Zeitfenster für Rettung in Afghanistan schließt sich

Zeitfenster für Rettung in Afghanistan schließt sich
Die USA wollen nur noch bis Monatsende Flüge aus Kabul sichern. Die EU drängt auf eine Verlängerung. Die UNO warnt vor einer humanitären Katastrophe am Hindukusch.

„Unter ihrer Herrschaft zu leben (die der Taliban), würde bedeuten, all meine Ambitionen zu begraben.“ Das sagte eine junge Frau, ehe sie sich vom Zentrum der afghanischen Hauptstadt Kabul gemeinsam mit Medienschaffenden, Wissenschaftlern und Ortskräften in einem Konvoi Richtung Airport aufmachte – in der Hoffnung, einen der Evakuierungsflüge zu ergattern.

Terror-Warnung

Doch auf und vor dem Areal herrschen chaotische, ja lebensgefährliche Zustände: Mehrere tausend Menschen harren vor dem Gelände aus, es ist heiß, viele sind dehydriert. Und am Wochenende kamen in dem Gedränge mehrere Menschen ums Leben. Zudem bestätigen die USA nun Meldungen, dass der „Islamische Staat“ (IS) am Airport einen Terroranschlag planen könnte: Man nehme entsprechende Warnungen „absolut todernst“.

Afghanistan: Eskalation, Evakuierung und Widerstand

Viele Afghanen, die unter den radikal-islamischen Taliban Verfolgung fürchten, nehmen das Risiko dennoch in Kauf und machen sich Richtung Flughafen auf. Zumal sich das Zeitfenster für die Rettung schließt. Die USA hatten ja angekündigt, nur noch bis Monatsende Menschen auszufliegen – bisher sollen an die 17.000 das Land über die amerikanische Luftbrücke verlassen haben. Doch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnt: Es sei mathematisch unmöglich, bis 31. August 60.000 Menschen aus Afghanistan zu bringen, wie es Washington plant. Er, aber auch Großbritannien fordern daher die USA auf, den Abzug nach hinten zu verschieben.

Zeitfenster für Rettung in Afghanistan schließt sich

Karl Nehammer schickte Dokumentenprüfer nach Taschkent - beschützt von fünf Cobra-Männern

Aktuell laufen die Evakuierungsflüge aus Kabul weiter auf Hochtouren. In der Hektik allerdings unterlaufen den Verantwortlichen auch Fehler. So ist es laut der Zeitung Die Welt einem abgeschobenen Straftäter gelungen, mit einer Militärmaschine wieder nach Deutschland zu gelangen. Damit sich Derartiges nicht in Österreich wiederholt, schickte Innenminister Karl Nehammer am Wochenende drei Dokumentenberater nach Taschkent (samt fünf COBRA-Männer zum Schutz), die die Echtheit der Dokumente der zu Rettenden prüfen sollen.

Bargeld-Mangel

In Afghanistan selbst wird die Lage immer prekärer. Laut UNO haben jetzt schon 14 der 38 Millionen Einwohner zu wenig zu essen. Die Organisation warnt vor einer humanitären Katastrophe.

In der Hauptstadt Kabul geht indes das Bargeld aus. Fast sämtliche Bankomaten sind leer, bei denen, die noch Noten ausspucken, beträgt das Limit umgerechnet rund 100 Euro.

Streit um Aufnahmen

Am Wochenende hatten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie die schwedische EU-Innenkommissarin Ylva Johansson die Mitgliedsländer aufgefordert, schutzbedürftige Afghanen aufzunehmen – etwa Menschenrechtsaktivisten oder Journalisten. In Deutschland stößt dieses Ansinnen auf Zustimmung: Laut einer Umfrage sprechen sich zwei Drittel der Bundesbürger dafür aus, bedrohte Menschen (politisch Verfolgte, Frauen) aufzunehmen, 27 sind dagegen.

In Österreich hatte Kanzler Sebastian Kurz seine ablehnende Haltung gegenüber Neuaufnahmen von Afghanen bereits vor einem TV-Sommergespräch (siehe rechts) artikuliert. Sein Innenminister, VP-Parteikollege Karl Nehammer zeigte sich gar „schockiert“ bezüglich der Ideen seiner schwedischen Kollegin: „Vorschläge, jetzt alle Menschen aus Afghanistan nach Europa zu holen, kann ich nur entschieden verurteilen.“ Das sei keine Lösung, sondern eine „ideologisch fehlgeleitete Politik“, die „permanent die falschen Botschaften“ sende.

Kommentare