Österreich bekommt Asylproblem nicht in Griff

Traiskirchen
Notquartier in der Slowakei soll für 500 Flüchtlinge zur Entlastung von Traiskirchen beitragen. Kritiker: "Asyl-Dumping".

Spontane Bürgerversammlungen, wütende rassistische Entgleisungen im Internet und ein Bürgermeister, der gegen den Innenminister ins Feld zieht. Inzwischen altbekannte Szenen – nur, dass sie sich diesmal nicht in Österreich, sondern in der Slowakei abspielen. In Gabcikovo, einer ungarisch dominierten Gemeinde an der Donau etwa 50 Kilometer südlich von Bratislava, gehen die Wogen hoch.

Der Grund ist eine eilig eingefädelte Übereinkunft zwischen Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ihrem slowakischen Kollegen Robert Kalinak. 500 Flüchtlinge aus dem völlig überfüllten Lager Traiskirchen sollen nach Gabcikovo quasi ausgelagert werden. Dort werden sie in einer Plattenbau-Siedlung aus Zeiten des Kommunismus untergebracht. Diese gehört zwar offiziell der Technischen Universität, steht aber seit Jahren leer. Asylwerber sind dort nicht zum ersten Mal einquartiert: In den Neunzigern kamen in der Anlage Flüchtlinge aus dem damaligen Jugoslawien unter.

"Unterm Strich billiger"

Es ist nach der Unterbringung in Zelten und dem Einsatz von Bussen als Unwetterschutz der nächste Einfall der Innenministerin, dem Flüchtlingsstrom Herr zu werden.Noch im Juli, so teilte Mikl-Leitner nach dem Treffen mit Kalinak mit, dürften die ersten 50 Flüchtlinge eintreffen. Zwei Jahre soll die Initiative laufen, die Österreich nicht nur personell entlasten dürfte. "Für Österreich ist das unterm Strich billiger", sagte Mikl-Leitner am Donnerstag. Auch eine Verlängerung sei möglich, wenn Österreich es für nötig halte. Die Kosten der Unterbringung werden geteilt, die Asylverfahren würden aber weiterhin von Österreich aus geführt, betonte Mikl-Leitner.Auf einen positiven Empfang dürfen die neuen Bewohner allerdings nicht hoffen. In der Slowakei, die in den vergangenen Jahren gerade einmal knapp 200 Flüchtlingen Asylstatus gewährt hat, hat man nicht nur mit Zuwanderern kaum Erfahrung, sondern auch ein wachsendes Problem mit einer eigenen, schlecht integrierten Minderheit: 500.000 Roma.

Rassistische und ausländerfeindliche Proteste haben die Stimmung zuletzt angeheizt. Morgen, Samstag, findet in Zilina die nächste dieser Kundgebungen statt.

Scharfe Kritik am "Outsourcing" der Flüchtlinge kommt von Amnesty International: "Wenn nach all dem Management-Chaos nun auch noch das als Zielrichtung dazukommt, dann gute Nacht Österreich", sagte Generalsekretär Heinz Patzelt, im Ö1-Mittagsjournal. Man gebe die Flüchtlinge quasi in der "Gepäckaufbewahrung" ab: "Ich halte das für erbärmlich und grotesk."

Ins selbe Horn stößt der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ): "Das Innenministerium zeigt jetzt offenbar schon den selbst produzierten Notstand her, um das Gerede vom Notstand zu untermauern." Aus Traiskirchen müssten rund 3000 Menschen verlegt werden, rechnet Babler vor: "Kurzfristig werden ja nur wenige Flüchtlinge in der Slowakei betreut, das ist nicht einmal eine kleine Linderung."

"Asyl-Dumping"

Die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun sieht ein "Asyl-Dumping": "Wenn ein noch ‚billigeres‘ Land als die Slowakei auftaucht, transportieren wir dann die Schutzsuchenden dorthin?"

Die Caritas sieht die Pläne ambivalent: Jedes Quartier, das verhindere, dass Hunderte in Traiskirchen ohne Dach schlafen müssen, sei zu begrüßen, sagte Generalsekretär Bernd Wachter. Eine nachhaltige Lösung sei dies aber nicht. Unterdessen werden immer mehr Klöster für Flüchtlinge geöffnet, bestätigt Ferdinand Kaineder, Sprecher der Ordensgemeinschaften Österreichs: "Bei uns tut sich nahezu täglich was in Sachen Flüchtlinge." Zuletzt habe das Stift Admont Platz für 70 Flüchtlinge geschaffen. Ebenso habe die Zisterzienserabtei Mehrerau Wohnungen zur Unterbringung angeboten. Die Kloster-Tore für Massenquartiere zu öffnen, davon hält Kaineder nichts.

Ebenfalls am Donnerstag wurde bekannt, dass sämtliche Flüchtlingszelte in Oberösterreich bis Ende Juli abgebaut werden sollen.

Österreich will sich mit insgesamt 400 Personen an der Verteilung von 60.000 Flüchtlingen in der EU beteiligen. Die übrigen Mitgliedsstaaten hätten "die besonders schwierige Situation Österreichs anerkannt", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nach einem Treffen mit ihren europäischen Amtskollegen in Luxemburg. Die EU-Kommission hatte eigentlich 1.657 Flüchtlinge vorgesehen.

Bereits zuvor hatte es aus EU-Kreisen geheißen, Österreich zähle zu den Ländern, die eine Einigung auf die Umverteilung von 40.000 über Italien und Griechenland in die EU eingereisten Schutzsuchenden blockieren würden, das sie sich weigerten die Kommissionsvorlage zu erfüllen. Die EU-Innenminister konnten sich daher lediglich auf die auch vom Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs geforderte Umsiedelung (Resettlement) von 20.000 bereits von der UNO anerkannten Flüchtlingen direkt aus Krisengebieten verständigen.

Genau hier will sich Österreich nach Worten von Mikl-Leitner auch mit 400 Flüchtlingen beteiligen. Beim restlichen Kontingent hätten ihre Kollegen zugestimmt, die bereits zugesagte - und teilweise umgesetzte Aufnahme - von 1.500 Syrern mittels Resettlement "anzurechnen", weshalb Österreich auch insgesamt lediglich auf 400 Personen kommt.

Selbst diese Summe scheint aber schon das Ergebnis eines harten Tauziehens mit den übrigen EU-Staaten gewesen zu sein. In die Verhandlungen sei Österreich noch mit einem Angebot von "Null" Personen gegangen, hieß es am Donnerstagabend in EU-Ratskreisen in Luxemburg.

Das Gefühl vieler Österreicher, die Regierung sei mit dem Flüchtlingsstrom überfordert, lässt bei Privatleuten offenbar die Solidarität wachsen. Immer mehr Menschen sehen die Bilder aus Traiskirchen und versuchen, irgendwie zu helfen, sei es auch nur mit geringen Mitteln. Doch das ist leichter gesagt als getan, wie der Wiener Hans Kremminger erfahren musste. Er verfolgte die Situation in Traiskirchen, wo Flüchtlinge im Auffanglager auf dem Boden schlafen mussten und wollte zwei Betten spenden: „Ich habe im Innenministerium angerufen, doch dort wurde ich an die Verantwortlichen im Flüchtlingslager verwiesen. In Traiskirchen hat man mir am Telefon leider nur gesagt, dass man keine Spenden annehmen darf. Warum das so ist, wurde nicht ausführlich erklärt.“

Über solche bürokratischen Hürden stolpern derzeit viele Österreicher, die helfen möchten. Der Grund ist simpel: Es passen keine Betten mehr in das Erstaufnahmezentrum, erklärt der Sprecher des Innenministeriums, Alexander Marakovits: „Die Kapazität der Gebäude hier ist ausgelastet. Das hat sicherheitspolizeiliche Gründe. Alle Zimmer sind voll und es passen einfach keine Betten mehr hinein.“ Außerdem erzählt Marakovits, der sich zum Zeitpunkt der KURIER-Anfrage gerade selbst im Lager Traiskirchen befand, dass es dort schon viele Sachspenden gebe und die Hilfsbereitschaft weiter wächst.

Willkommens-Pakete

Das zeigt auch das Beispiel von Alexander Baillou. Der Physiotherapeut sammelt seit einer Woche Hygieneartikel, um sie als Willkommens-Pakete in die Auffanglager zu bringen. „Ich sammle alles Mögliche, was man fürs erste zum Leben braucht. Zahnbürsten, Duschgels, Insektenspray und dergleichen“, erzählt Baillou. In nur sieben Tagen sind so schon 150 Schuhkartons zusammengekommen, die als Einstand für das neue Leben in Österreich helfen sollen. „Es ist uns vor allem wichtig, dass bei den Spenden auch persönliche Willkommensgrüße in den Paketen dabei sind. Manchmal geben wir noch Spiele hinein“, erzählt Baillou.

Dass man nicht viel verdienen muss, um anderen zu helfen, beweist die Initiative "Wiener Taxi". Entstanden ist sie aus einer Facebook-Gruppe, die Hasan Aycicek für türkische Taxifahrer in Wien eingerichtet hat. Mittlerweile zählt sie mehr als 1500 Mitglieder. An sie richtete der Administrator gemeinsam mit seinen Branchenkollegen Osman Dogan und Osman Aydin den Aufruf, für Flüchtlinge zu spenden. Der Erfolg kann sich sehen lassen.

Bis dato haben sich mehr als hundert Wiener Taxifahrer – die meisten davon Muslime – mit Beträgen zwischen zehn und 500 Euro beteiligt. Insgesamt freuen sich die Organisatoren über rund 8500 Euro, die in Nahrungsmittel und Kleidung für Flüchtlinge investiert werden. Aber damit gibt man sich nicht zufrieden: bis Ramadan-Ende wollen Aycicek, Dogan und Aydin 10.000 Euro schaffen.

Die Fahrgäste bekommen von der Sammelaktion übrigens nichts mit – das Geld kommt von den Taxlern selbst.

Mit einem Teil der Summe wurden bis dato eine Tonne Grundnahrungsmittel und zwei Lkw-Ladungen Kleidung gekauft. Einen Teil der Hilfslieferung transportierten die Fahrer mit ihren Taxis nach Traiskirchen.

Essen für 2000 Leute

Dort versorgen die Wiener Taxler den türkisch-islamischen Kulturverein der Selimiye-Moschee mit den Nahrungsmitteln. Wie berichtet, versorgt der Verein im Ramadan beim allabendlichen Iftar-Fastenbrechen bis zu 2000 Menschen.

Der besagte Verein gehört zwar zur Islamischen Föderation – der fühle man sich aber nicht zugehörig, betont Aycicek. Es gehe einzig und allein darum, "Flüchtlinge nicht alleine zu lassen".

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