Neos-Chef Wiederkehr: "Rechtspopulismus ist jetzt Geschäft der ÖVP"

Der Neos-Spitzenkandidat für die Wien-Wahl schloss eine Regierungszusammenarbeit mit der "Blümel-ÖVP" erneut aus.

Vor wenigen Tagen gab Neos-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr dem KURIER ein Interview. "Wir werden keinen Blümel gegen die SPÖ als stimmstärkste Partei als Bürgermeister ermöglichen“, schloss er in der neuen KURIER-Pop-up-Redaktion eine Koalition mit den Türkisen aus.

Im einem Interview mit der APA bekräftige der pinke Spitzenkandidat, keine Regierungszusammenarbeit mit der "Blümel-ÖVP" eingehen zu wollen. Die Volkspartei betreibe Politik mit Angst. "Das, was die Rechtspopulisten früher gemacht haben - die FPÖ -, ist jetzt das Geschäft der ÖVP", resümiert der pinke Spitzenkandidat.

 

SPÖ wird Wahl klar gewinnen

Wiederkehr hatte bei seiner offiziellen Kür zum Listenersten mit der dezidierten Absage an eine "Dirndl-Koalition" (ÖVP, Grüne und NEOS) aufhorchen lassen. Gemeint ist damit, dass ÖVP, Grüne und Neos bei entsprechender rechnerischer Mehrheit einen Regierungspakt gegen den wahrscheinlichen Wahlsieger SPÖ schmieden und damit Finanzminister und ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel zum Bürgermeister machen könnten.

Der Neos-Chef unterstreicht sein Nein nun: "Einen Finanzminister, der gezeigt hat, dass er nicht die Kompetenzen hat, der sich im Budget um Nullen vertan hat, der im U-Ausschuss über 80 Mal gesagt, er kann sich nicht erinnern, nicht weiß, ob er einen Laptop hatte oder nicht, kann ich mir als Bürgermeister nicht vorstellen." Es liege aber nicht nur an der Person Blümel, sondern auch daran, "wie er die ÖVP Wien gestrickt hat". Es werde Politik mit der Angst gemacht: "Da möchte man bei den Freiheitlichen fischen und macht deshalb inzwischen die gleiche Politik. Es werden nicht Lösungen in den Vordergrund gestellt, sondern Probleme noch größer gemacht."

Abgesehen davon werde die SPÖ die Wahl klar gewinnen und sich ihren Koalitionspartner aussuchen.

Warum eigentlich, Christoph Wiederkehr

"Wir wollen stärker werden"

Stünden die Pinken hier als Partner zur Verfügung? Man werde nach der Wahl weitersehen, so Wiederkehr. Verbesserungen im Bildungssystem und "gelebte Transparenz ohne Freunderlwirtschaft" wären hier aber Voraussetzung.

In Sachen Wahlziel bleibt Wiederkehr sehr vage. "Wir wollen stärker werden", sagt er, ohne sich auf Nachfrage auf konkrete Prozentzahlen einlassen zu wollen. Umfragen sehen die Neos derzeit in etwa auf dem Level des Ergebnisses von 2015, als sie mit 6,2 Prozent ins Stadtparlament eingezogen. Die Erklärung des Neos-Chefs: "Wir sind in einer riesigen Krise und wir sehen weltweit, dass die Krise die Regierenden weltweit gestärkt hat." Seine Partei habe trotzdem stabile Werte - und das trotz Aufwärtstrend für ÖVP und Grüne: "Das war früher immer die Annahme: Wenn Grüne und ÖVP wachsen, schaffen es die Neos nicht. Wir sehen, dass wir trotzdem stabil bleiben oder sogar zulegen."

Sollten die Pinken in Opposition bleiben, aber Anspruch auf einen nicht amtsführenden Stadtrat haben, würde man auf diesen Posten verzichten, stellt Wiederkehr klar. Das habe man im Landesteam beschlossen. Dasselbe gelte auch für das Amt des Bezirksvorsteher-Stellvertreters - laut Neos eine "Funktion ohne Aufgabe, die viel kostet". Selbst will man übrigens rund zwei Mio. Euro in den Wahlkampf investieren. Eine Finanzspritze des Industriellen Hans Peter Haselsteiner werde es diesmal nicht geben.

Das Corona-Management von Rot-Grün beurteilt Wiederkehr "zwiespältig". In gesundheitlicher Hinsicht habe man die Krise "recht gut" hinbekommen. Kritik übt er insofern, als es bis heute keine ordentliche Teststrategie gebe bzw. die Ergebnisse immer noch viel zu lange dauerten: "Ich höre von Schulen, dass man bis zu vier Tage auf das Resultat warten muss." Das sei mit Blick auf den Kindergarten- und Schulstart im Herbst inakzeptabel. Für die dort tätigen Pädagogen fordern die Neos Unterstützung etwa durch "Gesundheitspersonal". Lehrer könnten keine "Corona-Manager" sein.

Wiederkehr vermisst außerdem probate Mittel gegen die corona-bedingte Arbeitslosigkeit in der Stadt. "Die Aufgabe der Stadtregierung ist es, gute Politik zu machen. Was ich jetzt sehe, ist eine Gutscheinpolitik a la Jörg Haider, wo Gutscheine ohne Treffsicherheit, ohne Notwendigkeit gönnerhaft verteilt werden."

Er hält mit dem "Neos-Jobturbo" dagegen, mit dem mittels gezielter Investitionen, Gebührensenkung und vereinfachter Bürokratie 65.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.

Für viel Diskussion hatte in Wien zuletzt auch das Thema Verkehr und öffentlicher Raum in Zusammenhang mit der Bekämpfung der Klimakrise gesorgt. Da sehe er bei den Grünen derzeit "nur Öko-Wahlkampfschmähs a la Pop-up-Radwege hier und autofreie Innenstadt dort, obwohl autofrei nie vorgesehen war", so Wiederkehr: "Ich möchte auch keine autofreie Innenstadt, sondern eine verkehrsberuhigte Innenstadt." Generell brauche es beispielsweise einen viel stärkeren Ausbau des Radwegenetzes, das derzeit ein "Fleckerlteppich" sei: "Die Ausgaben pro Kopf fürs Radfahren sind in Wien mickrig. Die sind in Amsterdam zehn mal so hoch. Dort müssen wir schrittweise hin."

Was die Hauptwohnsitz-Debatte rund um Heinz-Christian Strache anbelangt, ist für Wiederkehr "ja offensichtlich, dass er die letzten Jahre nicht in Wien gelebt hat und Wien in der Vergangenheit nur als Wahlkampfbühne genutzt hat". Sollte die Wahlbehörde grünes Licht für Straches Kandidatur geben, werden Neos die Wahl trotzdem nicht anfechten. Grundsätzlich zeige die Sache aber, "wie Strache Politik macht - nämlich ohne Werte, ohne Anstand. Das einzig richtige nach Ibiza wäre gewesen, sich wirklich zurückzuziehen, sich zu entschuldigen und sich zu schämen. Aber wir sehen, dass es dem selbst erklärten Patrioten nur um Egoismus geht".

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