Tags darauf knirscht es im innerkoalitionären Gebälk derart, dass Ex-FPÖ-Minister Herbert Kickl nicht ohne Häme von einer „implodierenden“ Regierung spricht.
Nun wäre es töricht, den Streit um die Sicherungshaft zur alles entscheidenden Koalitionskrise hochzustilisieren. Dafür ist Türkis-Grün viel zu jung und den beiden Parteichefs Sebastian Kurz und Werner Kogler um einiges zu wichtig.
„Die Koalition ist nicht ernsthaft bedroht“, analysiert Politologe Thomas Hofer. „Das kann, 16 Tage nach der Angelobung, keiner der beiden wollen.“ Und von einer Regierungskrise könne man schon allein deshalb nicht sprechen, „weil derartige Krisen bei diesen so unterschiedlichen Parteien ohnehin schon vorher einkalkuliert waren“.
Fest steht aber auch, dass man sich beim für die ÖVP symbolträchtigen Thema der Sicherungshaft in eine Situation manövriert hat, die deutlich schwieriger ist als noch vor Tagen: Während man in der Führungsriege der Kanzler-Partei gute Argumente dafür findet, warum es diese zusätzliche Haftform unbedingt brauche, sagen die Grünen viel offener als noch vor wenigen Tagen, dass sie über eine allenfalls nötige Änderung der Verfassung erst gar nicht nachdenken wollen.
Für Sigrid Maurer, Klubobfrau der Grünen im Parlament, ist das Wort „verfassungskonform“ im Regierungsprogramm ziemlich eindeutig: Es beziehe sich auf die bestehende Verfassung. „Diese zu ändern, um eine sogenannte Sicherungshaft zu ermöglichen, ist für uns nicht denkbar.“ Auch Grünen-Mandatar Georg Bürstmayr, vom Brotberuf Anwalt für Menschenrechte, sagt: „Wir bleiben innerhalb des bestehenden Rahmens.“ Verfassungsexperten sehen da aber nur minimalen Spielraum.
Während sowohl die grüne, als auch die türkise Parteispitze betont, man werde das Thema nicht zur Fahnenfrage machen, gibt der aktuelle Fall einen Einblick in das Gefühlsleben der ungleichen Partner. „Die ÖVP hat die Koalitionsverhandlungen hoch gewonnen und viele Grüne haben dem Pakt mit der geballten Faust im Hosensack zugestimmt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Emotionen durchbrechen“, sagt Beobachter Thomas Hofer.
Tatsache ist: Auch bei Themen wie dem UN-Migrationspakt, dem Kopftuchverbot, dem Dieselprivileg oder der dritten Landepiste am Flughafen Wien-Schwechat wird man inhaltlich noch manches zu klären haben. Konflikte sind programmiert und absehbar – und den handelnden Personen schon jetzt bewusst.
Bei der aktuellen Beziehungskrise rät Politikberater Hofer den Koalitionspartnern dazu, schnell die Emotionen herauszunehmen. Der ursprüngliche Ansatz beim Konfliktthema, nämlich zuerst in Ruhe die Juristen arbeiten zu lassen, ist offensichtlich gescheitert. Auf diese Position könne man sich freilich immer zurückziehen – wenn auch mit Abstrichen. „Denn mittlerweile“, sagt Hofer, „haben sich beide so einzementiert, dass es kaum ohne Gesichtsverlust gehen wird.“
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