"Das Prägendste meiner politischen Laufbahn": Nehammer in Ukraine angekommen
Erst mit dem Flugzeug nach Polen, dann von Przemyśl nahe der ukrainischen Grenze rund elf Stunden im Nachtzug weiter Richtung Osten: Bundeskanzler Karl Nehammer ist heute um die Mittagszeit, begleitet von einer Delegation, in Kiew angekommen.
Der Besuch erfolgt auf Einladung von Präsident Wolodymyr Selenskij und soll laut Bundeskanzler als ein Zeichen der Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung verstanden werden.
Aber auch drei weitere wichtige Aspekte des Besuchs nennt Nehammer: die Anerkennung der Staatlichkeit der Ukraine, die Anerkennung der ukrainischen politischen Führung und die Anerkennung der Unabhängigkeit des Landes. "Das ist das Prägendste in meiner politischen Laufbahn", so der Kanzler. Es sei wichtig, "dass wir im Rahmen unserer Neutralität der Ukraine sowohl auf humanitärer als auch auf politischer Ebene beistehen."
Gleich nach der Ankunft steht in der ukrainischen Hauptstadt ein Treffen mit Selenskij am Programm des Kanzlers.
Besuch in Butscha
Auf ukrainischen Wusch hin, wird Nehammer im Anschluss nach Butscha fahren, um sich selbst ein Bild von den Spuren der Gräueltaten des Krieges machen zu können. "Was in der Ukraine und im Besonderen in vielen Städten der Ukraine geschieht, ist ein schrecklicher Angriffskrieg zulasten der Zivilbevölkerung", sagte Nehammer, der einräumt, dass ihn der Krieg "emotional und menschlich" sehr bewege.
Die "bekannt gewordenen Kriegsverbrechen" müssten "lückenlos aufgeklärt" werden, so der Bundeskanzler, "und zwar von unabhängigen und internationalen Expert/innen." Die für diese Verbrechen Verantwortlichen "müssen und werden" zur Rechenschaft gezogen werden.
Bevor Nehammer Samstagabend wieder seine Heimreise antreten wird, ist ein Treffen mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko geplant. "Es ist wichtig, dass wir im Rahmen unserer Neutralität der Ukraine sowohl auf humanitärer als auch auf politischer Ebene beistehen“, so der Kanzler.
Aktive Rolle bei Sanktionen
Nehammers Reise nach Kiew werde nicht nur zu einem größeren Verständnis für die Ukraine führen. Man erwartete sich als Konsequenz auch eine konstruktive Rolle Österreichs bei aktuellen Sanktionsfragen in Bezug auf Russland sowie ein aktives Engagement beim Wiederaufbau des Landes, sagte der ukrainische Botschafter in Wien, Wassyl Chymynez in einem Telefonat mit der APA.
"Es ist wichtig, dass der Bundeskanzler vor Ort in Kiew ist, und macht deutlich, dass er auf der Seite der Ukraine steht", erklärte Chymynez. Die geplanten Gespräche Nehammers mit Präsident Selenskij seien insbesondere im Zusammenhang mit Erwartungen relevant, dass Österreich eine aktive Rolle beim Wiederaufbau der Ukraine spielen werde.
Botschaft wiedereröffnen
"Die Bundesregierung und die österreichische Wirtschaft könnten sich hier in vielen Bereichen stark engagieren", betonte der Diplomat. Viele Krankenhäuser seien zerstört worden, Brücken und Straßen müssten aufgebaut und erneuert werden, es gelte Kriegsschäden zu beseitigen sowie Menschen zu helfen, in ihr normales Leben zurückzukehren. Konkret sprach Chymynez auch davon, dass die Ukraine in den befreiten Gebieten rund um Kiew so schnell wie möglich mit dem Wiederaufbau beginnen möchte.
Nach dem Besuch Nehammers rechne er zudem mit einem Beschluss, die österreichischen Botschaft in Kiew wieder aufzusperren, erklärte Chymynez mit Verweis auf diesbezügliche Schritte anderer EU-Staaten sowie der EU-Vertretung. Parteienverkehr der österreichischen Botschaft, die seit Freitag als symbolische Geste die Hauptstadt offiziell aus dem zeitgenössischen Ukrainischen transkribiert und nunmehr "Kyjiw" schreibt, gab es zuletzt lediglich in einer Außenstelle im westukrainischen Uschhorod.
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