Novelle für Umwelt-Verfahren: Gewessler weht kalter Wind entgegen

Was ist eine UVP?
Auch wenn der Name Umweltverträglichkeitsprüfung suggeriert, dass es um Umweltauswirkungen geht, ist damit viel mehr gemeint – es geht auch darum, die „unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen festzustellen, zu beschreiben und zu bewerten“, die ein Projekt auf sein Umfeld hat. Sprich: Es geht um Einflüsse auf Menschen und die biologische Vielfalt einschließlich Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume, Wasser, Luft und Klima, Landschaft und im Sinne eines Ortsbildschutzes und auch auf Sach- und Kulturgüter.
Wann kommt eine UVP zur Anwendung?
Wer einen Tunnel graben, eine Brücke errichten, einen Damm bauen oder eine Wind- oder Fotovoltaikanlage errichten will, muss beweisen, dass der Eingriff gegenüber der Natur, dem Landschaftsbild und der Bevölkerung „verträglich“, also nicht größer als unbedingt nötig ist. Dabei kann im Vorfeld eines Projektes ein Feststellungsverfahren durchgeführt werden, um zu ermitteln, ob eine UVP überhaupt notwendig ist. Im UVP-Verfahren selbst werden die Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt beurteilt.
Seit wann gibt es das UVP-Gesetz?
Seit 1985 gibt es eine EU-Richtlinie für Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP). 1993 wurde diese Richtlinie in Österreich umgesetzt. Dieses wurde mittlerweile zwanzig Mal novelliert, eine Folge von EU-Vorgaben als auch Anpassungen aufgrund von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes.
Wie viele UVP-Verfahren gibt es jährlich?
Laut dem aktuellen UVP-Bericht des Umweltministeriums werden seit 2005 pro Jahr etwa 95 Feststellungsverfahren durchgeführt. Bei den Genehmigungsverfahren liegt der Schnitt seit 2016 bei 13 Anträgen pro Jahr.
Pumpspeicher Koralm
Im weststeirischen Koralmgebiet ist ein Kraftwerksprojekt geplant. 2013 wurde das Projekt erstmals vorgestellt, 2016 bestimmte das Land, dass keine UVP für das Vorhaben nötig ist. Umweltschützer legten Beschwerde ein, das Verfahren sollte fünf Jahre dauern
A22-Ausbau Stockerau
Die Verbreiterung der Donauuferautobahn in Stockerau (NÖ) ist schon lange Thema. 2007 wäre das Projekt seitens der Stadt ohne eine UVP durchgewunken worden, doch die Asfinag führte den Ausbau nicht durch. 2016 legte sie ein überarbeitetes Projekt vor. Die Stadt und eine Bürgerinitiative setzen sich für eine UVP ein, noch läuft das Feststellungsverfahren
Linzer Westring (A26)
Mehrere Jahre dauerte der Kampf um den Bau der 4,3 Kilometer langen Umfahrung in der oberösterreichischen Landeshauptstadt an. Mehr als 11.000 Einwendungen wurden seitens der Bevölkerung im UVP-Verfahren eingebracht. 2014 erteilte das Ministerium dann den positiven UVP-Bescheid
Dritte Piste Schwechat
Es gilt als das längste UVP-Verfahren in Österreich: 2007 hatte der Flughafen Wien eine dritte Start- und Landepiste für eine UVP eingereicht. Zwölf Jahre später stand fest, dass gebaut werden darf. Umgesetzt wurde das Projekt bisher nicht
Wie lange dauert ein UVP-Verfahren?
In den Jahren 2016 bis 2020 dauerten die Verfahren im Mittel 18,3 Monate, die Statistik ist aber insofern wenig aussagekräftig, weil kleinere Projekte sehr schnell abgewickelt werden. Große, wie etwa Windparks, können laut Stefan Moidl von der Branchenvertretung IG Windkraft „fünf bis acht Jahre“ dauern.
Was sind die Grundzüge der UVP-Novelle?
Kern der Novelle ist, dass die Verfahren künftig beschleunigt werden sollen. Durch mehrfache Prüfungen und unzählige Einspruchsmöglichkeiten können Verfahren extrem verzögert werden. Das Ministerium hat zudem einen „Drei-Punkte-Plan“ eingebracht, der für schnellere UVP-Verfahren beim Bau von Windrädern sorgen sollen.
Wann tritt die Novelle in Kraft?
Einen genauen Zeitplan für die Umsetzung gibt es noch nicht. Der Vorschlag des grünen Klimaministeriums wurde an den Koalitionspartner ÖVP übermittelt, inklusive Gesetzesentwurf, der öffentlich noch nicht bekannt ist. Das Gesetz soll im Sommer in Begutachtung gehen und dann schnellstmöglich beschlossen werden. Dafür braucht es allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, wofür ÖVP und Grüne die SPÖ ins Boot holen müssten.
Wie lauten die drei Vorschläge des Klimaministeriums?
Für den Bau von Windrädern braucht man Flächen. Im Burgenland, Niederösterreich und der Steiermark gibt es eine Energieraumplanung, die dafür Errichtungszonen vorsieht. Alle anderen Bundesländer haben keine Zonierungen vorgenommen. Um den Ausbau der Windenergie voranzutreiben, schlägt das Ministerium vor, dass in Bundesländern ohne Energieraumplanung keine Widmungen für Windparkprojekte mehr nötig sind. Stattdessen wird direkt ein UVP-Verfahren eingeleitet, das auch den vorgesehenen Standort prüft.
Außerdem will das Ministerium Doppelprüfungen reduzieren. Zum Beispiel wird sowohl bei der Zonierung als auch in einer UVP geprüft, ob eine Windanlage das Landschaftsbild stört. Und zu guter Letzt soll im UVP-Gesetz festgeschrieben werden, dass die Energiewende ein besonders hohes öffentliches Interesse hat.
Welche Intention verfolgt man damit?
Bis 2030 soll der gesamte Strom in Österreich aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. So steht es im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geschrieben. Dafür brauche es laut Gewessler aber eine entsprechende Energieraumplanung. Die Maßnahmen sollen die Bundesländer indirekt zwingen, im Windkraftbereich Zonierungen vorzunehmen. Ohne Widmungsverfahren hat das Bundesland selbst nämlich keinen Einfluss mehr darauf, wo Windräder errichtet werden.
Wird es weniger Bürgerbeteiligung geben?
Verfahren können verschleppt werden, indem aus strategischen Gründen immer wieder neue Aspekte eingebracht werden. Daher soll eine Deadline für Beschwerden eingeführt werden, in der die Verfahrensbeteiligten alle ihre bereits bekannten Argumente auf den Tisch legen müssen.
Zur Windkraft: Wie ist die derzeitige Situation in den Bundesländern?
95 Prozent der Windräder in Österreich stehen in Niederösterreich, dem Burgenland oder der Steiermark, wo es auch eine Energieraumplanung gibt. In Oberösterreich gibt es 30 Anlagen, Tirol, Vorarlberg und Salzburg haben derzeit keine Anlagen, wobei Salzburg derzeit eine Zonierung ausarbeitet. Ein Sonderfall ist Kärnten, wo die sogenannte „Sichtbarkeitsverordnung“ gilt; diese sieht einen Abstand von 25 Kilometern zwischen einem Windrad und dem nächsten Wohngebiet vor. Derzeit sind in Kärnten laut dem Büro der zuständigen SPÖ-Landesrätin Sara Schaar fünf Windanlagen im Betrieb.
Welche Kritikpunkte gibt es aus den Ländern?
Die schärfste Kritik an dem „Drei-Punkte-Plan“ kommt aus Kärnten und damit von der SPÖ, deren Stimmen die Regierung für eine Umsetzung der Novelle braucht. SPÖ-Landesrätin Schaar bewertet die geltende „Sichtbarkeitsverordnung“ als Energieraumplanung. Anders als das Klimaministerium, das diese nicht als „planungsrechtliche Zonierung“ einordnet.
Kritisiert wird zudem, dass Gewessler hier in Länderkompetenz eingreife. Bisher sei keine Gesetzesvorlage an die Länder ergangen und diese wurde ohne deren Einbeziehung erarbeitet. Schnellere UVP-Verfahren werden allerdings begrüßt.
Wie beurteilt ein Rechtsexperte die Novelle?
Rechtsanwalt Martin Fischer ist auf Umweltrecht spezialisiert. Aus seiner Erfahrung mit UVP-Verfahren kann er sagen: „Es braucht bessere und mehr Sachverständige bei den Behörden.“ Außerdem würde er eine Straffung der Verfahren sinnvoll finden, „ohne jedoch die Bürgerrechte zu sehr einzuschränken“.
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