßnahmen, die Weber vorschlägt, ist eine verpflichtende Semesterwochenstunde "Einführung in die gute wissenschaftliche Praxis". Weiters tritt er für "richtige eidesstattliche Versicherungen" ein und "kürzere Arbeiten statt unlesbarer Konvolute". 400 bis 600 Seiten für eine Dissertation seien zu viel, Qualität gehe vor Quantität. Die Plagiatssoftware solle bei jeder schriftlichen Arbeit zum Einsatz kommen - Multiple-Choice-Tests weniger oft, da diese "dumm" machen würden.
Strengere Regularien beim Zitieren oder gesetzliche Regelungen wären der Qualität förderlich. Überdies spricht sich Weber für publizierte Gutachten aus - denn die jetzige Praxis sieht anonyme Gutachten vor - und ein digitales Meldesystem für Verdachtsfälle.
Kommentare