Neuer Liederbuch-Fall - neuer Ärger für FPÖ?
[*Update: Bruna Sudetia prüft rechtliche Schritte, Minister Hofer drängt auf Aufklärung, DÖW fordert unabhängige Historikerkommission*]
Neuen Zündstoff gibt es in der Frage: Wie hält es die FPÖ mit den deutschnationalen Burschenschaften? Nach dem folgenreichen Skandal um ein Liederbuch der Wiener Neustädter Burschenschaft Germania ist nun ein weiteres Gesangsbuch aufgetaucht, das antisemitisches Liedgut enthält. Wie der Falter berichtet, ist in einem Liederbuch, das der Wiener Burschenschaft Bruna Sudetia gehören soll und auch dem KURIER als Scan vorliegt, die berüchtigte Textzeile "Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die sieb'te Million" ebenfalls enthalten.
Die Bruna Sudetia wies die Vorwürfe am Dienstagabend "mit aller Vehemenz" zurück und erklärte, das Buch sei niemals in Besitz der Verbindung und daher auch nicht in Verwendung gewesen. Man kündigte außerdem rechtliche Schritte gegen den Falter an.
Udo Landbauer, FP-Spitzenkandidat in Niederösterreich, war in Folge der Veröffentlichung der Lied-Passage aus dem Germania-Liederbuch von allen Ämtern zurückgetreten. Landbauer war Vize-Vorsitzender der Germania gewesen.
Erneut Verbindungen zu FPÖ-Funktionär
Vorsitzender der Bruna Sudetia ist Herwig Götschober. Er ist im Kabinett des FPÖ-Verkehrsministers Norbert Hofer für Social Media zuständig; er ist auch FPÖ-Bezirksrat in Wien-Leopoldstadt und Schriftführer jenes Vereins, der den freiheitlichen Akademikerball organisiert. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) stuft ihn als Verbindungsmann zur außerparlamentarischen Rechten ein.
Ein Sprecher Hofers sagte gegenüber dem KURIER, Götschober wisse nicht, "was für ein Buch das ist". Er besitze eines, das mit dem zunächst demFalter zugespielten Liederbuch "optisch und inhaltlich nicht zu vergleichen ist. Die Lieder sind dort nicht enthalten. Wir haben keine Ahnung, wer das gemacht hat."
Vergleicht man die Schriftbilder, lässt sich vermuten, dass das Exemplar mit den antisemitischen Liedern eine neuere Version ist. Unter dem Kapitel "Heiteres" finden sich darin weitere widerwärtige Textstellen – wie diese aus dem Lied "Freut euch des Lebens": "Zwei Juden badeten einst im Fluß, weil jeder Mensch einmal baden muß. Der eine, der ist ersoffen, vom anderen wollen wir’s hoffen." Oder auch: "Zwei Juden schwammen einst im Nil, den einen fraß ein Krokodil, den anderen hat es nur angeglotzt, da hätt’ es den ersten fast ausgekotzt".
Da dieses Lied dem DÖW bisher nicht bekannt war, vermutet die Institution, dass es sich um eine eigenständige Dichtung der "Brunen" handeln könnte, wie DÖW-Mitarbeiter Andreas Peham sagt. Die neuen Enthüllungen stuft Peham als "noch schlimmer" ein als jene zur Mittelschüler-Verbindung Germania. Das beträfe auch den Umfang der antisemitischen Textstellen. Dass es sich hierbei um eine akademische Verbindung handelt, wiege noch schwerer.
Bruna Sudetia: Haben anderes Buch
Die antisemitischen Lieder "werden von der akademischen Burschenschaft Bruna Sudetia kategorisch abgelehnt", hieß es in der Stellungnahme der Burschenschaft. Ihr Buch sei weder optisch noch inhaltlich jenem Exemplar ähnlich, das dem Falter vorliegt. Geprüft werden daher rechtliche Schritte "gegen die diffamierende Berichterstattung" sowie gegen Unbekannt wegen Verleumdung bzw. Weitergabe des Liederbuchs.
Laut der Burschenschaft wurde in den Räumlichkeiten der Verbindung kein Buch gefunden, das jenem ähnelt, das der Falter mit der der Bruna Sudetia in Verbindung brachte. Gefunden worden seien lediglich Ausgaben der tatsächlichen Liedersammlung der Burschenschaft sowie des offiziellen "Allgemeinen Deutschen Kommersbuchs". Diese werde laut Angaben aus Hofers Kabinett von den "Brunen" zum Singen verwendet und sei auf Amazon erhältlich.
Norbert Hofer selbst sagte dem Ö1-Radio Mittwochabend: "Ich dränge auf Aufklärung und möchte wissen: Wo kommt dieses Buch her?"
"Ostmark" besungen
In dem dem Falter zugespielten Exemplar finden sich weitere deutschnationale bis NS-nahe Textzeilen: Demnach besingen die "Brunen" die “Ostmark” und beklagen in einem weiteren mit 1972 datierten Lied: "Noch ist Deutschland dreigeteilt" (gemeint ist in Ostdeutschland, Westdeutschland und Österreich). Außerdem heiße es: "Es lebe hoch Deutsch-Österreich, mit ihm das ganze Deutsche Reich".
Im Zuge der Landbauer-Affäre entschloss sich die FPÖ dazu, eine Historikerkommission einzusetzen, die sich mit der Aufarbeitung der Vergangenheit der FPÖ beschäftigen soll.
DÖW: "Kleinreden nicht mehr möglich"
Der aktuelle Fall zeige noch einmal die Ausmaße der deutschnationalen Gesinnung in den FPÖ-nahen Burschenschaften, und, "wie dringend eine Aufarbeitung wäre", heißt es beim DÖW. "Das kleinzureden ist nun nicht mehr möglich", sagt Andreas Peham. Wenn schon Verbindungen wie die Bruna Sudetia, die sich politisch nicht klar bekenne, mit solchen Liederbüchern in Verbindung zu bringen sind, "dann kann man sich vorstellen, wie es bei offen rechtsextremen Verbindungen wie der Olympia zugeht", sagt Peham.
"Ohne unabhängige Expertise werden wir da nicht auskommen", sagt er. Peham schlägt eine vom Nationalrat eingesetzte Kommission vor, die die FPÖ durchaus beschicken solle. Er bezweifle aber, dass die Burschenschaften ihre Archive öffnen. Das DÖW sei von der FPÖ jedenfalls noch nicht um Mithilfe gebeten worden.
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