Die SPÖ ist von einem Blauen an der Spitze auch nicht begeistert, will aber erst abwarten, welche Person die FPÖ vorschlägt. Ebenso die Neos, die denjenigen zu einem Gespräch einladen wollen.
Aber woher rührt die Skepsis? Was Sie über das Amt wissen müssen:
Wie kommen der Nationalratspräsident und seine zwei Stellvertreter ins Amt?
Sie werden in der konstituierenden Sitzung von den Abgeordneten gewählt. Ein Wahlvorschlag ist nicht notwendig – bei der geheimen Abstimmung kann jeder Abgeordnete auf einen Zettel geschrieben werden. Üblicherweise einigen sich die Fraktionen vorab. Laut Usancen wird ein Kandidat der stärksten Partei Erster Nationalratspräsident, einer der zweitstärksten wird Zweiter und einer der drittstärksten wird Dritter. In der jetzt ablaufenden Legislaturperiode waren das Wolfgang Sobotka (ÖVP), Doris Bures (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ).
Wer könnte es werden?
Die ÖVP nominiert den Abgeordneten Peter Haubner für das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten, wie am Samstag verkündet wurde.
Woraus zu schließen ist, dass die FPÖ tatsächlich den Ersten bekommen dürfte. Für das Amt nominiert die FPÖ, wie ebenfalls am Samstag publik wurde, Walter Rosenkranz. Der ehemalige Hofburgkandidat, der die vergangenen fünf Jahre als Volksanwalt skandalfrei unterwegs war, gilt als moderat, verbindlich und „freundlicher Freiheitlicher“.
Doris Bures, SPÖ, hat bereits angekündigt, als Dritte Nationalratspräsidentin kandidieren zu wollen.
Welche Aufgaben hat ein Nationalratspräsident?
Viele. Erstens ist er Chef der rund 400 Mitarbeiter im Parlament, verfügt über das Budget und kann – so wie Sobotka, in dessen Ägide ja die Sanierung des Parlaments fiel – auch gestalterisch tätig werden (wir erinnern uns an den goldenen Flügel und die vielen Kunstwerke im Parlament).
Zweitens ist er „Fahrdienstleiter“ der Gesetzgebung: Er beraumt Sitzungen an und fixiert – laut Usancen – im Einvernehmen mit den Klubs die Tagesordnung. Während der Sitzungen wacht er darüber, dass die Geschäftsordnung eingehalten wird, Abstimmungen ordnungsgemäß vonstattengehen und eine gewisse Debattenkultur gepflegt wird. Wer sich im Ton vergreift, muss mit einem Ordnungsruf rechnen. Wichtig ist – wie bei all seinen Aufgaben – Objektivität und Überparteilichkeit. In der Vorsitzführung wechselt er sich mit seinen Stellvertretern ab.
Wie prägt er das Bild des Parlaments nach außen?
Das ist der dritte Punkt: Er repräsentiert das österreichische Parlament und pflegt internationale Beziehungen zu Amtskollegen.
Er kann auch ausländische Gäste einladen. Eine Befürchtung, sollte ein Freiheitlicher den Job bekommen, lautet, dass er Vertreter der befreundeten AfD aus Deutschland und rechtsextreme Identitäre (die FPÖ-Chef Herbert Kickl ja als „NGO von rechts“ verharmlost) einladen könnte, oder auch Politiker aus Ungarn und Russland.
Mit Protesten wäre dann wohl zu rechnen – verbieten kann man das einem Nationalratspräsidenten aber nicht.
Kann ein Nationalratspräsident Beschlüsse der Regierungsfraktionen blockieren?
Wenn Ausschüsse Bericht erstatten und eine Abstimmung ansteht, muss er eine entsprechende Sitzung anberaumen. Wenn er es darauf anlegt, gäbe es aber die Option, die Sitzung auf unbestimmte Zeit zu unterbrechen. Er allein bestimmt, wann fortgesetzt wird.
Welche Missbrauchspotenziale gibt es noch?
Er kann Mandataren das Wort entziehen – ebenfalls auf unbestimmte Zeit – und sie damit für den Rest des Tages mundtot machen.
Er könnte auch Transparenz und Medienarbeit massiv einschränken – beispielsweise, indem die Galerie geräumt, die TV-Übertragung untersagt wird oder parlamentarische Materialien nicht mehr online publiziert werden.
Kann man einen Nationalratspräsidenten absetzen?
Anders als bei Regierungsmitgliedern ist dafür im Gesetz kein Prozedere vorgesehen. Es gibt aber zwei Szenarien, in ihn das Amt kosten könnten: Erstens, wenn er strafrechtlich verurteilt wird – mit einer Strafe von sechs Monaten unbedingt oder einem Jahr bedingt. Bis so ein Urteil rechtskräftig ist, dauert es aber.
Zweitens könnte der Bundespräsident die Notbremse ziehen und den Nationalrat komplett auflösen. Bis ein neuer konstituiert ist, bleiben nur einzelne, unbedingt notwendige Ausschüsse bestehen.
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