Die Impfkampagne steht derzeit. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Österreicher vergleichsweise impfskeptisch sind?
Es stimmt, die Impfquote ist insgesamt zu niedrig. Potenziellen Impfreaktionen wurde in der Diskussion zu viel Raum gegeben und der persönliche Nutzen der Impfung nicht genug betont. Erinnern Sie sich an die HPV-Impfung: Gleich zu Beginn der Kampagne gab es Berichte über ein Mädchen, das nach der Impfung tot in der Dusche lag. Mit dieser Meldung war die Impfung für viele sofort erledigt, und das lag auch daran, weil das hohe Erkrankungsrisiko nicht vermittelt wurde. Es gibt Menschen, die sterben trotz Sicherheitsgurt bei Unfällen, weil sie den Gurt nicht lösen können und im Auto verbrennen. Trotzdem stellt niemand die Gurtpflicht in Zweifel. Beim Impfen ist es ähnlich: Viele wissen nicht, welche Risiken Ungeimpfte eingehen – nicht nur bei Corona. Wir müssen die Erkrankungsrisiken stärker thematisieren und besser über Impfungen aufklären, vor allem in den Schulen. Um auf das Beispiel zurückzukommen: Australien hat HPV dank Impfung de facto ausgerottet.
Wie geht’s Ihnen damit, dass impfskeptische Listen bei der Ärztekammerwahl recht erfolgreich sind?
Die Ergebnisse der MFG bei der Ärztekammerwahl haben mich überrascht. Dass es Vertragsärzte gibt, die es ablehnen zu impfen, obwohl ihnen der Staat das finanziell gut abgegolten hat, verstehe ich nicht – und das sollte es künftig auch nicht geben. Der Gesetzgeber muss darüber nachdenken, wie wir Rahmenbedingungen schaffen, um bei Ärzten konsequenter zu sein, die nicht wissenschaftsbasiert behandeln. Ich möchte aber klarstellen: Der Großteil der Ärzte macht saubere Arbeit, impft und bietet ein tolles Angebot. Deshalb müssen wir das Ziel haben, dass ein ÖGK-Vertrag ein Gütesiegel ist. Wer als Patient zu einem ÖGK-Arzt geht, darf gewiss sein, dass hier wissenschaftsbasiert und „State of the Art“ behandelt wird.
Zum Ärztemangel: Was halten Sie davon, dass Bundesländer Studenten Privat-Unis bezahlen, um Ärzte zu rekrutieren?
Es ist grotesk, dass öffentliche Unis einen Flaschenhals an Medizin-Absolventen produzieren und man als öffentliche Hand dann Plätze an Privatuniversitäten bezahlt. Da muss man dringend überlegen, warum man nicht mehr Studienplätze ermöglicht. Wir wissen ziemlich genau, wo das Problem liegt: Junge Ärzte wollen heute anders arbeiten. Das Modell der Einzelordination und des Einzelkämpfers funktioniert so nicht mehr. Junge Ärzte wollen im Team arbeiten und mit anderen Gesundheitsberufen zusammenarbeiten.
Es gibt also nicht zu wenige Ärzte?
Ich würde sagen, es gibt – noch – zu wenige attraktive Angebote. Die jungen Ärzte haben Medizin, nicht Betriebswirtschaft studiert. Ärzte wechseln erst lange nach dem Studium, nämlich jenseits der 40, in eine niedergelassene Ordination. Ich glaube, dass das daran liegt, dass sie kein unternehmerisches Risiko eingehen und sich nicht darum kümmern wollen, was im Urlaubs- oder Karenzfall mit der Ordination passiert. Darauf muss die ÖGK reagieren und die Ärzte dabei unterstützen.
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