"Rohbericht": FPÖ sucht ihre braunen Flecken
„Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.'“
Es sind diese Zeilen aus dem Liederbuch der Burschenschaft „Germania zu Wiener Neustadt“, die den niederösterreichischen FPÖ-Politiker und Burschenschafter Udo Landbauer vorübergehend alle politischen Ämter kosten.
Das Buch veranlasst die FPÖ final dazu, beim Bundesparteitag 2018 eine Historikerkommission einzusetzen. Um die blaue Geschichte auf „braune Flecken“ hin zu untersuchen, wie es der Leiter der Kommission, der ehemalige Dritte Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder formuliert.
Zu den „braunen Flecken“ gehört etwa Anton Reinthaller. Der erste FPÖ-Chef diente unter Hitlers Statthalter Arthur Seyß-Inquart ab 1938 als Minister und bekleidete wie der spätere FPÖ-Chef Friedrich Peter einen hohen Dienstrang in der SS.
16 Monate, mehrere Verschiebungen und fast zwei Jahrzehnte später als bei SPÖ und ÖVP ist es so weit: Die Freiheitlichen präsentieren ihren Historikerbericht, der von 16 Autoren verfasst, bis zu 1200 Seiten umfassen soll. Soll. Denn das Konvolut liegt für die Öffentlichkeit nur in Form eines Stapels an blauen Schnellheftern vor. „Die FPÖ-Historikerkommission. Zusammenfassung des Rohberichtes“, die die Journalisten ausgehändigt bekommen, hat 32 Seiten. Fünf der Autoren – FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, FPÖ-Ideologe Andreas Mölzer, der ehemalige Dritte Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder und die Historiker Thoma Grischany und Michael Wladika – sind inszenatorisch wie rhetorisch bemüht zu erklären, warum der Bericht solange auf sich warten ließ.
„Wir haben uns verschätzt, was den Aufwand der Recherche betrifft“, sagt Hafenecker. Die Berichte müssten erst „end-regidiert“ werden. Zudem fehle noch die Expertise von israelischen Wissenschaftern betreffend der Berichte über Restitution und Antisemitismus. Namen will Hafenecker nicht nennen.
Der zuvor im KURIER geäußerten Kritik von Historiker Oliver Rathkolb, wonach es „absolut unüblich und unprofessionell“ sei, weder wissenschaftliche Institutionen einzubinden noch Historiker namentlich zu nennen, widerspricht Brauneder vehement. Es sei für ihn „völlig klar: Wir nennen Namen erst, wenn das Werk vorhanden ist. Es wurde nie etwas geheim gehalten, wie es den Usancen bei Sammelbänden entspricht“, so Brauneder und verweist auf seine „40 Jahre im Wissenschaftsbetrieb“ als Rechtsprofessor.
Inhaltlich wird den Anfängen der Partei – im Bericht wie am Podium – viel Platz eingeräumt. Über den Verband der Unabhängigen (VdU), der Vorläuferpartei der FPÖ, schreiben laut Inhaltsverzeichnis die Historiker Lothar Höbelt, Thomas Grischany und Kurt Scholz. Brauneder auf Nachfrage: „Für die jetzige FPÖ ist es irrelevant, ob Reinthaller einen Ehrenrang bei den Nationalsozialisten hatte. Relevant ist: Wie sahen Parteiprogramme aus, wie wurden diese umgesetzt, wie waren die Schlüsselreden der Abgeordneten, was wurden für Anträge gestellt, wie wurde abgestimmt?“
Wer in dem Bericht nach Identitären sucht, wird nicht fündig werden. Es habe Überlegungen gegeben, sei aber, so Mölzer, zum Schluss gekommen, „dass das nicht Geschichte“, sondern „Tagespolitik“ und eher ein Fall für „Soziologen und Strafrechtler“sei. Geht es nach Brauneder und um die FPÖ so sei diese „im Laufe ihrer jüngeren Entwicklung eine Partei wie nahezu jede andere, die ihre Stärken und ihre Schwächen hat.“ Geht es um den Bericht, so sei „man im Grunde immer unzufrieden, weil es immer besser sein könnte“ und, „weil es keinen Schlussstrich in der Geschichtsschreibung gibt.“
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