Die Österreicher sorgen sich um die kulturelle Identität des Landes
Es ist noch nicht allzu lange her, da stieß die ÖVP vor dem Hintergrund der vielfältigen Probleme mit Migration mit überschaubarem Erfolg eine Debatte über die österreichische Leitkultur an. Was in der aufgeregten Diskussion weitgehend unter den Tisch fiel, ist, wie die Bevölkerung zu diesem Thema steht: Wie ist die Einstellung zu Begriffen wie "Heimat“ und "Österreich“? Und was sind wichtige gesellschaftliche Werte und Normen?
Anhaltspunkte liefert die aktuelle Befragung "Was denkt Österreich?“, die das Meinungsforschungsinstitut Peter Hajek im Auftrag des Integrationsfonds durchgeführt hat. Dafür wurden zwischen Ende Mai und Mitte Juni 1.000 Personen online befragt. Ähnliche Studien aus den Jahren 2018 und 2020 lassen Vergleiche im Zeitverlauf zu.
Der Begriff Heimat
Die Begriffe "Heimat“ und "Österreich“ empfinden 63 bzw. 62 Prozent der Befragten als sehr sympathisch. Besonders positiv ausgeprägt ist diese Einstellung bei Personen über 60, mit niedrigerem Bildungsabschluss und katholischem Religionsbekenntnis, erläutert Hajek-Meinungsforscherin Alexandra Siegl. Weniger sympathisch werden Begriffe wie "Europa“ (35 Prozent), "Sozialstaat“ (27%) und "Integration“ (23%) bewertet.
Doch was bedeutet Heimat für die Befragten? "Österreich“, lautet die naheliegende Antwort von 56 Prozent. Dahinter rangiert der jeweilige Heimatort (42%), das Eigenheim (Haus, Wohnung, 37%). Eher weit dahinter liegt Europa mit 16 Prozent.
Im Vergleich zu 2018 sind diese Werte relativ stabil geblieben. Ganz anders sieht das bei einem anderen Thema aus: 70 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass die Sorgen um die kulturelle Identität Österreichs berechtigt sind. Vor sechs Jahren waren dies erst 57 Prozent.
Für den Soziologen und Marktforscher Rudolf Bretschneider ist dieses Ergebnis "Ausdruck einer stark gewordenen allgemeinen Unsicherheit betreffend die eigene Identität“. Äußere Einflüsse wie Migration, Klimawandel und die Anbindung an die EU würden dazu führen, dass die traditionelle kulturelle Prägung nicht mehr als selbstverständlich empfunden werde.
Umso wichtiger, so der Experte, werde der Begriff Heimat – auch in der politischen Kommunikation. "Früher war er bei den meisten Parteien verpönt, zuletzt hat sogar Bundespräsident Alexander Van der Bellen damit geworben.“
Zivilisation statt Kultur
Ein derartiger Fokus auf die eigene kulturelle Identität erschwere allerdings die Integration von Migranten, "weil sie sich nach außen abschirmt“. Bretschneider plädiert daher, im Zusammenhang mit Integration den Schwerpunkt eher auf allgemeingültige zivilisatorische Regeln als auf kulturelle Eigenheiten zu legen.
In der Studie wurde auch abgefragt, welche negativen Einflüsse auf die Lebensart in Österreich wahrgenommen werden.
Auf Platz eins rangieren die großen Migrationsbewegungen (61%), gefolgt vom Islam (48%) und weltweite Kriege, Konflikte und Terrorismus (48%) – wobei letztere 2018 erst von 32 Prozent genannt wurde.
Heimische Regeln anerkennen
Als wichtige Faktoren der Integration von Zuwandern und Asylberechtigten nennen die Befragten: Das Anerkennen aller österreichischen Gesetze und Regeln (78%), die Fähigkeit, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen (71%) sowie gute Deutschkenntnisse (70%).
Abgefragt wurde auch die Akzeptanz bestimmter Verhaltensweisen. Spitzenreiter in dieser Kategorie, ist ein Problem, das häufig im Zusammenhang mit muslimischen Migranten diskutiert wird.
Das Ablehnen von Gesprächen mit Ärztinnen oder Lehrerinnen aufgrund ihres Geschlechts. 86% der Befragten finden das nicht in Ordnung. Es folgen kulturell eher unspezifische Probleme wie das Missachten der Haus- oder Gemeindeordnung (85%) und Verspotten von Angehörigen anderer Volksgruppen (81%).
Kommentare