EVP-Kongress: ÖVP hat Wahlprogramm nicht zugestimmt

EVP-Kongress: ÖVP hat Wahlprogramm nicht zugestimmt
Rote Linien Kernenergie und Schengen-Erweiterung - Stocker betont Geschlossenheit der ÖVP und Zustimmung zu von der Leyen.

Die Delegierten der ÖVP haben dem Wahlprogramm der Europäischen Volkspartei (EVP) am Mittwoch beim EVP-Kongress in Bukarest nicht zugestimmt. Das Manifest wurde ohne Gegenstimmen angenommen.

Als Gründe nannten Bundeskanzler Karl Nehammer und Generalsekretär Christian Stocker u.a. die geforderten Zustimmungen zur Schengen-Erweiterung oder der Kernenergie. Stocker betonte in Bukarest die Geschlossenheit der ÖVP in der Frage, und die Unterstützung für Ursula von der Leyen.

"In Manifest auch einiges, was wir unterstützen"

Stocker erklärte am Mittwochnachmittag in Bukarest, die ÖVP-Delegation enthalte sich bei der Abstimmung, "weil in dem Manifest auch einiges ist, was wir unterstützen". Als Beispiele nannte er Asylverfahren mit sicheren Drittstaaten oder die Sicherung des Wirtschaftsstandorts. Seine Partei würde aber nicht die Förderung der Atomkraft unterstützen, auch wenn im Manifest nur mehr von "Forschungszentren für innovative Energietechnologien, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Kernfusion" und von "Förderung von kohlenstoffarmen Energien" die Rede ist.

"So wie wir das verstehen, soll Kernenergie der Weg zur Dekarbonisierung sein, und das ist nicht die österreichische Position", betonte Stocker. Auch die im Wahlprogramm enthaltene Passage "Wir müssen den derzeit dysfunktionalen Schengen-Raum reparieren, insbesondere durch eine weitere Stärkung des Schutzes der EU-Außengrenzen" reicht ihm nicht: Die ÖVP ist weiterhin gegen die geforderte "volle Schengen-Aufnahme für Bulgarien und Rumänien, so schnell als möglich".

Unterstützung für von der Leyen

Laut Stocker ist die ÖVP in der Frage nicht gespalten, wie es einige EVP-Beobachter andeuteten: "Österreicher sind auch in anderen Delegationen Mitglied, da kann ich nichts sagen. Aber für uns ist klar, dass sich die Volkspartei enthalten wird." Die am Donnerstag bevorstehende Wahl Ursula von der Leyens zur EVP-Spitzenkandidatin für die EU-Kommissionspräsidentschaft "hat mit dem Manifest für uns nichts zu tun". Von der Leyen habe einen "schwierigen Job. Sie ist einzige Kandidatin, die zur Wahl steht. Es ist für uns keine Frage, sie zu unterstützen."

Nehammer sagte am Mittwoch nach dem Ministerrat, es gebe im Programm bei einigen wichtigen Fragen "Unschärfen". Dabei nannte er neben Atomkraft und Schengen auch die Position zur Einstimmigkeit. Daher sei es hier wichtig, Haltung zu zeigen. EVP-Vorsitzender Manfred Weber erklärte zur österreichischen Enthaltung, dass die EVP eine breite, demokratische Partei mit unterschiedlichen Meinungen sei.

Streitpunkt Schengen

Weber stellte am Mittwoch vor Journalisten in Bukarest aber auch klar: "Die EVP unterstützt die vollständige Schengen-Erweiterung. Wir wollen, dass Rumänien und Bulgarien so schnell wie möglich dem Schengen-Raum vollständig beitreten." Die Herausforderung sei, "die österreichischen Freunde zu überzeugen." Die EVP wolle mit der Abhaltung dieses wichtigen Kongresses vor den Europawahlen in Bukarest zeigen, dass ihr osteuropäische Länder wichtig seien.

Ab Ende März fallen mit "Air Schengen" die Kontrollen an den Luft- und Meeresgrenzen zwischen den EU-Staaten sowie Rumänien und Bulgarien. Der Präsident der rumänischen nationalliberalen PNL-Partei, Nicolae Ciucă, erneuerte beim EVP-Kongress seine Forderung einer raschen vollständigen Aufnahme seines Landes in den Schengen-Raum: "Gerade die im Ausland lebenden und arbeitenden Rumänen freuen sich auch sehr auf eine Öffnung der Landgrenzen." Die Aufnahme in das Wahlmanifest gebe ihm "mehr Hoffnung, dass dies bald geschehen wird".

Karas stimmte für Manifest

ÖVP-Abgeordneter Othmar Karas hat dem Manifest zugestimmt: "Meine inhaltlichen Positionen sind bekannt: Ich halte das Schengen-Veto für einen Fehler, es behindert auch eine sichere gemeinsame Außengrenze. Das Ende der Einstimmigkeit in Fragen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik wäre gerade in diesen Zeiten ein starkes Signal für mehr Handlungsfähigkeit. Und Investitionen in Forschung im Energie- und Umwelt-Sektor werden unerlässlich sein, um der Politik und Wirtschaft eine breite Auswahl an Technologien zu bieten. Atomkraftwerke bleiben für mich kein Teil der Lösung", erklärte er in Bukarest.

Der rund 23-seitige Text mit dem Titel "Unser Europa, eine sichere und gute Heimat für die Menschen" wurde von einer überwältigenden Mehrheit der rund 2.000 Delegierten aus 44 Ländern angenommen. Das Wahlmanifest baut auf den beiden Pfeiler Wohlstand und Sicherheit auf. Im Zentrum stehen dabei die Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaft sowie die Sicherung des Friedens und die Stärkung der militärischen Kraft Europas.

Die EVP setzt am Donnerstag ihren Parteikongress mit der Wahl der Spitzenkandidatin für die EU-Kommissionspräsidentschaft fort. Die amtierende Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist die einzige Kandidatin, die von den Delegierten ihre klare Zustimmung erwarten kann. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wird laut Programm Donnerstagmittag sprechen.

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