Nehammer: Seenotrettung darf kein "Ticket nach Europa" bedeuten
Es ist Karl Nehammer durchaus recht, dass seine Premiere auf EU-Parket bei einem informellen EU-Innenminister-Treffen in Zagreb stattfindet. Das protokollarische Korsett ist bei dieser Art von Meeting nicht sehr streng. Die lockere Atmosphäre eröffnet Chancen, um bilaterale Gespräche mit den Amtskollegen zu führen – ein guter Rahmen, um die 27 Amtskollegen kennenzulernen. "Ich möchte die Gelegenheit nützen, um mit Deutschlands Innenminister Seehofer zu sprechen, aber auch mit den Dänen und den osteuropäischen Innenministern, um erste Positionen abzustecken“, so Nehammer vor dem Auftakt.
Bei Horst Seehofer hat der Innenminister einige Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn sein deutscher Amtskollege betonte vor dem Treffen in Zagreb, dass er eine gesamteuropäische Lösung in der Flüchtlingsfrage weiterhin anstreben wird. "Es geht nur europäisch. Die Bevölkerung versteht es nicht mehr, dass es hier seit 2015 keine Einigung gibt. Die Beibehaltung der momentanen Situation ist die schlechteste Lösung. Das ist auch im Interesse Österreichs, weil es sonst weiterhin zu einer unkontrollierten Zuwanderung kommt, wenn es keine geordnete Lösung gibt“, so Seehofer.
Der deutsche Innenminister begrüßt es, dass auch die neue Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, in dieser Frage "ordentlich Dampf" macht und möglicherweise schon im März einen Lösungsvorschlag präsentieren wird. Schon am 12. Februar wird Johansson deswegen gemeinsam mit Kommission-Vizepräsident Margaritis Schinas zu Verhandlungen mit Nehammer nach Wien kommen.
"Anlandezahlen in Griechenland besorgniserregend“
Österreich legt sich gegen ein europäisches Asylsystem quer, weil es eine europaweite Verteilung von Flüchtlingen ablehnt. Nehammer: "Wir haben seit 2015 rund 200.000 Asylanträge, und wir arbeiten diese immer noch ab. Österreich hat hier schon sehr viel geleistet". Drei Monate dauern derzeit die erstinstanzlichen Asylentscheidungen. Bei seinem ersten Pressestatement auf der EU-Bühne kritisiert der Innenminister, dass derzeit die Flüchtlinge von den "griechischen Inseln auf das Festland gebracht werden“, von woe sie leichter weiterreisen können. Das halte er für "falsch“, handle es sich doch bei den meisten um "Wirtschaftsflüchtlinge". Die Anlandezahlen in Griechenland bezeichnet Nehammer als "besorgniserregend".
Österreich möchte hingegen die Frontex-Offensive der neuen Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen unterstützen. Ihr Ziel ist es, Frontex bereits bis 2024, statt wie geplant bis 2027, mit 10.000 Beamten auszustatten. Außerdem will Österreich gemeinsam mit den Westbalkan-Staaten das Schlepper-Business bekämpfen.
Einigkeit mit Seehofer (Deutschland übernimmt ab 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft nach Kroatien) hat Nehammer in der Frage der Neuausrichtung der Sophia-Mission. Bei einem Libyen-Gipfel in Berlin hatten sich zuletzt 16 Staaten und Organisationen unter anderem darauf geeinigt, Anstrengungen zur Überwachung des seit Jahren bestehenden Waffenembargos zu verstärken."Sophia" soll eigentlich zum Kampf gegen Schmuggel und Menschenhandel beitragen. Bis zum Ende der Marinemission im vergangenen Jahr wurden am Rande immer wieder Migranten in Seenot gerettet. Seit April 2019 ist die EU jedoch nicht mehr mit Schiffen vor Ort. "Das darf nicht zu einem Pendeldienst zwischen Libyen und Italien werden. Wenn Menschen in Seenot gelangen, muss es allerdings eine Rettung geben“, so Seehofer. Nehammer macht klar: Werden Flüchtlinge gerettet, müssen sie "dorthin gebracht werden, woher sie kommen. Seenotrettung darf kein Ticket nach Europa werden“.
EU-Innenminister beraten über Migration
Sicherungshaft: Nehammer zeigt Verständnis für die Grünen
Auf Deeskalation setzt Nehammer in der sensiblen Frage der Sicherungshaft. Am Donnerstag hatte sich der Abgeordnete Michel Reimon (Grüne) festgelegt, dass die Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber nicht komme, falls dies eine Verfassungsänderung erforderlich mache. Dem würde er nicht zustimmen, meinte der Abgeordnete. Nehammer versucht, angesichts des wachsenden Widerstands bei den Grünen Gelassenheit zu demonstrieren. "Es ist verständlich, dass dieses Thema eine heftige Diskussion für die Grünen darstellt, und dass Klubchefin Sigi Maurer hier unter Druck kommt.“ Der Innenminister, der sich vorige Woche in einem KURIER-Interview noch sicher zeigte, dass die Grünen "den Weg“ bei der Sicherungshaft "mitgehen werden“, setzt nun auf den Faktor Zeit und die Expertenmeinung. "Wir haben gemeinsam eine Gesetzeslücke identifiziert, und wir müssen nun unaufgeregt diskutieren. Die Experten brauchen Zeit, um eine Lösung zu finden.“
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