Parlament: Warum verfassungswidrige U-Ausschüsse derzeit möglich sind
Der Tag begann etwas öd. Zumindest, was den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ anging.
Wie angekündigt hatten sich die sechs FPÖ-nahen Auskunftspersonen für den Donnerstag entschuldigen lassen. Und so blieb den Abgeordneten nur, das „Nicht-Erscheinen“ festzustellen.
ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger sprach von einer „demokratiepolitischen Bankrotterklärung“ – und zog einmal mehr Bilanz über den Vortag. Der war wahrlich bemerkenswert – und zwar aus verschiedenen Gründen.
Zum einen waren da die mannigfaltigen Entschlagungen des Peter Goldgruber.
Der Vertraute des früheren Innenministers Herbert Kickl war einst Generalsekretär im Ressort und hat im U-Ausschuss gleich mehrfach eine fast 20-minütige Erklärung abgegeben, in der er unterm Strich Folgendes festhielt: Er will nichts sagen, weil er den U-Ausschuss für verfassungswidrig hält.
Formal steht Goldgruber mit dieser Position auf verlorenem Posten. Denn es steht Auskunftspersonen nicht zu, mit dem Verweis auf die Verfassung die Auskunft zu verweigern.
Doch über Umwege könnte der ehemalige Generalsekretär sein Ziel doch noch erreichen und vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) landen. Wie das?
Für seine Aussage-Verweigerung hat der frühere Spitzenpolizist mehrere Beugestrafen kassiert. Diese kann er rechtlich anfechten – und am Ende könnte er sich mit ihnen an den VfGH wenden, wo er die Verfassungsmäßigkeit des U-Ausschusses thematisiert.
Das ist insofern relevant und spannend, da die Frage, ob und wann ein U-Ausschuss der Verfassung entspricht, seit geraumer Zeit Thema ist.
Denn entgegen der landläufigen Meinung darf die Minderheit im Parlament einen Untersuchungsausschuss zwar einberufen, aber gegen die Mehrheit nicht hinterfragen, ob der Untersuchungsgegenstand der Verfassung entspricht. Dazu bedarf es eines Mehrheitsbeschlusses – und zwar im „Geschäftsordnungsausschuss“.
Ist es nicht seltsam, dass die Mehrheit im Parlament de facto verfassungswidrige U-Ausschüsse einsetzen und die Minderheit dies nicht hinterfragen kann?
Anrufungsrecht
Werner Zögernitz ist Präsident des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen, und er sieht kein demokratiepolitisches Defizit. „Parlamentarismus heißt oft, dass die Mehrheit entscheidet.“ Zu überlegen sei allenfalls, ob man Parteien oder Abgeordneten zumindest dann ein Anrufungsrecht beim VfGH einräumen soll, wenn sie direkt selbst vom U-Ausschuss betroffen sind. Das war beispielsweise beim ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss der Fall (und auch hier hat die ÖVP-Fraktion bemängelt, dass der Untersuchungsgegenstand – und damit der ganze Ausschuss – nicht verfassungskonform waren).
In dieser Legislaturperiode ist nicht damit zu rechnen, dass die Verfahrensordnung der U-Ausschüsse geändert wird. Es gibt keine relevanten Initiativen. Dass es etwas getan werden sollte, bestreitet ÖVP-Fraktionschef Hanger aber nicht: „Natürlich sollten wir darüber reden, wie wir künftig garantieren, dass alle Untersuchungsgegenstände der Verfassung entsprechen“.
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