Nehammer im Quarantäne-Interview: "Ein Lockdown ist kein Allheilmittel"
Am Freitag wurde Kanzler Karl Nehammer positiv auf Corona getestet. Das bereits fixierte Interview wurde daher via Microsoft-Teams durchgeführt statt persönlich im Bundeskanzleramt.
KURIER: Herr Nehammer, Sie sind seit Freitagnachmittag in Quarantäne. Spüren Sie mittlerweile Symptome?
Karl Nehammer: Mir geht es gut. Es ist genau das eingetreten, wovon wir in den Sitzungen und Pressekonferenzen reden. Das Impfen schützt und nützt. Ich bin drei Mal geimpft, habe keine Symptome.
Gibt es im Team und in der Familie weitere Infizierte?
Nein, bis jetzt ist nur der Personenschutz-Kommandant positiv getestet. Auch meine Frau und meine Kinder haben einen negativen Test.
Am Montag startet die Schule. Werden Sie Ihre Kinder in die Schule schicken?
Zur Beruhigung der Eltern werden wir die Kinder erst in die Schule schicken, wenn ich mich aus der Quarantäne freitesten kann. Das ist am Mittwoch.
Sie sind in Quarantäne. Wo lebt die Familie jetzt?
Wir haben zum Glück die Möglichkeit, meine Familie in einer leeren Wohnung eines nahen Verwandten, weil dieser gerade im Urlaub ist, zu separieren. Ich bin alleine zu Hause, damit ich meine Familie keinem Risiko aussetze.
Es kursiert ein Foto, das Sie in einer Hütte mitten in einer Runde von Skifahrern zeigt. Haben Sie sich hier infiziert?
Das Foto ist am 29. Dezember auf der Skihütte auf Wunsch des Direktors und der Fachlehrer der Landwirtschaftsschule Tamsweg entstanden. Ich habe mit ihnen ein Bier getrunken, die 2-G-Corona-Regel wurde eingehalten. Alle, die am Foto zu sehen sind, sind auch aktuell negativ getestet. Ich selbst hatte am 4. und 5. Jänner, also eine Woche danach, noch einen negativen PCR-Test.
Ich finde es schade, dass versucht wird, alles zu skandalisieren, selbst wenn man mit der Familie im Urlaub ist. Andererseits sollte es für den Kanzler selbstverständlich sein, für ein Foto und ein Gespräch unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen zur Verfügung zu stehen. Was in den Sozialen Medien daraus gemacht wird, ist bedauerlich für den Diskussionsprozess. Meine Ansteckung ist nach der Rückkehr aus dem Urlaub erfolgt.
Gecko-Leiterin Katharina Reich meinte, dass die Durchseuchung passieren wird. Kapituliert die Regierung vor dem Virus und nun regiert das Prinzip Hoffnung auf milde Verläufe?
Wir werden mit ganz hohen Infektionszahlen leben, die führen nur zu anderen Reaktionen als bei der Delta-Variante. Das wollte Katharina Reich kommunizieren. Sie ist keine Politikerin, sondern eine Expertin, die klar und trocken analysiert und nicht jedes Wort abwägt, ob daraus interpretiert wird, dass jeder von uns an Omikron erkrankt. Wir rechnen in den kommenden Tagen mit Infektionszahlen von mehr als 20.000 pro Tag und haben deswegen den Kontrolldruck für Ungeimpfte durch strengere Maßnahmen, wie die 2-G-Kontrolle im Handel, erhöht.
Auch die FFP2-Maskenpflicht haben wir verschärft. In Dänemark, Norwegen und Großbritannien sehen wir, dass die Verläufe bei der Omikron-Variante milder sind. Wir haben von jedem Lockdown gelernt, dass er schwere Folgen hat – nicht nur wirtschaftliche, sondern auch psycho-soziale. Ein Lockdown ist kein Allheilmittel.
Wir sehen in den Niederlanden, dass dort trotz harten Lockdowns die Infektionszahlen wieder steigen. Mit einem Lockdown erreicht man maximal, dass man die Infektionsanstiege nach hinten verschiebt. Daher versuchen wir alles der Omikron-Wand entgegenzuhalten, damit die Geimpften so gut wie möglich ihre Freiheit leben können. Was wir jetzt auf jeden Fall verhindern müssen, ist ein Shutdown – einen komplett Stillstand im Land. Die Konsequenzen wären verheerend.
Die Kontrollen in den Shops können auch erst an der Kassa stattfinden. Schaut so eine Pandemiebekämpfung à la Österreich aus?
Alle Maßnahmen müssen so formuliert sein, dass sie auch anwendbar sind. Ich kann nicht von einem kleinen Handelsbetrieb mit einem Mitarbeiter verlangen, schon beim Eingang zu kontrollieren, wenn er alleine im Geschäft ist. Aber ich will, dass dennoch kontrolliert wird, damit es Konsequenzen gibt. Bei Shoppingcentern oder großen Handelsbetrieben sind die Kontrollen natürlich am Eingang durchzuführen.
ELGA hat bekannt gegeben, dass die Impfpflicht statt Februar erst ab April umsetzbar sein wird. Ist das nicht peinlich?
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Die Impfpflicht wird auf jeden Fall kommen und sie wird umsetzbar sein. Wir haben jetzt schon einen Lockdown für Ungeimpfte – der ist ja jetzt schon kontrollierbar. Das heißt, es fehlen nur mehr kleine Schritte zur Umsetzung der Impfpflicht. Omikron zeigt uns, dass Impfen wirkt. Es ist der einzige Weg, damit wir nicht ständig freiheitsbeschränkende Maßnahmen brauchen.
In den Umfragen steht die ÖVP bei 23 Prozent und die SPÖ bei 26 Prozent. Wie viel Zeit haben Sie, die Umfragen zu verbessern, bevor die Nerven der ÖVP-Landeschefs blank liegen?
Ich richte meine Arbeit nicht nach Umfragen aus. Die Landeshauptleute unterstützen mich so gut wie auch unter Sebastian Kurz. Wir werden redlich und hart arbeiten. Über diese Klarheit in der Politik und den inhaltlichen Themen wie die ökosoziale Steuerreform und die Erhöhung der kleinen Pensionen, werden wir den Menschen zeigen, dass die Regierung trotz Corona weiter arbeitet. Dadurch wird die Akzeptanz steigen.
Sie meinen, die ÖVP habe kein Korruptionsproblem. Können Sie das guten Gewissens behaupten? Es wurden Ex-ÖVP-Politiker wie Ernst Strasser, Josef Martinz und Karl-Heinz Grasser zu Haftstrafen verurteilt. Dazu kommen die Ermittlungen gegen Kurz und seine Vertrauten.
Was man fix sagen kann, ist, dass es viele Pauschalverdächtigungen gibt. Das Wort Unschuldsvermutung ist mittlerweile eine Verniedlichung im Hinblick darauf, was das Strafrecht darunter versteht. Das sehe ich als Problem. Es laufen viele Ermittlungen, aber Sie haben nicht aufgezählt, wie viele Ermittlungen schon eingestellt wurden – wie man in der Schredder-Affäre sieht. Da gab es Ermittlungen, die wurden eingestellt. Dann hat die Opposition wieder eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht, es wurde wieder ermittelt und nun wurde zum zweiten Mal eingestellt.
Ich sehe es als bedauerlich an, die Politik in den Bereich der Justiz zu verlagern, in dem viele Anzeigen gemacht werden. Politik gehört ins Parlament und in die Medien. Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel. Es sind viele Beschuldigungen in der Luft, aber es bleibt immer noch so, dass Gerichte darüber entscheiden, ob jemand schuldig ist oder nicht.
Sie verdrängen die Schuldsprüche ...
Diese Fälle liegen sehr lange zurück. Auch SPÖ und FPÖ haben in den vergangenen Jahrzehnten Korruption in ihren Reihen gehabt. Das jetzt nur der ÖVP zuzuschreiben, ist sehr durchsichtig.
Thomas Schmid hat ein Talent für unvergessliche Formulierungen. Kann man den Imageschaden durch Schmids Zuschreibung, dass die ÖVP „die Hure der Reichen“ ist, überhaupt wettmachen?
Inhaltlich ist zu sagen, dass diese Wortwahl inakzeptabel ist. Aber den Rückschluss zu ziehen, wenn eine Person in einem privaten Chat so etwas schreibt, das auf die ganze ÖVP zu übertragen, halte ich für sehr gewagt und nicht korrekt.
Sie selbst sind Reserveoffizier. Verraten Sie uns, warum trägt Generalmajor Striedinger den Tarnanzug?
Ich finde es total interessant, dass bei diesem wahnsinnig ernsten Thema Pandemie über solche Äußerlichkeiten gesprochen wird. Die Uniform, die Generalmajor Striedinger trägt, ist der alltägliche Dienstanzug des Soldaten in Österreich. Dadurch entsteht auch eine Identifikation mit der Truppe, die die Gesundheitsbehörden in vielen Bereichen unterstützt. Was die Sprache angeht, drückt er Dinge aus, wie er sie in seiner Welt auch beschreiben würde. Wie müssen hier offener werden. Warum ist Generalmajor Striedinger so wichtig? Weil die Führungskompetenz des Bundesheeres in der Gecko abgebildet ist. Es ist heute in Mode gekommen, für alles Haltungsnoten zu vergeben, aber wir sollten uns auf die Inhalte und die Umsetzung konzentrieren.
Kommentare