Neuer Nationalrat: Viele "Frischlinge", wenige Frauen
Wenn sich heute, Donnerstag, der Nationalrat neu konstituiert, ist mehr als ein Drittel aller Abgeordneten neu. Was an diesem so wichtigen Parlamentstag passiert und spannend ist – ein Überblick.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Es ist nicht lange her, da hat ein österreichischer Vizekanzler (Reinhold Mitterlehner, Anm.) Hermann Hesse mit diesem Satz im Plenarsaal des Nationalrats zitiert.
Heute, Donnerstag, würde er wieder gut passen. Denn mit der Angelobung der 183 Nationalratsabgeordneten beginnt ganz offiziell die 28. Gesetzgebungsperiode. Und es ist tatsächlich allerhand neu. So ist deutlich mehr als ein Drittel der anzugelobenden Mandatare – exakt sind es 73 – erstmals in dieser Funktion, sprich: im Parlament.
Die mit Abstand meisten „Frischlinge“ finden sich in den Reihen der FPÖ. Bedingt durch den Wahlsieg ist die FPÖ-Fraktion enorm angewachsen, 31 der nun57 FPÖ-Mandatare sind neu im Hohen Haus.
Ähnliches gilt für die SPÖ. Allerdings hat sich bei den Sozialdemokraten die Anzahl der Mandate nicht wesentlich geändert. Vielmehr ist es einem Generationenwechsel geschuldet, dass immerhin 44 Prozent der roten Abgeordneten heute erstmals die Angelobungsformel sprechen.
Herbert Kickl wurde am Mittwoch einstimmig zum FPÖ-Klubchef gewählt.
Bei der ÖVP wurden – ebenfalls einstimmig – Karl Nehammer zum Klubobmann und August Wöginger zum geschäftsführenden Klubobmann gewählt.
Auch Werner Kogler bekam ein einstimmiges Votum als grüner Klubchef. Die Geschäfte führt weiterhin Sigrid Maurer, die mit einer Gegenstimme als Vize gewählt wurde, ebenso Leonore Gewessler.
Nur 86 Prozent bekam Andreas Babler als SPÖ-Klubchef.
Bei den Neos wurde Beate Meinl-Reisinger schon vor Längerem einstimmig bestätigt.
Angelobt
Was steht für diese sogenannte konstituierende Sitzung grundsätzlich auf dem Programm?
Abgesehen von der erwähnten Angelobung gibt es allerhand Technisches zu bewältigen: Da ist zum Beispiel die Wahl des Nationalratspräsidiums (siehe Artikel unten) sowie der Schriftführer und Ordner, die unter anderem die Aufgabe haben, Protokolle von Plenarsitzungen zu unterzeichnen und dem Vorsitz bei der Verhandlungsleitung zur Hand zu gehen.
Wesentlich ist des Weiteren die Wahl der verschiedenen Parlamentsausschüsse. Im Unterschied zum Plenum, das gewissermaßen die „Bühne“ für die politischen Auseinandersetzungen darstellt, passiert der Großteil der inhaltlichen Arbeit hier, also in den parlamentarischen Ausschüssen.
Bekannt ist von ihnen allenfalls der Hauptausschuss, der etwa bei Regierungsverordnungen, EU-Angelegenheiten mitarbeiten darf. An diesem Donnerstag sollen sich freilich auch all die anderen Ausschüsse (Unvereinbarkeit, Immunität, Budget etc.) nach Möglichkeit konstituieren.
Eine Ernüchterung gibt es bei der Frauenquote. War man in vergangenen Legislaturperioden nachgerade gewohnt, dass sich der Frauenanteil im Hohen Haus an die gesellschaftliche Realität annähert, ist die Frauenquote im Nationalrat mit 36 Prozent diesmal sogar unter den früheren Wert (39 Prozent) gefallen.
Ein Faktor dafür ist der Wahlsieg der FPÖ. Denn der nun größte Parlamentsklub hat mit 22,8 Prozent auch die niedrigste Frauenquote.
Was ist sonst noch neu?
Die meisten Regierungsmitglieder wollen in ihrer Doppelfunktion zusätzlich zum Ministeramt auch ihr Mandat annehmen. Sie sind damit Minister und Abgeordnete zur gleichen Zeit. Im ÖVP-Regierungsteam haben nur Bundeskanzler Karl Nehammer und Staatssekretärin Claudia Plakolm Erfahrung als Nationalratsabgeordnete.
Apropos Erfahrung: Mit Salzburgs FPÖ-Landesparteisekretär Sebastian Schweighofer zieht nicht nur der jüngste Abgeordnete, sondern auch erstmals ein 2000er-Jahrgang ins Hohe Haus ein.
Dazu ein statistisches Detail: Die jüngsten Abgeordneten stellen mit durchschnittlich 44 Jahren Neos und Grüne, die ältesten hat die ÖVP mit 51 Jahren. Über alle Fraktionen hinweg beträgt das Durchschnittsalter 48 Jahre.
Eindeutig ist das Ergebnis, wer in diesem Nationalrat die meiste politische Erfahrung hat: Doris Bures, die heute zur Dritten Präsidentin gewählt werden soll, wurde vor 34 Jahren zum ersten Mal ins Amt gelobt. Sie ist die einzige der 183, die von sich behaupten kann, schon im vergangenen Jahrtausend Abgeordnete gewesen zu sein.
Und was ist mit der Bildung einer neuen Regierung? Das wird sich etwas ziehen. Die ersten Sondierungsgespräche von ÖVP und SPÖ starten am Freitag. Ausgang: offen.
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