Angestoßen durch ÖVP-interne Planspiele erreicht die Debatte um vorgezogene Neuwahlen nun das Parlament: SPÖ und FPÖ nehmen das Thema liebend gern auf und stellen bei der heutigen Sitzung des Nationalrats Neuwahlanträge.
Abgesehen davon, dass sie keine Chance auf eine Mehrheit haben, stellt sich die Frage, wie gut die Parteien überhaupt für einen Wahltermin im Frühjahr aufgestellt wären.
ÖVP
Die Kanzlerpartei geht laut Politologen Peter Filzmaier mit zwei Hypotheken ins Rennen – ganz gleich, wann gewählt wird. „Aufgrund der Altlasten, die er übernommen hat, ist Karl Nehammer ein Kanzler ohne Bonus.“
Zudem habe man Probleme, zu den klassischen türkisen Themen griffige Botschaften zu zimmern. Beispiel Wirtschaft: „Die Erzählung, dass man ohne die gesetzten Maßnahmen noch schlechter durch die Krise gekommen wäre, ist kein Publikumserfolg.“
Einen Vorteil hätte eine frühe Wahl für die ÖVP: Sollte Othmar Karas mit eigener Liste gegen seine Ex-Partei antreten wollen, würde ihn ein Termin im Frühjahr am falschen Fuß erwischen. Andererseits: Die aufgrund der erwartbaren Mandatsverluste schwierige Listenerstellung könnte die ÖVP in Zeitnot bringen.
SPÖ
„Wäre man zynisch, könnte man behaupten: Im Sinne der SPÖ sollte möglichst bald gewählt werden, bevor sie wieder ein Thema für interne Streitereien findet“, so der Experte. Inhaltlich ortet er eine zentrale Schwäche: Die Botschaft, gegen „die da oben“ anzutreten, passe zwar gut zu Parteichef Andreas Babler, nicht aber zum Umstand, dass die SPÖ lange selbst Kanzlerpartei war und auch aktuell in Ländern und Gemeinden Regierungsverantwortung trägt.
Analog zur ÖVP ließe sich die sich erst formierende linke Konkurrenz aus KPÖ und Bierpartei mit einem frühen Wahltermin wohl leichter bändigen. Eine Einschätzung, die nicht alle Experten teilen (siehe unten).
FPÖ
Sie wäre der größte Profiteur von Wahlen im Frühjahr. „Die FPÖ fährt in Sachen Wahlkampf fast schon Vollgas“, sagt der Experte. „Es wird für sie gar nicht so einfach, noch weiter nachzulegen und den Spannungsbogen bis Herbst aufrecht zu erhalten.“
Bis dahin könnten die Freiheitlichen zudem noch unangenehme Entwicklungen rund um den Grazer Finanzskandal ereilen. Dass die Kontroversen rund um das „Potsdamer Treffen“ von Rechtsextremen und die ausbleibende Distanzierung von den Identitären massiv schaden könnte, glaubt Filzmaier hingegen nicht: „Es ist nicht gerade eine neue Erkenntnis, dass die FPÖ eine sehr rechte Partei ist.“
Grüne
Sie stehen laut Filzmaier unabhängig vom Wahltermin vor einem Problem: Ein fehlendes realistisches Wahlziel. Sie wollen zwar weiterregieren, aber nach jetzigem Stand gebe es kaum eine Koalitionsvariante, mit der sich dies auch umsetzen ließe, ist der Experte überzeugt.
Inhaltlich können die Grünen weiter mit ihrem Kernthema Umwelt und Klimaschutz punkten.
Neos
Eine vorgezogene Wahl wäre für die Neos kein großes Problem, wie Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) erklärt. „Inhaltlich sind sie schon vorbereitet – das haben sie bereits in den Sommergesprächen gezeigt.“ Schwerpunkte sind Bildung und Entlastung.
Laut Bachmayer könnten die Neos von einer Herbst-Wahl aber mehr profitieren. Voraussetzung wäre ein gutes Abschneiden bei der EU-Wahl im Juni.
Bierpartei
Laut der jüngsten OGM-Umfrage für den KURIER könnte die Partei von Dominik Wlazny (alias Marco Pogo) mit sechs Prozent den Einzug ins Parlament locker schaffen.
Laut Bachmayer könnte ein früher Wahltermin der Bierpartei aber dahingehend schaden, dass bis dato noch nicht einmal konkrete politische Inhalte vorhanden sind. Auch finanzielle und organisatorische Fragen müssten noch geklärt werden.
KPÖ
Sie wäre laut Bachmayer einer der Profiteure einer vorgezogenen Wahl. Bei der Gemeinderatswahl in Salzburg am 10. März werden ihr Erfolge vorhergesagt, was sie auch auf Bundesebene beflügeln könnte.
„Bei der Salzburg-Wahl wird die KPÖ mit Kay-Michael Dankl (er konnte bereits im Vorjahr bei der Landtagswahl knapp zwölf Prozent für die Kommunisten erobern, Anm.) sicherlich hervorragend abschneiden.“ Dies könnte auch die bisher wenig bekannten Spitzenkandidaten auf Bundesebene, Tobias Schweiger und Bettina Prochaska, ins Rampenlicht rücken, ist Bachmayer überzeugt.
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