Nehammer will Nicht-Bleibeberechtigte bereits in Bosnien zurückführen
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Sonntag die geplante Novelle der Strafprozessordnung verteidigt, wonach die Justiz Unterlagen von Behörden künftig in der Regel via Amtshilfe anfordern und eine Beschlagnahmung in einer Razzia nur noch in Ausnahmefällen möglich sein soll. In der ORF-"Pressestunde" sagte Nehammer, er könne "garantieren", dass es nicht so sein werde, dass ein Minister keine Angst mehr vor einer Hausdurchsuchung haben müsse.
Es gehe darum, die Verhältnismäßigkeit im Auge zu behalten, betonte Nehammer. Er verwies darauf, dass es sowohl das Instrument der Amtshilfe als auch der Hausdurchsuchung gebe. Dabei handle es sich um einen starken Grundrechtseingriff und das solle gewürdigt werden. Der Innenminister verwies darauf, dass Justizministerin Alma Zadic (Grüne) bereits klargestellt habe, dass sie die Einwände aus der Begutachtung sehr ernst nehme und dass sie nicht die Absicht habe, Hausdurchsuchungen generell unmöglich zu machen.
Dem Innenministerium gehe es bei der Reform nur um den Verfassungsschutz und darum, dass Geheimdienstunterlagen entsprechend behandelt werden, versicherte Nehammer. Dies deshalb, weil es bei der nachträglich als rechtswidrig erkannten Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Geheimdienstunterlagen beschlagnahmt wurden.
Für die angekündigte Reform des Verfassungsschutzes, der in eine "Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst" (DSN) umgewandelt werden soll, sei der Bericht der Kommission unter Ingeborg Zerbes, die die Fehler des BVT im Vorfeld des Terroranschlages in Wien aufgezeigt hat, "enorm hilfreich" gewesen, erklärte Nehammer.
Im Zusammenhang mit den kritisierten Chat-Nachrichten zwischen ÖBAG-Chef Thomas Schmid, Finanzminister Gernot Blümel und Bundeskanzler Sebastian Kurz (beide ÖVP) bezeichnete es Nehammer als "erstaunlich", mit welcher Leichtfertigkeit persönliche Nachrichten von Personen veröffentlicht werden, die nicht Teil eines Verfahrens seien. Er verwies hier darauf, dass Beamten, die das Amtsgeheimnis verletzten, schwere Strafen drohen.
Angekündigt hat der Innenminister auch die Aufstellung von "schnellen Reaktionskräften". Solche brauche es, um unmittelbare Gefahren abwenden zu können, wenn es um besonders gewaltbereite Gruppen geht, aber auch bei Demonstrationen gehe. Das habe man etwa bei dem Terroranschlag in Wien oder bei den Ausschreitungen in Favoriten gesehen. Die Bundesländer bekommen daher ab Herbst eine neue Spezialeinheit. Eine Ausnahme bildet hier nur Wien, weil es hier die WEGA gibt. Die Einsatzkräfte sollen auch eine besondere Ausrüstung und besondere Ausbildung bekommen.
Diskussion über Asyl und Migration
"Trennung von Asyl und Migration ist wichtig"
Die Trennung von Asyl und Migration finde nicht statt, so Nehammer anlässlich der Diskussion über Abschiebungen. "Asyl ist hohes Gut und ein wichtiges Instrument für Menschen, die bedroht sind. Migration ist ein ganz anderes Thema." Es stelle sich die Frage, "wieweit verträgt eine Gesellschaft Zuzug. Da gibt es Normierungen". Der Innenminister verweist auf die Möglichkeit des legalen Zuzugs mittels Rot-Weiß-Rot-Karte. Man müsse deshalb "besonders vorsichtig sein, in der Mischung beider Systeme".
Viele Menschen seien versucht, über das Asylsystem einen Migrationsstatus zu erhalten. Um "unnötige Härten" zu vermeiden, diene beispielsweise das humanitäre Bleiberecht. Österreich sei auf Platz 3 von 27-EU-Ländern, wenn es darum gehe, Menschen Schutz zu gewähren, so der Innenminister. Gleichzeitig zeige jede Abschiebung, die gelinge, Flüchtenden "dass es nicht sinnvoll ist, 5.000 Euro Schleppern in den Rachen zu werfen," so Nehammer.
Der ÖVP-Innenminister kündigte ein Pilotprojekt zur Rückführung von Migranten ohne Bleibewahrscheinlichkeit in die Herkunftsländer an. "Wir wollen mit Bosnien einen Charter organisieren, der schon von dort Nicht-Bleibeberechtigte in die Herkunftsländer zurückschickt." Momentan sei man dabei einen Charterflug zu organisieren, hieß es dazu am Sonntag aus dem Innenministerium.
Westbalkan-Reise Ende April
Nehammer wird zwischen 27. und 29. April selbst auf den Westbalkan reisen und seine Amtskollegen aus Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina und Serbien zu weiteren Gesprächen treffen.
Mittels der bei einer Migrationskonferenz vergangenen Sommer in Wien gegründeten „Plattform gegen illegale Migration“ wolle man außerdem verstärkt Projekte vor Ort unterstützen, so Nehammer. So würden etwa österreichische Beamte in Tunesien Grenzschützer ausbilden. Denn gerade Tunesien sei immer stark vom Einsickern islamistischer Terroristen bedroht.
Die von der Europäischen Union an Griechenland ausgezahlten 2,5 Milliarden Euro zur Unterstützung von Maßnahmen auf den Inseln bei der Versorgung von Flüchtlingen seien „bei weitem nicht so eingesetzt worden, wie sie es hätten sollen“, sagte Nehammer weiters. Man dürfe aber nicht vergessen, dass es vor dieser Regierung in Griechenland „links-linksextreme Regierungen“ gegeben habe, die dieses Geld nicht eingesetzt hätten. Mittlerweile sehe er aber ein Bemühen der griechischen Regierung, die Situation zu verbessern.
Die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage sieht Nehammer für alternativlos an, auch wenn dies „eine der größten Herausforderungen für die Kommission“ sei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wisse, dass er hier eine Schlüsselposition habe und setze Flüchtlinge „immer wieder als Kapital ein“, um seine Verhandlungsposition zu stärken. So hätten vor nicht ganz einem Jahr österreichische Cobra-Beamte vor Ort in Griechenland bestätigt, dass es Tränengas-Beschuss von türkischer Seite gegeben habe, um Flüchtlinge in Richtung Griechenland zu treiben, so Nehammer. Es brauche daher beides, Gespräche und „die Klarheit der Europäischen Kommission, dass wir uns nicht erpressen lassen“.
Für die Politik in Österreich pochte Nehammer auf eine Trennung von Asyl und Migration. Er betonte, dass das humanitäre Bleiberecht in jedem Fall geprüft werde. Man könne aber nicht Personen ohne Asylstatus einfach hier behalten, weil das Signalwirkung in den Herkunftsländern hätte und nur den Schleppern nutzen würde. Die Vorschläge der von Irmgard Griss geleitete Kindeswohlkommission werde man prüfen. Bisher liege aber noch nichts Konkretes vor.
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