Vorerst geht es allerdings erst einmal darum, die Möglichkeiten einer Teilnahme Österreichs auszuloten. Einen Widerspruch zur österreichischen Neutralität sieht Tanner nicht. „Wir haben bereits einige Verfassungsgutachten eingeholt“, sagte die Verteidigungsministerin (ÖVP).
Worum geht es? Aufgeschreckt von den verheerenden russischen Angriffen auf die Ukraine, erkannte auch eine Reihe von NATO-Staaten die Defizite ihrer eigenen Luftabwehr. Auf Initiative Deutschlands hin wollen nun insgesamt 15 von ihnen gemeinsam eine gewaltige, hochwirksame Luftabwehr aufbauen. Vor einem Monat schlossen sie sich zum Projekt „European Sky Shield“ zusammen. Bereits in drei Jahren soll das „Himmelsschild“ idealerweise möglichst alle feindliche Angriffe aus der Luft abwehren können
Österreichs Verteidigungsministerium will dabei offenbar nicht nur zusehen. Erste Vorstöße in Richtung Berlin quittierte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht: „Österreich ist herzlich willkommen, sich daran zu beteiligen.“
Auch aus der Sicht des Militärexperten Franz Stefan Gady (Institute for International Strategic Studies in London) würde eine Teilnahme Österreichs am „European Sky Shield“ Sinn machen: „Österreich kann dadurch nur profitieren. Es schützt die Bewohner dieses Landes bzw. dessen Luftraum deutlich besser, wenn wir Teil einer integrierten europäischen Luft- und Raketenabwehr sein werden, weil wir potenzielle Bedrohungen früher erkennen können.“ Dass Österreichs Neutralität dabei im Weg stehen könnte, sieht auch Gady nicht. „Wir könnten etwa im Rahmen der NATO-Partnerschaft-für den Frieden (PfP) mitmachen.“
Wie vorgehen? Zunächst müsse man sich mit der NATO darauf einigen, dass Österreich sich beteiligen dürfe, führt der Militärexperte aus. Ganz unabhängig davon hatte Österreichs Verteidigungsministerium ohnehin vor, erstmals in der Geschichte des Landes, ein bodengestütztes Luftabwehrsystem zu errichten. „Zwei Milliarden Euro wird Österreich künftig für die Mittelstreckenraketenabwehr ausgeben. Warum also“, fragt Gady, „integrieren wir dieses System nicht gleich in das Gemeinsame der NATO-Staaten?“ Der Luftraum über Österreich würde dennoch neutral bleiben, was so viel bedeuten würde wie: Angriffe mit Raketen würde Österreich selbst abwehren, wäre aber aufgrund des großen Raketenschutzschirms rundherum besser geschützt.
Sich dem „Europäischen Sky Shield“ anzuschließen, hätte für Österreich auch finanzielle Vorteile – so wie für alle anderen Teilnehmerstaaten auch: Wer gegenüber der Rüstungsindustrie gemeinsam auftritt, kann bei der Anschaffung der Abwehrsysteme günstigere Preise ausverhandeln. Dies würde Österreich eine bessere Position beim Ankauf des geplanten Boden-Luft-Abwehrsystems ermöglichen. Gedacht ist dabei an ein System, das bis zu 40 Kilometer weit reicht und Flugzeuge abwehren kann. Beim eigentlichen NATO-Schirm sollen feindliche Geschoße in einer Entfernung von bis zu 2400 Kilometern abgefangen werden können.
Für seine Luftraumüberwachung muss Österreich auch seine 15 Eurofighter weiter aufrüsten, sodass sie auch in der Nacht einsatzfähig sind. Bis 2035 werden die Eurofighter im Einsatz bleiben, sagte Tanner. „Aber das soll Österreich nicht davon abhalten, sich zu beschäftigen, was danach passieren wird.“
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