Neuaufstellung für das Bundesheer

Minister Doskozil richtet das Heer neu aus.
Die groß angelegten Veränderungen haben historische Dimension – wie jene in den 1970ern.

Beim Bundesheer bleibt kein Stein auf dem anderen. Die Truppe wird völlig neu aufgestellt, sogar neue Verfassungsbestimmungen sind geplant. Damit schreibt SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nach Meinung von Beobachtern ein neues Kapitel Militärgeschichte. Eine derart tief greifende Umgestaltung des Heeres hat es erst ein Mal gegeben – mit der Raumverteidigung in den 1970er- und 1980er-Jahren.

Spannocchi-Doktrin

Im Kalten Krieg war das kleine Bundesheer insbesondere von der Nato als Sicherheitsrisiko empfunden worden. Die NATO-Strategen befürchteten, dass wegen der militärischen Schwäche der Österreicher die Sowjet-Armeen binnen kurzer Zeit durch das Donautal nach Bayern durchstoßen könnten. Schlecht auch für Österreich: Zur Abwehr wären vermutlich Atomwaffen zum Einsatz gekommen. Der deutsche General Börner formulierte die westlichen Erwartungen: Österreich müsste mindestens 600.000 Soldaten auf die Beine stellen.

Diese Zahl war unerreichbar. Daher wurde das Bundesheer zwischen 1973 und 1986 unter Federführung des legendären Armeekommandanten Emil Spannocchi auf ein alternatives Gefechtssystem mit guerillaähnlichen Elementen umgestellt. Die Umfassende Landesverteidigung wurde in der Bundesverfassung verankert, die Milizarmee im Wehrgesetz.

Es wurde eine Milizarmee in der Stärke von 240.000 Soldaten aufgestellt – und die Hauptbewegungslinien wurden durch Bunker gesichert. In den Bundesländern wurden die Militärkommandos installiert. Das Verteidigungsbudget wurde auf 1,18 Prozent der nationalen Wertschöpfung gehoben.

Bei Großmanövern ließen sich Beobachter davon überzeugen, dass die Österreicher den gewünschten "Bremseffekt" gegen die Sowjets tatsächlich erreichen konnte. So erklärte der deutsche Verteidigungsminister Manfred Wörner, dass Österreich auf einem guten Weg sei; und dass man die österreichische Landesverteidigung nicht unterschätzen solle.

Demontage

Mit dem Niedergang des Warschauer Paktes begann eine Serie von Reformen des Bundesheeres, die aber letztendlich nur Demontage waren. In einer Generalstabsstudie für das Parlament wird der Niedergang aufgelistet. Demnach lag der Anteil des Verteidigungsbudgets an der nationalen Wertschöpfung zuletzt mit knapp zwei Milliarden bei 0,5 Prozent, was eine Halbierung bedeutet. Seit dem Jahr 2004 hat das Bundesheer die Hälfte seiner Mobilmachungsstärke verloren, 16 Prozent der Bediensteten, 61 Prozent der gepanzerten Fahrzeuge, 56 Prozent der Fahrzeugflotte, 62 Prozent der schweren Waffen und 41 Prozent der Luftfahrzeuge. Außerdem wurden die Milizübungen eingestellt, die Wehrdienstdauer wurde von acht auf sechs Monate reduziert. Der Budgetanteil von 0,5 Prozent an der Wertschöpfung wird zwar durch die zusätzlichen 1,3 Milliarden bis zum Jahr 2020 nicht wesentlich erhöht, aber das Heer hat jetzt finanziell wieder die Kraft für Investitionen.

Radikaler Umbau

Trotz des Krieges in der Ukraine rechnet derzeit niemand mit einer Kriegsgefahr in Europa. Es gibt aber eine europaweite Terrorgefahr. Und die Erkenntnis, dass zur Bewältigung von Terroranschlägen Militär benötigt wird. Das Bundesheer wäre nach Beurteilung von Generalstabschef Othmar Commenda für einen derartigen Einsatz nicht mehr gerüstet gewesen.

Gestärkt durch eine Entschließung aller Parlamentsfraktionen ("hybride" und "asymmetrische" Bedrohungen) beginnen Minister Doskozil und Generalstabschef Commenda nun eine radikale Umgestaltung.

Es wird nicht nur die Truppe neu organisiert und ausgerüstet, es wird auch neue Verfassungsbestimmungen geben (siehe unten).

Diese Reform wird von einigen Kritikern misstrauisch beäugt. Etwa vom Grün-Abgeordneten Peter Pilz, der den Umbau des Militärs "in eine schwere Polizei zum Einsatz im Inneren" wittert.

Andere sehen einen historischen Schritt des Heeresministers. Christian Segur-Cabanac, langjähriger Einsatzchef des Heeres und Präsident der Gesellschaft für politisch-strategische Studien, meint: "Spannocchi gelang es, mit der Raumverteidigung eine glaubwürdige Antwort Österreichs auf eine übermächtige Bedrohung von NATO und Warschauer Pakt zu geben. Doskozil geht einen ebenso bedeutenden Weg der Anpassung von legislativen Vorgaben und strukturellen Notwendigkeiten zur Bewältigung der neuen hybriden und asymmetrischen Bedrohungen."

Um den Landesverteidigungsplan wurde im Parlament 15 Jahre lang gerungen, bis er endlich im Jahr 1985 beschlossen wurde.

So viel Zeit ist in Zeiten der Terrorgefahr und der gespannten Migrationslage nicht mehr. Deshalb soll künftig "die Verteidigungspolitik im Rahmen einer gesamtstaatlichen Risikoanalyse laufend an sich ändernde Rahmenbedingungen und Herausforderungen" angepasst werden.

Das Grundkonzept hat der Generstab abgeliefert. Teil davon ist etwa ein Grenzeinsatz im Süden. Aus diesen Studien lassen sich Streitkräftebedarf und Ausrüstung ableiten.

In der Generalstabsstudie werden folgende Aufgaben definiert:

Militärischer Solidarbeitrag für den Fall einer EU-Verteidigung entsprechend der irischen Klausel.

Beitrag zur Aufrechterhaltung der gesamtstaatlichen Führungsfähigkeit.

Militärische Schutzoperationen gegen nicht-konventionelle Angriffe (Terror).

Beitrag zum Schutz der kritischen Infrastruktur, zur Cybersicherheit und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

Kräfte für internationales Krisenmanagement.

Das bedeutet, dass das Bundesheer permanent in der Lage sein muss, Beiträge zum sicherheitspolitischen Lagebild zu liefern, Sicherheitspolizeiliche Assistenz- und Katastrophenhilfe, internationale Einsätze, Luftraumüberwachung und Cyber-Defence durchzuführen.

Das soll durch Spezialisierung erreicht werden. Deshalb wird die Truppe in vier Bereiche aufgeteilt. Alle schweren Panzer und die Artillerie, die als Solidarbeitrag für eine eventuelle EU-Verteidigung bereit gehalten werden, kommen zu einer "schweren Brigade". Luftlandetruppen kommen zu einer "leichten Brigade", die für Auslandseinsätze spezialisiert wird. Weiters wird es ein "Kommando Gebirgskampf" geben. Terrorbekämpfung im In- und Ausland wird das Spezialgebiet für eine "schnelle Brigade".

Gestärkt werden auch wieder die Militärkommandos und die Miliz, die mit Ende des Kalten Krieges in ihrer Existenz bedroht waren. Die Militärkommandos werden gestärkt – und übernehmen zusätzlich die Rekrutenausbildung. Und die Miliz soll auf mehr als 31.000 Soldaten fast verdoppelt werden.

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