Eine Absage kam postwendend vom Koalitionspartner: Die grüne Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer erklärte: „Wir halten aber nichts davon, im berechtigten Schock über diese Tat Anlassgesetzgebung zu machen.“
FPÖ-Chef Herbert Kickl griff indes einmal mehr auf das Bild der ÖVP als „Kopiermaschine“ zurück: Die Freiheitlichen hätten eine entsprechende Absenkung schon seit langem gefordert – ein niedriges Alter dürfe kein Freibrief sein; und im übrigen werde wohl auch diesmal den Ankündigungen Nehammers zum Trotz wieder nichts passieren.
Schützenhilfe erhielt Nehammer von Familienministerin Susanne Raab (ÖVP): Sie sprach von einem „fürchterlichen Frauenbild“, welches „auch über Migration aus anderen Kulturen importiert wird“. Bei solch schweren Straftaten halte sie Straffreiheit aufgrund des Alters für falsch.
Migration und Frühreife
In den sozialen Medien wird der ÖVP auch vorgehalten, früher in der Frage eine andere Position vertreten zu haben. So habe etwa die VP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler in einer Nationalratsdebatte 2020 erklärt, dass die Strafmündigkeit erst ab 14 „komplett außer Streit“ steht. Hintergrund war eine Diskussion über die UN-Kinderrechtskonvention und Kindergefängnisse in außereuropäischen Staaten. Damit konfrontiert, verweist Kugler gegenüber dem KURIER auf den völlig anderen Kontext sowie darauf, dass die Kinderrechtskonvention keine detaillierten Vorgaben bezüglich des Alters mache; und: „Die Übergriffe durch unter 14-Jährige machen eine Überprüfung der Senkung des Strafmündigkeitsalters leider notwendig.“
Generell wird in der Diskussion auch auf die veränderte Lage infolge der Migration sowie auf die früher eintretende Reife junger Menschen verwiesen.
Einige andere europäische Länder kennen zudem sehr wohl eine niedrigere Grenze. So liegt diese in der Schweiz bei zehn Jahren, ebenso im Vereinigten Königreich; in den Niederlanden, Irland und Ungarn ist man ab zwölf strafmündig. In den meisten Ländern Europas – wie etwa auch in Deutschland – liegt die Grenze allerdings bei 14 bzw. 15 Jahren.
"Strafrecht nicht so präventiv"
Erwartungsgemäß zeigen sich auch einschlägig befasste Experten ablehnend gegenüber Nehammers Plänen. Wie die Grünen spricht auch die Innsbrucker Kriminalsoziologin Veronika Hofinger von „Anlassgesetzgebung“, die abzulehnen sei. „Das Strafrecht ist nicht das Instrument, das präventiv so wirkt, wie man sich das in populistischen Debatten vorstellt“, meinte Hofinger am Montag. Ins selbe Horn stieß auch Andreas Hautz von der Fachgruppe Jugendstrafrecht in der Richtervereinigung: „Wir sind der einhelligen Überzeugung, dass eine Senkung der Strafmündigkeitsgrenze zu nichts führt. Die Erfahrung zeigt, dass ein Zwölfjähriger das Unrecht seiner Tat oft gar nicht erkennt bzw. nicht schuld- oder tateinsichtig handelt.“ Ähnlich argumentiert auch Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich.
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