Der WKÖ-Generalsekretär plädiert für eine offensive Zuwanderungspolitik. Die CO2-Steuer gehöre wieder abgeschafft, das Klimaschutzgesetz sei nicht beschlussfähig.
Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer und ÖVP-Mandatar, bereiten Österreichs Klimaziele „Kopfschmerzen“.
KURIER: Bis 2040 fehlen Österreich rund 360.000 Arbeitskräfte. Benötigen wir eine Willkommenskultur für arbeitswillige Migranten?
Karlheinz Kopf: Verstärkte Migration ist ein Hebel, den wir dringend betätigen müssen, um dem eklatanten Arbeitskräftemangel zu begegnen. Sonst drohen uns Stagnation, fehlende Investitionen und unser Sozialsystem wäre zum Teil nicht mehr finanzierbar. Wenn wir nicht auf eine kontrollierte, aber offensive Zuwanderungspolitik setzen, versündigen wir uns am Wohlstand unserer Bevölkerung.
Welche weiteren Hebel halten Sie für wichtig?
Steuerliche Begünstigungen und bessere Kinderbetreuungsangebote, damit mehr Menschen von Teilzeit auf Vollzeit aufstocken. Wir müssen zudem Überstunden steuerlich begünstigen und Ältere dazu animieren, länger im Berufsleben zu bleiben.
Sind Sie weiterhin für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung?
Im Grunde: Ja. Ein flächendeckendes, ganztägiges Kinderbetreuungsangebot wird nötig sein. Wir haben riesiges Potenzial bei zigtausenden, gut ausgebildeten Frauen, die wegen ihrer Betreuungspflichten nicht Vollzeit arbeiten können.
Wäre es sozialpolitisch richtig, Teilzeit-Beschäftigten Sozialleistungen zu kürzen, sobald es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung gibt?
Wenn, dann sollten uns positive Anreize einfallen, weil es gar nicht so leicht ist, die Menschen wieder dazu zu bringen, aufzustocken. Jede Stunde mehr würde uns helfen.
Gehört die CO2-Steuer in der nächsten Legislaturperiode wieder abgeschafft?
Angesichts der aktuellen Energiepreise und der Tatsache, dass diese kaum mehr dorthin zurückkehren werden, wo sie einmal waren, würde ich sagen: Ja.
Halten Sie das Klimaschutzgesetz nach wie vor für eine ideologiegetriebene Bestrafungsfantasie?
Ich halte es nach wie vor für nicht beschlussfähig. Auch wenn die Grünen signalisiert haben, den Bestrafungsautomatismus zu streichen, ändert das nichts daran, dass die verbindlichen Sektorziele im Klimaschutzgesetz zu klagbaren Situationen führen und wünschenswerte Projekte verhindern können. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Die Deutschen gehen einen klügeren Weg: Sie diskutieren darüber, die Sektorziele fallen zu lassen und den Fokus auf ihr Gesamtziel – Klimaneutralität bis 2045 – zu legen. Das schränkt die Klagbarkeit im Einzelfall ein.
Österreich ist ambitionierter, strebt Klimaneutralität bis 2040 an.
Diese sehr, sehr, sehr ambitionierte Jahreszahl wird uns noch Kopfschmerzen bereiten. Unsere Industrie steht im Wettbewerb mit anderen Regionen in Europa und der Welt. Und das Klima hat nichts davon, wenn Industrien aufgrund nicht realistischer Zielsetzungen in klimapolitisch weniger ambitionierte Staaten abwandern.
Welche Reform könnte die ÖVP gegen ein Klimaschutzgesetz eintauschen?
Wir haben schon so viel eingetauscht in der Vergangenheit. Politik sollte eigentlich nicht von Tauschgeschäften getrieben sein, sondern von Rationalität. Schauen wir auf den globalen Zusammenhang: Die Amerikaner versuchen neuerdings mit dem Inflation Reduction Act (IRA, Anm.) auch Klimapolitik zu machen. Sie verbinden es aber knallhart mit nationaler Industriepolitik.
Fehlt das in Europa?
Der IRA ist nicht unproblematisch, weil er teils gegen WTO-Regeln (Welthandelsorganisation, Anm.) verstößt. Positiv ist, dass die Amerikaner viel technologieoffener an die Klimawende herangehen. Und sie wollen kritische Rohstoffe nur noch aus Ländern importieren, mit denen sie Handelsabkommen haben. Damit werden sie Handelsumlenkungseffekte erzielen, die nicht zum Vorteil Europas sind.
Ärgert es Sie da besonders, dass Landwirtschaftsminister und Bauernbund gegen das Freihandelsabkommens Mercosur auftreten?
Ja, sehr.
Warum?
Weltweite Wirtschaftsaktivität hat viel zur heutigen Wohlstandsentwicklung und Armutsbekämpfung beigetragen. Gerade wegen der geopolitisch heute so kritischen Verwerfungen – mit Russland und China – täten wir gut daran, mit uns gleichgesinnten Ländern und Kontinenten die Handelsbeziehungen zu vertiefen.
Glauben Sie, dass ab 2035 weiterhin Verbrenner zugelassen werden, die mit Benzin und Diesel fahren?
Auf EU-Ebene ist entschieden, dass ab 2035 nur noch Verbrenner neu zugelassen werden dürfen, die mit E-Fuels fahren. Ich bin kein Hellseher, aber ich glaube, je näher wir diesem Datum kommen, werden wir vor ziemlichen Problemen bei unserer Pkw-Flotte stehen und jedenfalls Anfang der 2030-Jahre noch ziemlich viel diskutieren.
Sie gehen 2024 in die Polit-Pension. Welche Funktionen werden Sie darüber hinaus behalten?
Ich will noch kein Abschiedsinterview geben (lacht). Klar ist, ich werde dann 67 und werde meine inzwischen 47 Jahre andauernde, berufliche Intensivzeit auslaufen lassen. Das heißt aber nicht, dass ich danach nichts mehr tun werde. Ich werde weiterhin ein Standbein in Wien behalten, der Schwerpunkt wird aber im Unternehmerischen liegen.
Sie hätten eine Sonderpension in Höhe von 250.000 Euro erhalten sollen. Wäre das gerecht gewesen?
Wenn Sie einen angesparten Pensionskassen-Betrag von dieser Höhe umrechnen auf die Lebenserwartung eines Mannes, bekommen Sie ungefähr 1.100 Euro brutto im Monat.
Sie haben einmal gesagt, die ÖVP sei 2017 „wegen der Strahlkraft von Sebastian Kurz Erster geworden“. Soll die ÖVP diese Strahlkraft wieder in Anspruch nehmen, sollte Sebastian Kurz nicht angeklagt werden?
Ich glaube, die Frage stellt sich nicht.
Nachdem Niederösterreich keine rote Linie gezogen hat: Sollte die ÖVP im Bund mit Herbert Kickl koalieren?
Ich bin jetzt so lange in der Politik und habe es immer vermieden, Vorfestlegungen zu treffen. Das macht wenig Sinn. Zuerst hat immer der Wähler das Wort, dann folgen Gespräche und Entscheidungen.
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