NGOs fordern: Österreich soll Menschen aus Afghanistan aufnehmen

NGOs fordern: Österreich soll Menschen aus Afghanistan aufnehmen
Vor allem für afghanische Frauen, "die europäische Werte verkörpern", sollen sichere Fluchtwege eingerichtet werden.

Afghanistan: NGOs fordern verstärkten Einsatz Österreichs

Ein Bündnis aus NGOs, Caritas und Diakonie hat am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz die österreichische Bundesregierung dazu aufgerufen, Menschen aus Aufghanistan aufzunehmen. Sie stellte ein Forderungspapier vor.

"Frauen nehmen sich das Leben"

Wer für europäische Werte einstehen wolle, der müsse auch "Ja" zu einem humanitären Aufnahmeprogramm sagen, forderte Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie. Sie sprach sich für sichere Fluchtwege und eine "geordnete humanitäre Aufnahme" aus, "damit Menschen nicht in die Hände von Schleppern fallen".

Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der asylkoordination Österreich, ergänzte: "Es geht darum, dass alle einen Beitrag leisten. Niemand fordert, dass wir alle aufnehmen, aber Ausreisewege müssen sichergestellt bleiben aus Afghanistan, das ist eine menschenrechtliche Verpflichtung." Aufgenommen werden sollen demnach Menschen, die Asylgründe nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben: Journalisten, Richter und auch "afghanische Frauen, die europäische Werte verkörpern", wie es Moser formulierte: "Es gibt auch bereits Berichte, dass Frauen sich das Leben nehmen, um einer Zwangsverheiratung mit den Taliban zu entgehen. Diese Frauen brauchen Schutz." In den Nachbarstaaten Iran, Pakistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Usbekistan sei es "nicht vorstellbar, dass diese Frauen die Chance auf ein Leben in Würde und Freiheit bekommen, das ihnen zusteht", meinte Moser.

Schwertner: Regierungslinie "völlig entglitten"

Caritasdirektor Klaus Schwertner plädierte dafür, "Menschen in überschaubarer Anzahl aus der Krisenregion" zu evakuieren. "Wir sind überzeugt: Diese Hilfe sollte jetzt geleistet werden und sie sollte rasch geleistet werden. Gar niemanden zu retten, sollte keine Alternative sein", sagte Schwertner. Schon in der Vergangenheit sei es in Österreich unter der ehemaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gelungen, "mit humanitären Aufnahmeprogrammen zu helfen und Menschenleben zu retten. An diese Tradition sollten wir auch jetzt anknüpfen", so Schwertner.

Viele Länder hätten sich entschieden zu helfen, ebenso die EU-Kommission und die Kirchen. "Einzig die österreichische Bundesregierung hat die Dringlichkeit des Themas nicht erfasst." Die Regierungslinie sei "völlig entglitten", so Schwertner. Es brauche keine "realitätsfremden Abschiebungsfantasien, sondern Evakuierungen". "Europa und Österreich müssen ihre Verantwortung wahrnehmen." Auf die Frage, wie viele Menschen nach Ansicht des Bündnisses aus Afghanistan nach Österreich geholt werde sollte, sprach Schwertner von "einigen Hundert Menschen".

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bekräftigte dagegen am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag die ÖVP-Linie. "Ich bin mir nicht sicher, dass die Ansage, alle Leute aufzunehmen, die Lösung darstellt." Man müsse vielmehr alles tun, um aus dem "failed state" Afghanistan wieder einen funktionierenden Staat zu machen. Auch die Aufnahme einzelner Bevölkerungsgruppen löse das Problem nicht. Als Demograph weise er außerdem darauf hin, dass Österreich in der Vergangenheit eine große afghanische Community aufgenommen habe. Nun seien andere europäische Staaten solidarisch verpflichtet, etwas zu tun.

NGOs fordern: Österreich soll Menschen aus Afghanistan aufnehmen

"Nicht alle in eine Schublade stecken"

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, nahm die Rhetorik der Bundesregierung - allen voran Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) - ins Visier, der gemeint hatte, es brauche Alternativen zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Eine Bundesregierung, die mit der Europäischen Menschenrechtskonvention breche, sei ganz knapp vor dem Verfassungsgerichtshof, sagte Patzelt.

Sima Mirzai, von der afghanischen Flüchtlingsorganisation IGASUS, monierte, das Medien derzeit den Fokus auf junge Afghanen und vereinzelte Gewalttaten legen würden. Diese Taten seien nicht zu rechtfertigen, sagte Mirzai, aber: "Eine ganze Ethnie in eine Schublade zu stecken, ist der falsche Ansatz. Es gibt so viele tolle Vorbilder."

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