Plagiatsvorwurf gegen ÖBB-Chef Andreas Matthä

Andreas Matthä
Matthä soll laut Plagiatsforscher Weber „zum Teil seitenweise“ in seiner Diplomarbeit plagiiert haben. Was der ÖBB-Chef und die FH zu dem Vorwurf sagen.

Sie soll "an Dutzenden Stellen und von vielen ungenannten Quellen“ abgeschrieben sein: die Diplomarbeit des ÖBB-Vorstandsvorsitzenden Andreas Matthä. Das zumindest schreibt Plagiatsforscher Stefan Weber in seiner am Dienstag erscheinenden Streitschrift „Auf ‚Plagiatsjagd‘“ über die 2002 an der Fachhochschule Wien (FHW) von Matthä eingereichte Arbeit "Mitarbeitergespräch und Mitarbeiterbeurteilungen in Projektorganisationen am Beispiel GB Planung & Engineering“.

Plagiatsvorwurf gegen ÖBB-Chef Andreas Matthä

Plagiatsforscher Stefan Weber

Matthä, so Webers Vorwurf im Buch, soll „seitenweise und bevorzugt aus etwas älteren Internetquellen“ plagiiert haben. „Das Vorgehen lässt sich heute mit Turnitin und der Wayback Machine (Plagiatssofware) gut rekonstruieren.“

Andreas Matthä

Andreas Matthä, seit 1982 bei den ÖBB, seit 2016 Vorstandsvorsitzender

Warum sich der Wissenschafter ausgerechnet für den ÖBB-Chef interessiert, das erklärt Weber auf KURIER-Nachfrage so: "Mein Team hat sich ab 2021 die Abschlussarbeiten einiger Führungskräfte von ÖBB, OMV und anderen angeschaut. Plan war, ein Führungskräfte-Screening zu machen.“

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Matthä sei als "monströses Plagiat herausgestochen“. Auf den 172 Seiten der Diplomarbeit seien "zuhauf Plagiate von durchwegs unzitierten Internetquellen, zum Teil seitenweise am Stück“, und damit sei „ein massiver Verstoß gegen die abgegebene Ehrenerklärung“ gegeben.

Plagiatsvorwurf gegen ÖBB-Chef Andreas Matthä

In der angesprochenen Ehrenerklärung versichert Andreas Matthä mit seiner Unterschrift am 5. Mai 2002, „dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe“.

Ehrenerklärung

Mit dem Vorwurf des Plagiatsverdachts konfrontiert, sagt der ÖBB-Vorstandsvorsitzende zum KURIER: "Ich habe die Diplomarbeit über ‚Mitarbeitergespräch und Mitarbeiterbeurteilungen am Beispiel des ÖBB-Geschäftsbereichs Planung und Engineering‘ entsprechend den geltenden wissenschaftlichen Standards und den technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben.“

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Dass Weber in seiner Streitschrift schreibt, "seine Karriere basiert auf einem akademischen Fake“ und im KURIER-Gespräch dem Nachdruck verleiht, indem er fragt: „Warum wird ein akademischer Großbetrüger der Chef von mehr als 40.000 Menschen?“ – dem setzt Matthä gleichsam als Antwort seinen Lebenslauf entgegen.

Plagiatsvorwurf gegen ÖBB-Chef Andreas Matthä

Streitschrift. Auf "Plagiatsjagd", Atelier Verlag, 216 Seiten, 21 Euro

"Ich habe im Alter von 19 Jahren, nach der HTL, angefangen, im Bereich Brückenbau bei den ÖBB zu arbeiten“, so Matthä zum KURIER.

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"Später, ich hatte bereits verschiedene leitende Funktionen hinter mir, habe ich mich zunehmend mit Themen der Unternehmensführung befasst, sodass ich 1998 bis 2002 berufsbegleitend an der FH Wien ‚Unternehmensführung für die mittelständische Wirtschaft‘ studiert habe, um meinen Wissenshorizont durch die praxisorientierte Ausbildung zu erweitern.“

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Zum nämlichen Zeitpunkt – also 2002 – ist der jetzige ÖBB-Chef bereits "Bereichsleiter für Planung, Controlling und Systeme“ der ÖBB.

Auf Nachfrage heißt es seitens der ÖBB zudem: "Ein akademischer Abschluss ist bei den ÖBB auch nicht Voraussetzung, um Vorstand zu werden. Es gab in der Vergangenheit mehrere Vorstände, die keinen akademischen Abschluss hatten.“

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Weber geht davon aus, dass "Herr Matthä seinen Magistergrad von der FH Wien verlieren muss, wenn es mit rechten Dingen zugeht“. Der FH liegt laut KURIER-Informationen (Stand Sonntag) noch keine Plagiatsanzeige von Weber vor, die erst eine Prüfung nach sich zieht.

Dafür hat sich Matthä selbst an die FH gewandt. "Herr Weber hat weder mich noch die FH Wien zu seinen Vorwürfen kontaktiert. Da die Vorwürfe eine akademische Frage behandeln, habe ich die FH Wien um Prüfung gebeten“, sagt ÖBB-Chef Andreas Matthä zum KURIER.

Das bestätigt auch FH-Sprecher Bernhard Witzeling auf Nachfrage. Sollte eine Plagiatsanzeige eingehen – wovon auszugehen ist – dauert die Prüfung der Abschlussarbeit. Wie lange, "das können wir aktuell nicht sagen“, sagt Witzeling. "Bei ähnlich gelagerten Fällen anderer Hochschulen hat die Prüfung mehrere Monate bis über ein Jahr gedauert. Die Dauer hängt auch davon ab, ob ein externes Gutachten eingeholt wird.“

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